Russland - die Stadt Bratsk am Bratsker Stausee

Schlagwörter:
Bratsker Stausee, die Urbanisierung in Ostmitteleuropa, Geschichte Bratsks, Stadtstruktur und Wohnverhältnisse, Referat, Hausaufgabe, Russland - die Stadt Bratsk am Bratsker Stausee
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Bratsk am Bratsker Stausee

Die Urbanisierung (städtisch machen) in Ostmitteleuropa:
In der Sowjetunion und allen anderen osteuropäischen Staaten außer der DDR hat erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs, also etwa um 1950, der Prozess der modernen Urbanisierung eingesetzt. Bis dahin lebte nur etwa ein Drittel der Bevölkerung in Städten, heute ist der Anteil der Stadtbewohner beinahe doppelt so hoch. In dieser Zeit der Verstädterung und des Wiederaufbaus nach dem Krieg wurde ein wesentlicher Teil des Städtewachstums unter bewusster sozialistischer Ideologie und Planung vollzogen. Die teilweise zerstörten älteren Städte wurden unter sozialistischer Ausgestaltung wiederaufgebaut. Ausnahmen sind jene Stadtteile, die aus Nationalstolz geschichtsgetreu wieder aufgebaut wurden, wie Alt-Warschau oder Leningrad - St. Petersburg. Neue Städte, die vor allem im Zuge der forcierten Industrialisierung in erster Linie in Sibirien entstanden sind, sind von Grund auf sozialisiert. Das Musterbeispiel für diese sogenannten Stalinzeitlichen Städte ist Bratsk am Bratsker Stausee.


Geschichte Bratsks:

  • Bratsk wurde vornehmlich als Produktionsstadt geplant und errichtet: Parallel zum Bau des Wasserkraftwerks, das seit dem Baubeginn 1957 den eigentlichen Kernpunkt der Siedlung Bratsk bildet, wurde im Anschluss an das Kraftwerksgelände eine Zeltsiedlung errichtet, die im folgenden Jahr mit Holzhäusern ausgebaut wurde. Der zur Verfügung stehende Wohnraum für jeden Einwohner betrug genau 5 m².
    Im wesentlichen war Bratsk aus zwei Stadtteilen aufgebaut: ‘Padun’ am Westufer und ‘Gidrostroitel’ am Ostufer. Wegen der großen Zuwanderungsrate brach daraufhin Wohnungsnot aus, ein Drittel bis vier Fünftel der Arbeitskräfte wohnte zeitweilig in provisorischen Unterkünften! Deswegen war der Staat gezwungen, individuellen Wohnungsbau zu gestatten. Zu diesem Zweck wurde das Baukombinat eingerichtet und vom staatlichen Baugebiet ein Individualgebiet abgetrennt. 1961 begann der Wohnungsbau dann erst richtig mit der Errichtung von 5-geschossigen Wohnblöcken. Um das Bauwesen zu beschleunigen wurde die Fließbandarchitektur angewandt, was einen Qualitätsmangel hervorrief.
  • Durch den Bau des Holzverarbeitungskombinates und den des Aluminiumwerkes verlagerte sich der Siedlungsschwerpunkt um diese neuen Konzentrationspunkte neben dem Wasserkraftwerk in den Süden, nach "Central’nyj". Auch hier gibt es wieder ein Individualgebiet, das sich vom monotonen Aussehen des staatlichen Baugebietes unterscheidet. Bis Ende der 70er Jahre wurde Bratsk aber mit 5- bzw. 9-stöckigen Wohnblöcken aus Beton ausgebaut. Das Wachstum der Stadt beruht interessanterweise auf dem Geburtenüberschuss, die Bevölkerung ist auch dementsprechend jung (Durchschnittsalter: 29 Jahre).
  • Als die starken Disproportionen zwischen dem Produktions- und dem Wohnungs- und Versorgungssektor zu Problemen führten, setzte ein langsames Umdenken ein und man legte auch auf den Faktor Mensch mehr Wert. Zu den ergriffenen Maßnahmen gehörte u.a. eine Anhebung des Lebensniveaus. Die Stadtzentren wurden durch 2 Kolchosmärkte zu einem richtigen Versorgungszentrum ausgebaut. Dadurch stieg das bis dahin eher mangelhafte Warenangebot gewaltig an. Schließlich wurden sogar Cafés, Restaurants und ein Kino errichtet. Dadurch wurde auch eine kulturelle Unterversorgung der Bevölkerung gewährleistet. Dem Bedürfnis nach Luxus wurde mehr nachgegeben und der vorhandenen Kaufkraft (hohe Sibirienlöhne) wurden auch Kaufanreize gegenübergestellt.

Auch die Wohnqualität musste durch privaten Wohnungsbau verbessert werden. Die Bauwilligen treten in eine Baukooperation ein, die ihnen ein Grundstück sichert. Auch ein Baumarkt wurde eingerichtet. Die Erschließungskosten für die Privathaussiedlung in Stroitel wurden von den Betrieben übernommen. Es gibt sogar eine Siedlung namens "Bratskoe More", die nur Privathäuser umfasst. Heute leben ca. 7 - 8 % der Bevölkerung in Privathäusern. Verbesserung der Umweltsituation ist ebenfalls ein Anliegen der Behörden. Bis Anfang der 80er Jahre war die Stadt nur auf Produktion ausgerichtet und deshalb kam es wegen der Abgase schon bald zu einem starken Baumsterben. Die Kiefer wurde zurückgedrängt und die resistentere Birke nahm das freie Gebiet ein. So wurde die Taiga langsam umgewandelt in einen Birken-Kiefern-Mischwald. Durch verpflichtende Elektrofilter in den Fabriken erreicht werden hofft man den ursprünglichen Baumbestand wiederherstellen zu können.


Stadtstruktur und Wohnverhältnisse:
In Bratsk kann man die zentralistische Planung Stalinzeitlicher sozialistischer Städte gut erkennen: Typisch ist vor allem die sogenannte "Magistrale", eine zumeist von Denkmälern und Kulturzentren gesäumt Aufmarsch-, Parade- und Prachtstraße. In Bratsk ist dies die knapp 100 m breite Friedensstraße. Senkrecht zu ihr verlaufen 2 weitere Hauptstraßen. Weiteres ist auch die typische Konzentration staatstragender Funktionen im inneren Kern der Stadt bemerkbar: Zwar ist der zentrale Platz, in Bratsk der Leninplatz, der normalerweise das politische, kulturelle und administrative Zentrum bildet, erst später gebaut worden und liegt aus diesem Grund in eher peripherer Lage, dennoch ist die Zentralität, die für sowjetische Städte typisch ist, wenn auch zweigeteilt vorhanden. Man kann sagen, dass Bratsk in 2 Hauptorte unterteilt ist: Der Nordteil um das Eisenbetonwerk (Wohnblöcke) sowie der Südteil um das Holz- und Aluminiumwerk.

Für diese räumliche Zweiteilung ist unter anderem das Relief verantwortlich, da die ebenen Flächen vom Stausee bedeckt sind. Jeder der Stadtteile besitzt ein Zentrum, nämlich "Central’nyj" im Süden und "Energetik" im Norden. Die Folge dieser Zentralität ist, dass sich in den sowjetischen Städten (im Gegensatz zum Westen) ein deutliches sozioökonomisches Bevölkerungsgefälle zu den Außenbezirken hin erhalten hat: Der Anteil der Beschäftigten des Stadtkerns liegt wesentlich höher als jener unter den Vorortbewohnern. Dort wurden vor allem Industriewerke gebaut und die Beschäftigten bewohnen die dazu errichteten Wohnviertel. Auch der Lebensqualitätsindex in sozialistischen Stadtregionen ist allgemein gering, liegt in den Stadtzentren deutlich höher als in den Außenbezirken.

Zurück