Goethe, Johann Wolfgang von - Der Erlkönig (Interpretation)

Schlagwörter:
Johann Wolfgang von Goethe, Ballade, Zeile, Strophe, Referat, Hausaufgabe, Goethe, Johann Wolfgang von - Der Erlkönig (Interpretation)
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Referat

Der Erlkönig - Interpretation

Die Ballade „Der Erlkönig“, von Johann Wolfgang von Goethe geschrieben und 1782 veröffentlicht, beschreibt, wie ein Vater mit seinem kranken Sohn durch die Nacht reitet. Der Sohn fantasiert, er sieht und hört den Erlkönig, der ihn dazu bringen will, in sein Reich zu kommen. Erst lockt er den Jungen mit Versprechungen, später wendet er auch Gewalt an. Der Vater möchte seinen Sohn beruhigen und erklärt die Halluzinationen mit Geschehnissen aus der Natur. Als die beiden endlich ihr Ziel erreichen, ist der Junge tot. „Der Erlkönig“ ist ein Gedicht bestehend aus acht Strophen mit jeweils vier Versen. Das Reimschema ist durchgehend der Paarreim aabb. Die Stilmittel, die Goethe hauptsächlich benutzt, sind die Anapher und die Alliteration. Die erste Anapher findet man in den Zeilen drei und vier. Dort wird das Personalpronomen „er“ für den Vater dreimal benutzt.

Die ganze Ballade hindurch werden die Wörter „Vater“, „Kind“ und „Sohn“, meistens in Verbindung mit dem Wort „mein“, mehrmals erwähnt (z. B. Z. 13 „Mein Vater, mein Vater“, Z. 5 „Mein Sohn“, Z. 2 „Kind“). Hinzukommend spricht der Erlkönig in den Fantasien des Jungen von seiner Mutter (Z. 12 „Meine Mutter hat manch gülden Gewand“; enthält zwei Alliterationen) und seinen Töchtern (Z. 18/19 „Meine Töchter sollen dich warten schön / Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn“; enthält eine Repetitio). Somit sind die Mitglieder einer „durchschnittlichen“ Familie genannt, was auf eine gewisse Art und Weise geborgen wirkt. Eine weitere Alliteration befindet sich in der Zeile 11, „bunte Blumen“, eine Repetitio in Z. 20, „Und wiegen und tanzen und singen dich ein“. In der ersten Strophe schafft Goethe einen Kontrast, die Wörter „spät“, „Nacht“ und „Wind“ (Z. 1) wirken düster und beklommen, dagegen wird in Zeile 3 und 4 die Geborgenheit des Jungen deutlich, der Vater will ihn schützen („Er hat den Knaben wohl in dem Arm / Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm“).

Der Leser könnte annehmen, dass der Erlkönig den Jungen vergewaltigen möchte, oder zumindest sexuelle Absichten haben könnte. Hinweise dafür finden sich zum Beispiel in den Zeilen neun und zehn: „Du liebes Kind, komm geh mit mir, gar schöne Spiele spiel ich mit dir“ – er möchte anscheinend zuerst versuchen, den Jungen mit Spielen zu locken. Ab Zeile 25 wird der Erlkönig deutlicher: „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt / und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“. Er ist vernarrt in den Jungen und weil dieser sich wehrt, zu ihm zu kommen, wendet er auch Gewalt an. Daraufhin klagt der Junge seinem Vater „jetzt fasst er mich an / Erlkönig hat mir ein Leids getan“ (Z. 27/28), was darauf hindeuten könnte, dass der Erlkönig den Jungen vergewaltigt hat.

Auch die Zeilen 30 und 32 in der letzten Strophe könnten auf die sexuellen Handlungen deuten: „das ächzende Kind“ (Z. 30) – der Junge leidet unter dem Erlkönig – und „das Kind war tot“ (Z. 32) kann nicht nur so gedeutet werden, dass der Junge nicht mehr am Leben ist, sondern auch so, dass der Erlkönig ihn vergewaltigt hat und er somit kein „Kind“ mehr ist, trotzdem aber noch lebt. Darauf hin deutet das Wort „war“ (Z. 32) denn die Ballade ist durchgängig im Präsens geschrieben, nur hier wird in der Vergangenheit berichtet.

Geht man davon aus, dass der Junge wirklich körperlich stirbt, bleibt noch die Frage offen, wodurch genau. Natürlich geht der Leser davon aus, dass das Kind am Fieber stirbt, denn die Krankheit ist der Grund für die nächtliche Hetzjagd zu Pferd, durch das hohe Fieber fängt der Junge erst an zu fantasieren. Doch betrachtet man die Ballade genauer, könnte man annehmen, dass der Vater schuld am Tod seines Sohnes ist: Am Anfang des Gedichts, in den Zeilen drei und vier, wird beschrieben, wie „sicher“ und „warm“ der Vater sein Kind hält, doch im Laufe der Zeit wird er immer panischer, hat Angst um seinen Sohn. Die Zeilen 27/28 „jetzt fasst er mich an / Erlkönig hat mir ein Leids getan“ lassen sich auch so interpretieren, dass der Vater bereits so in Panik ist, dass er garnicht merkt, dass er den Jungen viel zu fest hält und ihn so erdrückt. Ebenso Zeile 30: „das ächzende Kind“ – auch dies könnte auf den festen Griff des Vaters zurückzuführen sein. Ein stilistischer Hinweis für diese Vermutung ist die letzte Strophe, in der zweimal „in den Armen“ (Z. 30) bzw. „in seinen Armen“ (Z. 32) steht, und zwar in den gleichen Versen wie „das ächzende Kind“ (Z. 30) und „das Kind war tot“ (Z. 32).

Bezieht man die „Dreiecksbeziehung“ von Erlkönig, Vater und Sohn auf die heutige Gesellschaft, könnte der Sohn symbolisch für die Opfer von Vergewaltigungen stehen, der Erlkönig hingegen für die Täter, der Vater könnte die Position derjenigen Personen einnehmen, die bei solchen Taten wegschauen, da er versucht, die offensichtlichen Zeichen des Opfers mit völlig natürlichen Vorkommnissen zu erklären. Er geht nicht auf den Jungen ein, schaut weg.

Alles in Allem kann man sagen, dass der „Erlkönig“ von Goethe sehr vielschichtig ist, wird erst zwischen den Zeilen gelesen. Ob der Verfasser wirklich beabsichtigt hat, all diese Facetten der Interpretation abzudecken, bleibt natürlich dahingestellt.

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