Der Alchimist von Rainer Maria Rilke

Seltsam verlächelnd schob der Laborant
den Kolben fort, der halbberuhigt rauchte.
Er wußte jetzt, was er noch brauchte,
damit der sehr erlauchte Gegenstand
 
da drin entstände. Zeiten brauchte er.
Jahrtausende für sich und diese Birne,
in der es brodelte; im Hirn Gestirne
und im Bewußtsein mindestens das Meer.
 
Das Ungeheuere, das er gewollt,
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er ließ es los in dieser Nacht. Es kehrte
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zurück zu Gott und in sein altes Maß;
 
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er aber, lallend wie ein Trunkenbold,
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lag über dem Geheimfach und begehrte
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den Brocken Gold, den er besaß.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Der Alchimist“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
88
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorgestellten Gedichts ist Rainer Maria Rilke, ein prominenter deutschsprachiger Dichter, der vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte. Das Gedicht handelt von einem Laborant, der versucht, Gold zu produzieren, sich vermutlich auf Alchemie bezieht, eine Praxis, die versucht, gewöhnliche Substanzen in wertvolle zu verwandeln, wie etwa Gold.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht geheimnisvoll und tiefgründig, es gibt dem Leser das Gefühl von etwas Unfassbarem und Großen, das über das verständliche Maß hinausgeht. Es lässt sich zudem ein Kontrast zwischen dem menschlichen Streben nach Wissen und dem scheinbaren Scheitern dieses Strebens feststellen.

Inhaltlich verarbeitet der Text das Erlebnis eines Laboranten, dessen Ziel darin besteht, einen „sehr erlauchten Gegenstand“ herzustellen. Er ist bereit, viel Zeit zu investieren („Zeiten brauchte er. Jahrtausende für sich und diese Birne“) in diesen Versuch. Der Höhepunkt wird erreicht, als der Laborant begreift, dass er das von ihm angestrebte „Ungeheure“ nicht erreichen kann und dieses loslässt. Enttäuscht und frustriert verliert er sich im Alkohol („er aber, lallend wie ein Trunkenbold“).

Das lyrische Ich scheint einen kritischen Blick auf das unerbittliche Streben des Menschen nach Wissen und Macht zu werfen und darauf hinzuweisen, dass dies oft zu Enttäuschung und sogar Dekadenz führt, da es Ziele sind, die möglicherweise jenseits unserer menschlichen Fähigkeiten liegen.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen, die eine unregelmäßige Anzahl von Versen aufweisen. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch, was zur erhabenen und rätselhaften Atmosphäre des Gedichts beiträgt. Insbesondere die Verszeile „und im Bewußtsein mindestens das Meer“ erzeugt ein Gefühl der Unbegrenztheit und Transzendenz. Insgesamt nutzt Rilke eine eher formelle und hochstilisierte Sprache, die die Ernsthaftigkeit und Gravität seines Themas unterstreicht.

Zusammenfassend handelt es sich bei „Der Alchimist“ von Rainer Maria Rilke um ein tiefgründiges und philosophisches Gedicht, das auf kritische Weise das menschliche Streben nach Wissen und Macht thematisiert und warnt vor den potentiellen Gefahren, die mit diesem Streben verbunden sein können.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Alchimist“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1918. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 88 Worte. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Am Kirchhof zu Königsaal“, „Am Rande der Nacht“ und „An Julius Zeyer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Alchimist“ weitere 338 Gedichte vor.

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