Denkmalsschmelze von Kurt Tucholsky

Da steht nun Gustav der Verstopfte,
aus Eisenguß, die Hand am Knauf.
Jedwedes brave Herze klopfte
und schlug zu jenem Standbild auf.
 
Und da –? Er wackelt auf dem Sockel
man gab ihm einen kräftigen Schub.
Die Adler, seine Ruhmesgockel,
das kommt nun alles hin zu Krupp.
 
Ein kleiner Hund ist der Entennte
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vermutlich brüderlich gesinnt.
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Er schnuppert an dem Postamente
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und hebt das Bein. Die Träne rinnt.
 
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Doch plötzlich sieht sein Aug nach oben.
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Der Fürst ist weg! Wer weiß da Rat?
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Sein Hinterbein bleibt zwar erhoben,
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doch tut er nicht mehr, was er tat.
 
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Du kleiner Hund, sei nicht verwundert.
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Man kanns verstehn. Du bist verdutzt.
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Denn seit dem Jahre Siebzehnhundert
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hat Er zum erstenmal genutzt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Denkmalsschmelze“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
117
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Denkmalsschmelze“ ist von Kurt Tucholsky, einem deutschen Journalisten und Schriftsteller, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte und arbeitete. Die thematischen Inhalte und der Stil des Gedichts deuten auf die Weimarer Republik hin, in der Tucholsky seine produktivsten Jahre verbracht hat.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt der humorvolle und sarkastische Ton auf, der typisch für Tucholskys Stil ist. Das lyrische Ich kommentiert die Szenen und gibt den Lesern Raum für mögliche Interpretationen.

Im Inhalt des Gedichts geht es um ein Denkmal, wahrscheinlich eines Preußischen Königs oder Fürsten, das von einem Sockel gestoßen und eingeschmolzen wird. Der Protagonist des Gedichts ist ein kleiner Hund, der verwirrt ist, weil das Denkmal, an das er immer gepinkelt hat, plötzlich verschwunden ist. Die Ironie und der Humor in diesem Gedicht sind offensichtlich: Der Hund sieht den Fürsten als einfaches Pissoir, während Menschen ihn als einen großen Führer gesehen haben könnten.

Durch die Form ist das Gedicht klar strukturiert und folgt dem traditionellen Muster einer Ballade, mit fünf Strophen, die aus je vier Versen bestehen. Die Sprache ist hingegen umgangssprachlich und humorvoll, trotz des potenziell ernsten Themas, das nämlich die Vergänglichkeit politischer Macht und äußerer Würden ist.

Das lyrische Ich scheint durch die letzte Strophe eine soziale und politische Kritik auszudrücken: Das Standbild des Fürsten war für Jahrhunderte nutzlos, jetzt erst, indem es eingeschmolzen wird, kann es einen Nutzen haben. Es ist eine Art Satire auf den Missbrauch von Macht und Ressourcen durch die Herrscher und eine Kritik an der Verehrung durchgehend untätiger Figuren. In seinen Gedichten hat Tucholsky oftmals soziale und politische Themen aufgegriffen und kritisch kommentiert, daher passt „Denkmalsschmelze“ gut in sein Gesamtwerk.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Denkmalsschmelze“ ist Kurt Tucholsky. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1919 zurück. Der Erscheinungsort ist Charlottenburg. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik hatten großen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik ist von distanzierter Betrachtung der Welt und Nüchternheit gekennzeichnet und politisch geprägt. Es wurde eine Alltagssprache verwendet um mit den Texten so viele Menschen wie möglich anzusprechen. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das im Jahr 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht in der Fremde suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten Deutschlands in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur bildet eine eigene Epoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland sind typisch für diese Literaturepoche. Anders als andere Literaturepochen, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung (also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel) ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch bestimmte formale Merkmale gekennzeichnet. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 117 Worte. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „An einen garnisondienstfähigen Dichter“, „An ihren Papa“ und „Apage, Josephine, apage–!“. Zum Autor des Gedichtes „Denkmalsschmelze“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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