Wirtschaftswachstum - stetiges und angemessenes Wachstum der Wirtschaft

Schlagwörter:
Rezession, Wirtschaftswunder, wirtschaftspolitische Zielsetzungen, Bruttoinlandsprodukt, aktuelle Weltwirtschaftskrise, Preisniveaustabilität, Konjunktur, Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT), Beschäftigungsschwelle, Wohlfahrt, Referat, Hausaufgabe, Wirtschaftswachstum - stetiges und angemessenes Wachstum der Wirtschaft
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Referat

Angemessenes Wirtschaftswachstum

Als die weltweite Rezession 1967 dem deutschen „Wirtschaftswunder“ ein jähes Ende bereitete, sah sich die Politik dazu veranlasst vier wirtschaftspolitische Zielsetzungen gesetzlich festzuhalten. Darunter fällt das „stetige und angemessene Wirtschaftswachstum“, ein Ziel, das untrennbar mit den restlichen drei und neuen zwei Zielsetzungen verbunden ist. Gemessen wird das Wirtschaftswachstum mit dem Bruttoinlandsprodukt. Dafür ermittelt das statistische Bundesamt quartalsweise den Wert aller produzierten Güter und Dienstleistungen, die für den Endverbrauch oder die zukünftige Nutzung in der bundesdeutschen Volkswirtschaft hergestellt wurden. Um aussagekräftige Vergleichszahlen zu erhalten, unterscheidet man reales und nominales BIP. Nominal bedeutet, dass eventuelle Preissteigerungen in die Berechnung mit einfließen. Sofern gestiegene Preise eine geringere Produktion decken, täuscht der Wert eine vergrößerte volkswirtschaftliche Produktion nur vor. Reales Wachstum bzw. BIP hingegen bezieht seine Preise immer aus einem Basisjahr (Ausgangsjahr), wird somit gemessen an konstanten Preisen und spiegelt somit die Veränderungen der ökonomischen Wohlfahrt einer Volkswirtschaft adäquat wider. Politik und Medien verwenden deshalb neben dem Pro-Kopf BIP (s. S.2), die prozentuale Veränderung des realen BIP als Kennzahl des Wirtschaftswachstums. Für kurzfristige Analysen werden Vergleiche mit den Vorjahreswerten erstellt. Die langfristige Entwicklung (Trend) lässt sich erst ab größeren Zeiträumen feststellen.

Die aktuelle Weltwirtschaftskrise beweist erneut die Notwendigkeit einer wachsenden Wirtschaft. Einerseits drängen durch das langfristige, weltweite Bevölkerungswachstum mehr Arbeitskräfte auf den Markt, andererseits werden Unternehmen zunehmend produktiver. Technische Innovationen reduzieren das benötigte Personal. Nur eine wachsende Wirtschaft kann genug Arbeitsplätze schaffen, um Verluste zu kompensieren (s.a. Beschäftigungsschwelle). Stagniert dagegen die Wirtschaft, verharren die Löhne auf konstantem Niveau. Korrekturen der Einkommensverteilung verschärfen als logische Konsequenz soziale Spannungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen (s.a. Verteilungsgerechtigkeit). Ferner wird der deutsche Sozialstaat früher oder später nicht mehr finanzierbar sein. Die Mittel fehlen um steigende Arbeitslosigkeit, Krankheit und Altersarmut zu bekämpfen. Nicht zuletzt muss die deutsche Wirtschaft wachsen, damit der Staat die Zinsen seiner Schulden tilgen kann. Im schlimmsten Fall könnte eine Haushaltssperre den Staat handlungsunfähig machen. Wachstum verspricht somit vorerst Wohlstand und Sicherheit. Da in der BRD mehrere wirtschaftspolitische Ziele angestrebt werden, treten neben Zielharmonien auch Zielkonflikte auf. Wenig problematisch erscheint dabei die Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung. Wachstum schafft Arbeitsplätze, im Best-Case sogar Vollbeschäftigung. Ähnliches gilt für die Verteilungsgerechtigkeit, wobei die Einflussnahme hier eher indirekt verläuft. Im wirtschaftlichen Aufschwung generieren Tarifverhandlungen höhere Löhne und somit eine gerechtere (Um-)Verteilung des Vermögens.

Konfliktreicher ist dagegen die gleichzeitige Verfolgung von Preisniveaustabilität. In konjunkturellen Hochphasen wie im Jahr 2007 entstand aufgrund des enormen Wachstums ein Nachfrageüberhang nach Konsumgütern. Die Inflation stieg zeitweise auf 3%. Beide Ziele müssen sich jedoch nicht zwingend gegenseitig ausschließen. Ein adäquates Wachstum kann die Preissteigerung ebenfalls in Grenzen halten. Als letztes und offensichtlich realisierbares Ziel ist der „Schutz der natürlichen Umwelt“ als Zielkonflikt zu benennen. Unvereinbar erscheinen beispielsweise wirtschafts- und umweltpolitische Zielsetzungen der Energiedebatte. Einerseits wird aus Gründen des Umweltschutzes eine Erhöhung der Energiepreise postuliert, andererseits sollen sie gesenkt werden, um das Wirtschaftswachstum zu steigern.1

Besonders der letzte Punkt zeigt deutlich die Problematik hinter dem Wachstumsbegriff. Aus wirtschaftlicher Sicht reduziert man die Umwelt auf den volkswirtschaftlichen Produktionsfaktor Boden. Vergessen wird dabei, dass die Natur Lebensgrundlage der Gesellschaft und Basis ihrer wirtschaftlichen Existenz bildet und folglich schützenswert ist. Die Erhaltung der natürlichen Umwelt garantiert ein hohes Maß an Lebensqualität. Im Hinblick auf zukünftige Generationen gilt es umso mehr ökologische Schäden zu vermeiden.

Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) von 1972 zeigte erstmals „die Grenzen des Wachstums“ auf. Schwindende Rohstoffvorräte können ganze Volkswirtschaften zusammenbrechen lassen. Seit der Veröffentlichung vor mehr als 30 Jahren ist die Weltwirtschaft zwar noch nicht kollabiert, die Gesellschaft hat sich aber stark verändert. Staaten wie China, Indien und Russland sind zu offenen Volkswirtschaften geworden und in den Handel eingetreten. Gewaltige Absatzmärkte und billige Produktionsstandorte entstanden, die Zahl der Arbeitskräfte hat sich kurzerhand auf drei Milliarden verdoppelt. Die Folgen für die Umwelt sind gravierend: Weltweit sind Energie- und Wasserverbrauch enorm gestiegen, gleichzeitig wird die Förderung fossiler Rohstoffe immer aufwendiger. Die Umweltverschmutzung hat so stark zugenommen, dass ganze Landstriche in Südamerika, Osteuropa, Indien und China verseucht sind. Dem Wachstum sind durch die Knappheit der Ressourcen ökologische Grenzen gesetzt.2

Reserven – wie lange noch?

  • Kupfer 49 Jahre
  • Eisen 61 Jahre
  • Erdgas 69 Jahre
  • Steinkohle 102 Jahre
  • Braunkohle 173 Jahre

Offensichtlich gibt es aber noch andere Grenzen für das Wirtschaftswachstum. Unter dem Phänomen leiden besonders die großen Volkswirtschaften, denn je reifer sie werden, desto schwieriger wird es, ihre Wachstumsrate zu halten. In jungen Volkswirtschaften wie der Chinas ist ein jährliches Wachstumsplus von 8% wenig verwunderlich, während man in Deutschland mit einem Prozent schon zufrieden wäre. Der Grund liegt im niedrigeren Ausgangsniveau. Deutschland erwirtschaftete 2008 ein Pro-Kopf BIP von 30.270€. In China belief sich der Wert dagegen auf nur 2.187€. Ein Prozent deutsches Wachstum pro Kopf entspräche 13% in China.

Anscheinend muss die Wachstumsrate irgendwann auf Null fallen oder sogar negativ werden. Nimmt man beispielsweise an, dass die Wirtschaft jährlich um drei Prozent wachse, dann muss sich die Wirtschaftsleistung rein rechnerisch alle 24 Jahre verdoppeln (1,0324=2). Wenn Frauen also jährlich im Schnitt sechs Paar Schuhe kaufen, müssten sie 2033 zwölf Paar erwerben und 2057 folgerichtig 24. Wirtschaftswachstum ist somit nur dann sinnvoll, wenn es einen zusätzlichen Nutzen stiftet. Die Lösung des Problems liegt im qualitativen Wachstum. Anstatt die Menge des Produktionsoutputs konsequent zu steigern, muss langfristig auf Nachhaltigkeit gesetzt werden. Mit der Produktion von Solar- und Windkraftanlagen werden endliche alternative Energiequellen erschlossen. Es kommt nicht auf immer größer werdende Stückzahlen an, sondern auf die Qualität der Ware. Innovationen und Umweltverträglichkeit sind Leitlinien für die Zukunft. Die Wachstumsverlagerung muss sich weg vom produzierenden Gewerbe, hin zum umweltneutralen Dienstleistungssektor bewegen. Ein Unternehmen wie IBM hat z.B. den Bau leistungsfähiger Superrechner aufgegeben.Stattdessen hat der Konzern seinen Schwerpunkt auf Beratung und IT-Dienstleistungen verlagert.

Um qualitatives Wachstum zu berechnen, bietet sich der „Net Economic Welfare“ der OECD an. Der Wohlstand wird ermittelt, indem vom Bruttoinlandsprodukt soziale Kosten (z.B. Umweltschutzmaßnahmen) abgezogen, Leistungen ohne Marktpreis (z.B.: Hausarbeit und ehrenamtliche Tätigkeiten) addiert werden. Einzelne Posten des Net Economic Welfare sind schwierig zu bewerten, wie z.B. Umweltschäden. Ebenso kann das prozentuale Wirtschaftswachstum höchstens als Indikator für den Wohlstand gelten. Es berücksichtigt einfach zu wenige Faktoren wie Gesundheit und Bildung, um wirklich aussagekräftig zu werden.

Begriffe:

  • Beschäftigungsschwelle
    • Das Wachstum, das benötigt wird, um Arbeitsplatzverluste durch zunehmende Produktivität zu decken.
  • Wohlfahrt
    • Unter Wohlfahrt versteht man die Deckung der Grundbedürfnisse eines Menschen und das Erreichen eines gewissen Lebensstandards.


Fußnoten

  1. Staat und Wirtschaft. In: Informationen zur politischen Bildung, 294/2007, Seite 27-31
  2. ALEXANDER JUNG (2009). Der Kult ums BIP. In: Der Spiegel, 39/2009, Seite 78-82

Maike Knaus · Patrick Zips · Clifford Beul

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