Goethe, Johann Wolfgang von - Die Leiden des jungen Werther (eine Kritik zum Briefroman)

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Sturm und Drang, Johann Wolfgang von Goethe, Marcel Reich-Ranicki, Rezension, Kritische Auseinandersetzung, Referat, Hausaufgabe, Goethe, Johann Wolfgang von - Die Leiden des jungen Werther (eine Kritik zum Briefroman)
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Referat

Brief über „Die Leiden des jungen Werther“ - eine Kritik


Sehr geehrter Herr Marcel Reich-Ranicki,

ich habe soeben Goethes „Werther“ zu Ende gelesen und ich muss sagen, dass diese Arbeit viel zu hoch eingeschätzt worden ist. Meiner Ansicht nach ist es eines der schlechtesten Werke, die ich je gelesen habe. Bevor ich angefangen habe dieses, ja nennen wir es einmal „Kunstwerk“, zu lesen, war ich wirklich frohen Mutes und äußerst gespannt darauf einmal von einem Werk aus der Zeit des Sturm und Drang völlig begeistert zu werden, denn die Beurteilung Schillers, eines Ihnen wohlbekannten Schriftstellergenies, veranlasste mich zu dieser Annahme. Schiller wirkte so überzeugt von diesem Werk und bezeichnete es sogar als „interessant“, wogegen mir nur die Wörter „unnütz“ und „langweilig“ einfallen. Zugegebenermaßen ist dies das erste Werk der Sturm und Drang Zeit in der das Thema Liebe wirklich deutlich benannt, es auch durch die Handlung und nicht zuletzt auch durch den jungen Titelhelden selbst verkörpert wird, woraus seine wirklich einzigartige Stellung in der Sturm und Drang Epoche zu erklären ist. Aber an heutigen Maßstäben gemessen ist ca. 80 % des Inhalts vollkommen überzogen und unnötig. Wir leben heute in einer von der Zeit bestimmten, in einer äußerst hektischen Welt und dadurch fehlt uns nun mal die Zeit uns einfach mal auf einen Berg zu setzen, um dann die Natur in vollen Zügen genießen zu können. Und schon gar nicht können wir es uns heute leisten durch die Welt zu ziehen auf der Suche nach den schönsten Naturperspektiven....

Das geht heute einfach nicht mehr. Und genau daraus resultiert das Unverständnis dieser intensiven Widmung der Natur. Würde ich in Goethes Zeit leben, sähe ich in diesem Werk bestimmt ein Meisterstück, aber mit heutigen Werten und Auffassungen verglichen verliert diese sicherlich schöne Auseinandersetzung mit der Natur seinen Reiz, was auch gleichzeitig dieses Buch uninteressant und streckenweise gähnend langweilig macht. Ich gebe gern zu, dass meine Meinung durch meine eigenen Vorstellungen der Welt und durch das Leben generell beeinflusst ist und dass Goethes „Werther“ vielleicht gar nicht so schlecht ist, aber es passt einfach nicht ins heutige Selbstverständnis. Aus diesem Grunde kann ich es nicht nachvollziehen wie man sich so viel Zeit nehmen kann um einfach ein paar Berge oder Wälder zu bestaunen, obwohl der Beruf des Werthers, er ist Maler, äußerst gut ausgesucht war und sprichwörtlich ins Bild passt.... Und meiner Ansicht nach ist die für heutige Zeit überschwängliche und unnötige detaillierte Auseinandersetzung mit der Natur einfach nicht zu verstehen und löste in mir eher den Wunsch aus, das Buch aus der Hand zu legen, anstatt mich wie Werther es tut an ihrer Schönheit zu erfreuen... Streckenweise war ich sogar genervt von diesem ständigem „Rumgesülze“ über diese ach so tolle und wunderschöne Natur, so dass ich manche Stelle ausgelassen habe, weil mir sonst diese Motivation dieses Buch zu lesen gänzlich geraubt worden wäre....

Aber ich möchte natürlich nicht verschweigen, dass die Handlung, wenn mal nicht von der Natur berichtet wurde, sogar gewisse Züge von Spannung aufweißten und mich aus diesem Leseschlaf und Langeweiletrott herausrissen, sodass es kurzweilig sogar Spass machte weiter zu lesen... Aber dieses Auffassen der in meinen Augen viel zu seltenen Abwechslung ist wohl am besten mit einer Zugfahrt zu vergleichen, denn wenn Hunderte Bäume, die im Endeffekt doch fast alle gleich aussehen an einem vorbei rasen, ist selbst eine Kuhweide eine willkommene Abwechslung.... Ebenfalls ins Auge stach dieser häufige Bezug zu Emilia Galotti, der sogar soweit ging, dass Goethe seine Leitfigur die Wörter des Prinzen aus Emilia Galotti hat sprechen lassen „Ich will nun ausfahren“ ... Es handelt sich hierbei um ein exaktes Zitat aus dem Lessing – Drama. Und dass dieses Drama auf dem Schreibtisch lag als sich Werther umgebracht hat deutet ebenfalls auf eine gewisse Verbundenheit zu dem Drama. Da fragt man sich doch warum dies nötig ist...!? Ist es aus Huldigung an einen Schriftstellerkollegen?? Worin liegt hier der Sinn? Will Goethe etwa einen gewissen Vergleich provozieren, den sein Werther ohne Zweifel verlieren würde ....!? Auf diese Frage vermag ich nicht zu antworten, vielleicht können Sie sich ja ein Urteil oder eine Meinung hierzu erlauben.

Zusammenfassend würde ich Ihnen als anerkannter deutscher „Literaturpapst“ davon abraten einen Blick in dieses Buch zu werfen, es sei den sie können sich an ca. 70 Seiten Naturbeschreibung erfreuen......An sich mag dieses Buch gar nicht mal so schlecht sein, aber wenn auch Sie nicht als Nomade in der Wüste leben, sondern von der Hektik des Leben beeinflusst werden, wird die detaillierte Naturbeschreibung ihnen nach einer gewissen Zeit den letzten Nerv rauben.....Sie kennen genügend andere wirklich überzeugende und zeitgenössische Bücher, die Sie anstelle von diesem lesen sollten....Und sie wissen ja selbst: ein gutes Buch kann man gar nicht oft genug lesen.....


Mit freundlichen Grüßen

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