Sehnsucht von Joseph von Eichendorff

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
 
Zwei junge Gesellen gingen
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Vorüber am Bergeshang,
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Ich hörte im Wandern sie singen
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Die stille Gegend entlang:
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Von schwindelnden Felsenschlüften,
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Wo die Wälder rauschen so sacht,
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Von Quellen, die von den Klüften
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Sich stürzen in Waldesnacht.
 
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Sie sangen von Marmorbildern,
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Von Gärten, die überm Gestein
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In dämmernden Lauben verwildern,
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Palästen im Mondenschein,
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Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
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Wann der Lauten Klang erwacht
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Und die Brunnen verschlafen rauschen
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In der prächtigen Sommernacht. —
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Sehnsucht“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
115
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sehnsucht“ wurde vom deutschen Lyriker Joseph von Eichendorff verfasst, der von 1788 bis 1857 lebte. Er zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Romantik, eine literarische Epoche zwischen 1795 und 1848, sodass wir das Gedicht zeitlich in diese Periode einordnen können.

Vom ersten Eindruck her wirkt das Gedicht melancholisch und verträumt. Es beschreibt das lyrische Ich in einer Sommernacht, wie es allein am Fenster steht und in die Weite blickt. Die Atmosphäre ist still und ruhig, nur unterbrochen durch den Klang eines Posthorns in der Ferne. Dieser Klang löst im lyrischen Ich eine Sehnsucht aus, in die Ferne zu reisen und die weite Welt zu entdecken.

Die Handlung entwickelt sich weiter, indem das lyrische Ich zwei wandernde Gesellen betrachtet und ihr Lied hört. Es geht um faszinierende Landschaften, um Marmorbilder, verwilderte Gärten, prächtige Paläste, lauschende Mädchen und rauschende Brunnen – eine bunt gemischte Vorstellung von der weiten Welt, die das lyrische Ich so sehr anzieht. Die wiederholte Zeile „In der prächtigen Sommernacht“ unterstreicht die Schönheit der beschriebenen Szenen und die tiefe Sehnsucht des lyrischen Ichs, Teil dieser Welt zu sein.

Formal ist das Gedicht in drei gleich aufgebaute Strophen zu je acht Versen gegliedert. Der Reim ist durchgehend Kreuzreim (ababcdcd). Die Sprache ist bildreich und anschaulich, typisch für die romantische Lyrik. Der Gebrauch von Naturmotiven dient der Romantisierung der Realität und erzeugt eine traumhafte Stimmung. Eichendorff nutzt diese um ein Gefühl des Fernwehs und der Melancholie zu erzeugen, das die damalige Gesellschaft in der Industrialisierung möglicherweise selbst verspürte. Er nutzt das Posthorn als Symbol der Sehnsucht – ein weit entfernter Ruf, der das lyrische Ich zu neuen Orten zieht. Die konstante Wiederholung der „prächtigen Sommernacht“ betont die ständige Sehnsucht.

Insgesamt beschreibt Eichendorff in seinem Gedicht ein lyrisches Ich, das sich nach Freiheit und Abenteuer sehnt, nach der Möglichkeit, die Welt mit ihren Wundern zu entdecken und den gewohnten Alltag hinter sich zu lassen. Es ist das Porträt eines Poeten in der Romantik, der seine eigenen Träume und Sehnsüchte durch die Sprache ausdrückt und mit seinen Lesern teilt.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Sehnsucht“. 1788 wurde Eichendorff geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Welt, die sich durch die einsetzende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. Die zentralen Motive der Romantik sind das Schaurige, Unterbewusste, Fantastische, Leidenschaftliche, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Romantiker sehnen sich nach der Einheit von Natur und Geist. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das 115 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Der Dichter Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Zum Autor des Gedichtes „Sehnsucht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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