Den Toten von Rudolf Lavant

Es war am Abend, der uns Sieg auf Sieg
Aus jedem Gau in rascher Folge brachte;
Doch wenn der Jubel auf Minuten schwieg –
Ja, wißt ihr auch, was ich im Stillen dachte?
Ich dachte derer, die man schlafen trug
Und die der Sieg, in dem das Herz sich sonnte,
Und all der Jubel, der zum Himmel schlug,
Im Schoß der Erde nicht erreichen konnte.
 
Ein Schatten senkte sich auf meine Brau’n,
10 
Und in der Seele ward es trüb und trüber;
11 
Ein langer Zug, wehmütig anzuschaun,
12 
Zog Arm in Arm an meinem Blick vorüber.
13 
Ich hatte alle, alle sie gekannt
14 
Und sie geliebt um ihrer Treue willen,
15 
Ich hatte Waffenbrüder sie genannt,
16 
Und ihr Gedächtnis pflegte ich im Stillen.
 
17 
Sie brachen einst begeistert uns die Bahn,
18 
Sie haben kühn für die Idee gestritten,
19 
Sie haben schweigend, wenn sie finstrer Wahn
20 
Mit Steinen warf, das Härteste gelitten;
21 
Wenn sie die Schlange der Verleumdung stach,
22 
Hat überzeugter nur ihr Mund gesprochen,
23 
Und als im Tod ihr treues Auge brach,
24 
War nur ihr Leib, doch nicht ihr Mut gebrochen.
 
25 
Der bessern Zukunft haben sie vertraut,
26 
Nachdem fürs Volk die Waffen sie geschliffen,
27 
Doch hätten sie den Junisieg geschaut,
28 
Er hätte tiefer sie als uns ergriffen;
29 
Hat auch der Kleinmut niemals sie erdrückt
30 
Und sahen niemals sie das Ziel verschwimmen –
31 
Wie hätten sie erschüttert und entzückt
32 
Trotz alledem die drei Millionen Stimmen!
 
33 
Als überall die Menge noch getanzt
34 
Um ein Idol, sogar im roten Sachsen,
35 
Da haben sie ein zartes Reis gepflanzt –
36 
Wie rasch und stolz ist es zum Baum erwachsen!
37 
Gebt ihre Asche nicht den Winden preis,
38 
Die ihr die Frucht all ihrer Mühen pflücket –
39 
Es sei des Lorbeers reichstes, frischstes Reis,
40 
Mit dem ihr dankbar ihre Urnen schmücket!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Den Toten“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
286
Entstehungsjahr
nach 1860
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Den Toten“ des Autors Rudolf Lavant. 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. Zwischen den Jahren 1860 und 1915 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 286 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Der Dichter Rudolf Lavant ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz“, „An den Kladderadatsch“ und „An die Frauen“. Zum Autor des Gedichtes „Den Toten“ haben wir auf abi-pur.de weitere 96 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Rudolf Lavant (Infos zum Autor)

Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.