Lichtenstein, Alfred - Nebel

Schlagwörter:
Alfred Lichtenstein, Lyrik, Expressionist, Expressionismus, Gedichtinterpretation, Gedichtanalyse, Strophe, Verszeile, Interpretierende Rezitation, Referat, Hausaufgabe, Lichtenstein, Alfred - Nebel
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Referat

Thema: Gattungen (Lyrik) – Expressionismus / Alfred Lichtenstein – Nebel

-Interpretierende Rezitation-

Alfred Lichtenstein – Nebel

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Ein Nebel hat die Welt so weich zerstört.
Blutlose Bäume lösen sich in Rauch.
Und Schatten schweben, wo man Schreie hört.
Brennende Biester schwinden hin wie Hauch.

Gefangne Fliegen sind die Gaslaternen.
Und jede flackert, dass sie noch entrinne.
Doch seitlich lauert glimmend hoch in Fernen
Der giftge Mond, die fette Nebelspinne.

Wir aber, die, verrucht, zum Tode taugen,
Zerschreiten knirschend diese wüste Pracht.
Und stechen stumm die weißen Elendsaugen
Wie Spieße in die aufgeschwollne Nacht.


In verschiedensten literarischen Epochen beschäftigten sich Dichter mit dem Motiv „Nebel“. Auch Alfred Lichtenstein, ein Expressionist, beschäftigte sich mit dieser Thematik. 1913, kurz vor dem ersten Weltkrieg, entstand dieses Gedicht.

Als erstes fallen die ausdrucksstarken Begriffe, wie „Blutlose Bäume“, oder „Brennende Biester“, ins Auge. Mit diesen entsteht eine eher negative Wirkung, da man, zum Beispiel, „Blutlosen Bäumen“ sofort mit Tod, oder einer tristen Landschaft in Verbindung bringt. Auch der „giftige Mond“ hat eine bedrohliche Ausstrahlung. Außerdem wirkt das gesamte Gedicht durch Begriffe wie „Hauch“, oder „Nebel“, fast unwirklich. Auch ist hier die Rede vom „Tode“, oder „Elendsaugen“ welche für eine triste, traurige; vielleicht sogar fast hoffnungslose Atmosphäre sorgen. Es sind mir auch einige Neologismen aufgefallen, wie „Nebelspinne“ die, meiner Meinung nach, eher negativ belastet sind. Wenn ich dieses Gedicht lese, kommt in mir ein Gefühl der Einsamkeit, Trostlosigkeit und auch Hoffnungslosigkeit auf. Unter Anderem auch durch die vielen Phrasen, in denen sogar eine gewisse Bedrohlichkeit bemerkbar ist. (Bsp. „Doch seitlich lauert glimmend […]“)

Ich wählte dieses Gedicht, da es mich in einer gewissen Weise persönlich berührt hat. Es spiegelt, meiner Empfindung nach, die Vergänglichkeit des Menschen und Irdischen wider. Es zeigt die negativen Seiten des Lebens und auch, dass wir Menschen im Prinzip mit geschlossenen Augen durch das Leben gehen, ohne die wichtigen Aspekte des Seins zu beachten. Es berührt mich auch persönlich, da ich, wie jeder Andere, die Einsamkeit, Trostlosigkeit und auch Hoffnungslosigkeit in bestimmten Lebensabschnitten kennen gelernt habe. Und auch das Gefühl, sehr wenig vom Leben zu wissen und an vielen Dingen vorbeizugehen, sie nicht zu beachten, mit geschlossenen Augen dahinzuwandeln wird meiner Meinung nach in diesem Gedicht sehr treffend beschrieben. Es stellt in sehr direkter Art dar, wie gefangen man in seinem Leben eigentlich ist und wie wenig man es nutzt. Von diesen ersten Eindrücken ausgehend, möchte ich nun zu der analytischen Betrachtung dieses expressionistischen Gedichtes kommen.

Normalerweise steht eine Verszeile für eine syntaktische Einheit. Hier kann man nun sehen, dass sich das Gedicht vorwiegend aus Parataxen zusammensetzt. Ab dem siebten Vers steht diese syntaktische Einheit für je zwei Zeilen, also Enjambements. Aus der Sicht des Lesers entsteht nun Eindruck einer kurzschrittigen, gedanklichen Aufzählung. In Zeile acht befindet sich eine Inversion („Der giftige Mond“), welche eine kleine Besonderheit darstellt, da durch diese Apposition eine Hervorhebung entsteht. Solch eine auffällige Betonung gibt es auch noch in der Zeile 9 durch das Wort „aber“. Diese Stelle ist herausgehoben, da hier das erste und letzte Mal im gesamten Gedicht, das lyrische Ich in Erscheinung tritt und dazu noch die metrische Abweichung durch einen Daktylus gibt. Es fällt auch auf, dass alle Zeilen mit Großbuchstaben beginnen, selbst wenn die Zeile nicht mit einem Punkt beendet wurde.

Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit je vier Verszeilen. Es gibt keine besondere Strophenform, aber die Strophen sind inhaltlich und syntaktisch in sich geschlossen. Das Gedicht besteht aus einem Kreuzreim (abab, cdcd, efef) Die Kadenzen sind in der ersten Strophe männlich, in der zweiten Strophe weiblich und in der dritten Strophe wechseln sich männliche und weibliche Kadenzen ab. Das Metrum ist ein fünfhebiger Jambus, der aber in den Zeilen 2,4,8 und 9 unterbrochen wird. Bei „Blutlose Bäume“ wird die erste Silbe betont und es folgen zwei weitere unbetonte Silben, welche darauf schließen lassen, dass dies kein Jambus ist. Auch „Brennende Biester“ ist ein Daktylus. Auch „Der giftige Mond“ ist ein Daktylus auf den, wie bei den anderen Beispielen, anschließend Jamben folgen. Das Gleiche geschieht in „Wir aber […]“. Der Dichter möchte damit wahrscheinlich eine Hervorhebung bewirken. Dies wird noch dadurch verstärkt, weil durch die zweimalige metrische Abweichung in Strophe 1 auf den männlichen Zeilenausgang (betonte Silbe) wieder eine betonte Silbe folgt. Dadurch wird der Rhythmus unterbrochen, wie auch in ähnlicher Weise in der zweiten Strophe. Dort folgt auf eine weibliche Kadenz eine unbetonte Silbe am Anfang der neuen Verszeile. In den Strophen 1 und 3 wird die Satzverbindung durch die Konjunktion „und“ noch dadurch verstärkt, dass auf eine männliche Kadenz ein unbetonter Versanfang folgt, was den Redefluss unterstützt.

Nun sieht man deutlich, dass dies ein eher regelmäßiges Gedicht mit ausdrucksstarken Formulierungen ist, welche ich nun in einen Interpretationsansatz einbauen werde.

In der ersten Strophe werden die Auswirkungen des Nebels auf die Welt angesprochen. Sie erscheint schattenhaft und „zerstört“ (Z.1). Die normalerweise deutlich erkennbaren Umrisse der trockenen, fast toten („blutlose“n) Bäume werden nur verschwommen wahrgenommen (Z.2). Statt Geräuschen werden nur Schatten sichtbar (Z.3). In dieser ersten Strophe möchte uns der Autor wahrscheinlich die ungenaue, menschliche Wahrnehmung näher legen und wie wenig man eigentlich vom Leben weiß. Ab der zweiten Strophe geht das lyrische Ich in die detaillierte Betrachtung der Welt. Fliegen werden in Glaslaternen gefangen gehalten, probieren aber zu entkommen. (Z.5f.). Hier verweist das lyrische Ich daraufhin, dass wir Menschen uns selbst einsperren und den Ausweg vielleicht gar nicht mehr finden möchten, da es an der Lichtquelle (vllt. Hier für unsere Art zu denken) so schön warm und einfach ist, dass man gar nicht mehr denken muss. Der Mond als „fette Nebelspinne“ (Z.8) symbolisiert, als Neologismus, möglicherweise unsere Art zu denken und die Wahrheit bewusst im Unklaren zu lassen. In der dritten Strophe sieht das lyrische Ich die Menschen allesamt dem Tode geweiht. In der letzten Strophe wird nun meine erste Vermutung erklärt und zwar, dass das lyrische Ich durch den Nebel nicht nur auf Empfindungen, sondern auch auf die Vergänglichkeit der Menschen und alles Irdischen verweist.

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