Den Toten von Rudolf Lavant

Es war am Abend, der uns Sieg auf Sieg
Aus jedem Gau in rascher Folge brachte;
Doch wenn der Jubel auf Minuten schwieg –
Ja, wißt ihr auch, was ich im Stillen dachte?
Ich dachte derer, die man schlafen trug
Und die der Sieg, in dem das Herz sich sonnte,
Und all der Jubel, der zum Himmel schlug,
Im Schoß der Erde nicht erreichen konnte.
 
Ein Schatten senkte sich auf meine Brau’n,
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Und in der Seele ward es trüb und trüber;
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Ein langer Zug, wehmütig anzuschaun,
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Zog Arm in Arm an meinem Blick vorüber.
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Ich hatte alle, alle sie gekannt
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Und sie geliebt um ihrer Treue willen,
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Ich hatte Waffenbrüder sie genannt,
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Und ihr Gedächtnis pflegte ich im Stillen.
 
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Sie brachen einst begeistert uns die Bahn,
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Sie haben kühn für die Idee gestritten,
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Sie haben schweigend, wenn sie finstrer Wahn
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Mit Steinen warf, das Härteste gelitten;
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Wenn sie die Schlange der Verleumdung stach,
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Hat überzeugter nur ihr Mund gesprochen,
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Und als im Tod ihr treues Auge brach,
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War nur ihr Leib, doch nicht ihr Mut gebrochen.
 
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Der bessern Zukunft haben sie vertraut,
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Nachdem fürs Volk die Waffen sie geschliffen,
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Doch hätten sie den Junisieg geschaut,
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Er hätte tiefer sie als uns ergriffen;
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Hat auch der Kleinmut niemals sie erdrückt
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Und sahen niemals sie das Ziel verschwimmen –
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Wie hätten sie erschüttert und entzückt
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Trotz alledem die drei Millionen Stimmen!
 
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Als überall die Menge noch getanzt
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Um ein Idol, sogar im roten Sachsen,
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Da haben sie ein zartes Reis gepflanzt –
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Wie rasch und stolz ist es zum Baum erwachsen!
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Gebt ihre Asche nicht den Winden preis,
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Die ihr die Frucht all ihrer Mühen pflücket –
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Es sei des Lorbeers reichstes, frischstes Reis,
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Mit dem ihr dankbar ihre Urnen schmücket!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Den Toten“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
286
Entstehungsjahr
nach 1860
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht stammt von Rudolf Lavant, einem deutschen Dichter, der von 1844 bis 1915 lebte. Es lässt sich somit in die Epoche des Realismus einordnen, in die zumeist gesellschaftskritische Werke und solche mit gesellschaftlichen Wirklichkeiten fallen.

Das Gedicht „Den Toten“ hinterlässt auf den ersten Blick einen ernsten und melancholischen Eindruck. Es hat eine gewisse Schwere, die einen direkt in den Bann zieht.

Inhaltlich reflektiert das Gedicht über gefallene Genossen oder Freunde, die für ihre Ideale und Überzeugungen gekämpft haben, möglicherweise in einem Krieg oder einer Revolution. Das lyrische Ich fühlt, obwohl es eine Zeit des Sieges und des Jubels ist, eine tiefe Traurigkeit und Sehnsucht nach jenen, die diese Feierlichkeiten nicht miterleben können. Es fühlt sich verbunden mit diesen Toten, die es als „Waffenbrüder“ bezeichnet und deren Tod es still und aus Respekt gedenkt.

Die Toten werden als mutige Kämpfer dargestellt, die unermüdlich für ihre Überzeugungen gekämpft haben und dabei ihren Mut nie verloren haben. Es wird darauf hingewiesen, dass sie auch im Tod ihre Treue und ihren Mut beibehalten haben.

Die Form des Gedichts ist gleichmäßig und folgt einem klaren Schema. Jede Strophe besteht aus acht Versen. Die Sprache ist klar und poetisch, mit lebendigen Bildern und starken Metaphern, um die Emotionen des lyrischen Ichs zu veranschaulichen. Die Wortwahl unterstreicht die Ernsthaftigkeit und den Ernst des Themas. Metaphern wie „Schlange der Verleumdung“ oder „Waffenbrüder“ verleihen dem Gedicht rhetorische Kraft und geben seine tiefen Emotionen und den Respekt für die Toten wieder.

Insgesamt ist Lavants „Den Toten“ eine tiefgreifende Ode an die Toten, die für ihre Überzeugungen kämpften. Es bietet eine ernsthafte und bewegende Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Ehre, und zeigt, wie tief der Schmerz und die Traurigkeit trotz des Sieges sein können.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Den Toten“ des Autors Rudolf Lavant. 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. Zwischen den Jahren 1860 und 1915 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 286 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Der Dichter Rudolf Lavant ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz“, „An den Kladderadatsch“ und „An die Frauen“. Zum Autor des Gedichtes „Den Toten“ haben wir auf abi-pur.de weitere 96 Gedichte veröffentlicht.

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