Abendsegen von Arthur Fitger

?Mädchen, hör die Pforte gehen
Leise klirrend durch die Nacht."
Base, nur die Winde wehen,
Gebt des späten Lärms nicht acht;
An die Fentser streicht der Regen;
Schlafet ein,
Ich allein
Lese noch den Abendsegen.
 
Ihr Töchter Jerusalems horcht und lauscht:
10 
Mein Freund ist nahe, sein Fußtritt lauscht:
11 
Sei Fußtritt rauscht durch die dämmernde Au,
12 
Die Locke trieft ihm vom nächtlichen Tau.
 
13 
?Mädchen, hör's zur Treppe schleifen,
14 
Sorglich tasten Schritt vor Schritt."
15 
Base, nur die Mäuschen pfeifen,
16 
Heimchen pfeift am Herde mit;
17 
An die Fenster streicht der Regen;
18 
Schlafet ein;
19 
Ich allein
20 
Lese noch den Abendsegen.
 
21 
Ihr Töchter Jerusalems, hört meinen Freund:
22 
Vom Garten, wo purpurn die Feige sich bräunt,
23 
Wo die Traube sich rankt über blumige Zier,
24 
Er kommt, er sucht, er sehnt sich nach mir.
 
25 
?Mädchen, hör, nun spukt es droben
26 
Tappernd in dein Kämmerlein."
27 
Base, wenn Gespenster toben,
28 
Wird ein Engel bei mir sein.
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An die Fenster streicht der Regen,
30 
Schlafet ein,
31 
Ich allein
32 
Lese noch den Abendsegen.
 
33 
Mein Freund, mein Geliebter, du Schöner, du Trauter,
34 
Laut schlägt mir das Herze und lauter und lauter,
35 
Allum liegt's im Schlaf, und es wachet kein Licht;
36 
Ihr Wächter von Zion, verratet uns nicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Abendsegen“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
194
Entstehungsjahr
1840 - 1909
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abendsegen“ wurde von Arthur Fitger, einem deutschen Dichter und Maler, verfasst. Fitger lebte von 1840 bis 1909, wodurch dieses Gedicht statistisch wahrscheinlich in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts oder in das frühe 20. Jahrhundert einzuordnen ist.

Auf den ersten Blick fällt die wiederkehrende Struktur des Gedichts auf. Jede Strophe beginnt entweder mit einem Hinweis auf Geräusche, die das lyrische Ich zu seinem Zimmer gelangen hört, oder mit einem direkten Ansprechen des Geliebten. Im ersteren Fall wird das lyrische Ich immer beruhigt, dass es nur den Regen oder die Naturgeräusche sind, die es hört.

Im Gedicht scheint das lyrische Ich alleine zu sein und wartet auf das Erscheinen seines Geliebten. Diese Erwartung wird in einer nächtlichen, verträumten Atmosphäre ausgedrückt, durchsetzt von Geräuschen, die die Einsamkeit und Stille der Nacht durchbrechen. Mehrere Male mündet diese Erwartung in eine Art Gebet, den „Abendsegen“, den das lyrische Ich liest, als Ritual, vielleicht als Hoffnung auf das Erscheinen des Geliebten.

Die Form des Gedichts wird durch Strophen von unterschiedlicher Länge und einen variierenden Rhythmus geprägt, der die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich zieht. Der Versbau ist ebenfalls nicht einheitlich, was eine Art Gespräch oder innere Konversation zu unterstreichen scheint.

Die Sprache ist eher formal und pathetisch, mit biblischen Anspielungen (wie „Töchter Jerusalems“ und „Wächter von Zion“), die eine spirituelle Dimension hinzufügen. Darüber hinaus betrachtet das lyrische Ich den Geliebten fast wie eine himmlische Erscheinung, die unterstreicht, wie sehr es ihn ersehnt. Das Gedicht spielt auch mit Klangeffekten, wie das wiederholte „klirrend“, „riecht“, „schleifen“, womit die gespannte Atmosphäre und Erwartung unterschrieben wird.

Gesamthaft ausgedrückt ist das Gedicht „Abendsegen“ ein poetischer Ausdruck von Sehnsucht und Liebe, verpackt in einer nächtlichen Kulisse und verbunden mit religiösen und mystischen Elementen. Es zeigt uns das lyrische Ich in einem intimen und einsamen Moment, das nur durch die Hoffnung auf die Ankunft des Geliebten belebt wird.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abendsegen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Arthur Fitger. Der Autor Arthur Fitger wurde 1840 in Delmenhorst geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1856 und 1909. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 194 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Arthur Fitger sind „Unfreiheit“, „Singend über die Heide“ und „An das Vaterland“. Zum Autor des Gedichtes „Abendsegen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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