Hofmannswaldau, Christian Hofmann von - Die Welt (Interpretation)

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Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Barock, Gedichtinterpretation, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Referat, Hausaufgabe, Hofmannswaldau, Christian Hofmann von - Die Welt (Interpretation)
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Referat

Christian Hofmann von Hofmannswaldau: DIE WELT

Versuch einer Interpretation

Das Gedicht „Die Welt“ von Christian Hofmann von Hofmannswaldau umfasst zwei Strophen zu acht Versen in 5-hebigen Jamben; durchgehend kreuzgereimt wechseln regelmäßig weibliche und männliche Kadenzen. So viel zur Form. Inhaltlich geht der Barockdichter der Frage nach, was die Welt ist, was sie für den Menschen bedeutet, und das in zweifacher Hinsicht, nämlich im Hinblick auf seine physische und seine metaphysische Existenz.

„Was ist die Welt...?“ fragt er ganz zu Anfang mit Nachdruck: Die Frage beginnt mit schwebender Betonung nicht nur beschwert, sie wird auch anaphorisch wiederholt. Die Zusätze „berühmtes Glänzen“ und „ganze Pracht“ zielen auf das Äußere, den Anschein ab und wirken ironisch. Doch auch dem, der hier noch an echte, positive Werte glaubt, muss spätestens bei der Antwort, die der Dichter in sechs Metaphern gibt – sie sind über eine sechsmalige Anapher zu einer Einheit verbunden –, klar werden, dass dieser auf die Kurzlebigkeit des Schönen oder auf seine Nur-Äußerlichkeit abhebt. So sind bis auf eine Ausnahme alle Metaphern in sich widersprüchlich: Der schöne Schein ist „schnöde“, d.h. nichts wert, pure Äußerlichkeit, und er dauert nur kurz. Oder aber die schöne Fassade verbirgt nur ein gar nicht schönes Inneres: ein trauriges, leidvolles im Spital, ein Grauen erregendes und an die Vergänglichkeit gemahnendes im Grab.

Wie in der ersten Strophe die beiden ersten Verse nach der Welt fragten, so fassen die beiden ersten der zweiten Strophe die Antwort zusammen, betont durch die Akzentverschiebung und verbunden durch Enjambement. Die von ihm als kurzlebig und in ihrem wahren Wesen als wenig liebenswert dargestellte Welt sei das, worauf die Menschen bauten – er schließt sich also ein – und was das „Fleisch“ zu seinem Abgott, einem falschen Gott, erhoben habe. Indem er mit Fleisch die kreatürliche, physische und vergängliche Existenz des Menschen betont, weist er indirekt schon auf die metaphysische, die Seele, hin.

Die ist es dann auch, die er folgerichtig in den nächsten vier Versen anspricht. Eindringlichst fordert er sie mit vier Imperativen auf, den Blick über diese Welt hinaus zu richten; dabei wird der erste durch schwebende Betonung unterstrichen und dann auch noch wiederholt. Die Seele soll sich nicht an das verlieren, was hier doch nur kurz glänzt, und was es tatsächlich an Lust gibt in dieser Welt, das soll sie als Last ansehen, als Versuchung, die geeignet ist, sie von ihrer wahren Bestimmung abzulenken und fern zu halten.

Der Doppelpunkt weist auf die Quintessenz solchen Lebens hin, und volltonig beginnt die abschließende Charakteristik einer so asketischen, enthaltsamen Lebensfahrt. Sie führt in den sicheren Hafen des Paradieses, und dort sind Schönheit und Dauer keine Gegensätze mehr. Dort ist die Schönheit kein schnöder Schein, sondern echter Wert, da der Vergänglichkeit nicht mehr unterworfen.

Somit ist das vorliegende Gedicht typisch für die Weltflucht des Barock als Flucht aus der realen Welt in eine transzendente. Sie wurde hervorgerufen durch eine extreme existenzielle Verunsicherung der Menschen durch Kriege und Seuchen. Andererseits erleben wir das, was sich hier als religiöse Inbrunst zeigt, heute, nach mehr als 300 Jahren, wieder: Eine von vielen aus politischen, sozialen oder ökonomisch-ökologischen Gründen gesehene existenzbedro-hende Situation treibt immer mehr Menschen in die Irrationalität extremistischer, sektiererischer oder fundamentalistischer Gruppierungen.

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