Der Mohrenfürst von Ferdinand Freiligrath

Sein Heer durchwogte das Palmenthal.
Er wand um die Locken den Purpurshawl,
Er hing um die Schultern die Löwenhaut;
Kriegerisch klirrte der Becken Laut.
 
Wie Termiten wogte der wilde Schwarm.
Den goldumreiften, den schwarzen Arm
Schlang er um die Geliebte fest:
Schmücke dich, Mädchen, zum Siegesfest!
 
Sieh, glänzende Perlen bring' ich dir dar!
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Sie flicht durch dein krauses, schwarzes Haar!
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Wo Persia's Meerflut Korallen umzischt,
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Da haben sie triefende Taucher gefischt.
 
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Sieh, Federn vom Strauße! laß sie dich schmücken!
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Weiß auf dein Antlitz, das dunkle, nicken!
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Schmücke das Zelt! bereite das Mahl!
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Fülle, bekränze den Siegespokal!"
 
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Aus dem schimmernden, weißen Zelte hervor
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Tritt der schlachtgerüstete fürstliche Mor:
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So tritt aus schimmernder Wolken Tor
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Der Mond, der verfinsterte, dunkle, hervor.
 
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Da grüßt ihn jubelnd der Seinen Ruf,
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Da grüßt ihn stampfend der Rosse Huf.
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Ihm rollt der Neger treues Blut
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Und des Nigers rätselhafte Flut.
 
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?So führ' usn zum Siege! so führ' uns zur Schlacht!"
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Sie stritten vom Morgen bis tief in die Nacht.
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Des Elefanten gehölter Zahn
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Feuerte schmetternd die Kämpfer an.
 
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Es fleucht der Leu, es fliehn die Schlangen
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Vor dem Rasseln der Trommel, mit Schädeln behangen.
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Hoch weht die Fahne verkünden Tod;
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Das Gelb der Wüste färbt sich rot.
 
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So tobt der Kampf im Palmental!
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Sie aber bereitet daheim das Mahl;
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Sie füllt den Becher mit Palmensaft,
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Umwindet mit Blumen der Zeltstäbe Schaft.
 
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Mit Perlen die Persia's Flut gebar,
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Durchflicht sie das krause, schwarze Haar,
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Schmückt die Stirne mit wallenden Federn, und
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Den Hals und die Arme mit Muscheln bunt.
 
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Sie setzt sich vor des Geliebten Zelt;
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Sie lauscht, wie ferne das Kriegshorn gellt.
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Der Mittag brennt, und die Sonne sticht;
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Die Kränze welken, sie achtet's nicht.
 
45 
Die Sonne sinkt, und der Abend siegt;
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Der Nachttau rauscht, und der Glühwurm fliegt.
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Aus dem lauen Strom blickt das Krokodil,
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Als ob es der Kühle genießen will.
 
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Es regt sich der Leu und brüllt nach Raub,
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Elefantenrudel durchrauschen das Laub.
51 
Die Giraffe sucht des Lagers Ruh',
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Augen und Blumen schließen sich zu.
 
53 
Ihr Busen schwillt voll Angst empor;
54 
Da naht ein flüchtiger, blutender Mohr.
55 
?Verloren die Hoffnung! verloren die Schlacht!
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Dein Buhle gefangen, gen Westen gebracht!
 
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Ans Meer! den blanken Menschen verkauft!"
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Da stürzt sie zur Erde, das Haar zerrauft,
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Die Perlen zerdrückt sie mit zitternder Hand,
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Birgt die glühende Wange im glühenden Sand.
 
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Auf der Messe, da zieht, da stürmt es hina
62 
Zum Zirkus, zum glatten, geebneten Plan.
63 
Es schmettern Trompeten, das Becken klingt,
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Dumpf wirbelt die Trommel, Bajazzo springt.
 
65 
Herbei, herbei! das tobt und drängt;
66 
Die Reiter fliegen; die Bahn durchsprengt
67 
Der Kürkenrapp' und der Brittenfuchs;
68 
Die Weiber zeigen den üppigen Wuchs.
 
69 
Und an der Reitbahn verschleiertem Tor
70 
Steht ernst ein krausgelockter Mohr;
71 
Die türkische Trommel schlägt er laut,
72 
Auf der Trommel liegt eine Löwenhaut.
 
73 
Er denkt an den fernen, fernen Niger,
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Und daß er gejagt den Löwen, den Tiger;
75 
Und daß er geschwungen im Kampfe das Schwert,
76 
Und daß er nimmer zum Lager gekehrt;
 
77 
Und daß sie Blumen für ihn gepflückt,
78 
Und daß sie das Haar mit Perlen geschmückt
79 
Sein Auge ward naß; mit dumpfem Klang
80 
Schlug er das Fell, daß es rasselnd zersprang.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Mohrenfürst“

Anzahl Strophen
20
Anzahl Verse
80
Anzahl Wörter
517
Entstehungsjahr
1810 - 1876
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Mohrenfürst“ wurde vom deutschen Dichter Ferdinand Freiligrath verfasst, der im 19. Jahrhundert lebte und somit der Epoche des Biedermeier und Vormärz zugeordnet werden kann.

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines afrikanischen Anführers, der gemeinsam mit seinem Heer in die Schlacht zieht, während seine Geliebte zu Hause ihr gemeinsames Zelt vorbereitet und sich für die erhoffte Siegesfeier schmückt. Die Schlacht verläuft jedoch anders als erwartet, der Fürst wird gefangen genommen und als Sklave verkauft. Er endet schließlich, weit weg von seiner Heimat, im Zirkus, wo er unglücklich Trommel spielt und an sein früheres Leben und seine Geliebte denkt.

In diesem epischen Gedicht vermittelt das lyrische Ich eine deutliche Kritik an der Sklaverei und der kolonialen Ausbeutung. Der Mohrenfürst ist ursprünglich ein starker, selbstbestimmter Führer, der durch den Raub seiner Freiheit ins Unglück gestürzt wird. Die Geliebte, die anfangs voller Hoffnung und Vorfreude auf seinen Sieg wartet, fällt in tiefe Verzweiflung, als sie von seiner Gefangennahme erfährt.

Das Gedicht ist in Reimpaaren verfasst und besteht aus 80 Versen, aufgeteilt in 20 gleich strukturierten Strophen mit je vier Versen. Die Sprache ist bildreich und sinnlich, viele Natur- und Jagdbilder werden verwendet, um das exotische und wilde der afrikanischen Heimat des Fürsten zu vermitteln, wobei oftmals die Schönheit der Natur dieser Heimat betont wird. Gleichzeitig wird das Zirkusleben als entwürdigend und trostlos dargestellt, im starken Kontrast zu der freien und stolzen Existenz, die der Fürst zuvor führte. Dadurch stellt Freiligrath eine scharfe Kritik an der Sklaverei und der kolonialen Ausbeutung dar.

Insgesamt kann das Gedicht als sozialkritisch und als Plädoyer für die Freiheit und Würde des Menschen interpretiert werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Mohrenfürst“ ist Ferdinand Freiligrath. Freiligrath wurde im Jahr 1810 in Detmold geboren. In der Zeit von 1826 bis 1876 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Freiligrath handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 20 Strophen und umfasst dabei 517 Worte. Ferdinand Freiligrath ist auch der Autor für Gedichte wie „Vor der Fahrt“, „Wie man’s macht“ und „Lieder“. Zum Autor des Gedichtes „Der Mohrenfürst“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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