Heym, Georg - Die Stadt (Gedichtinterpretation)

Schlagwörter:
Georg Heym, Interpretation und Analyse eines Gedichts, Monotonie einer Großstadt, Referat, Hausaufgabe, Heym, Georg - Die Stadt (Gedichtinterpretation)
Themengleiche Dokumente anzeigen

Referat

Die Stadt - Georg Heym

Die Stadt
von Georg Heym

Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
Zerreißet vor des Mondes Untergang.
Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.
 
Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
Eintönig kommt heraus in Stille matt.
 
Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,
10 
Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
11 
Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.
 
12 
Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,
13 
Die drohn im Weiten mit gezückter Hand
14 
Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.

(„Die Stadt“ von Georg Heym ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24 KB) zur Unterstützung an.)

Gedichtinterpretation

Das Gedicht „Die Stadt“ wurde von Georg Heym verfasst und handelt von der Monotonie einer Großstadt und Anonymität der einzelnen Personen, auch wird auf eine kommende Bedrohung eingegangen. Das Gedicht besteht aus zwei Quartetten und zwei Terzetten. Bei den Quartetten ist ein umarmender Reim vorhanden, bei den Terzetten das Reimschema d-d-d (bzw. e-e-e) erkennbar. Man kann erkennen, dass es sich um ein Sonett handelt. Die Kadenz neigt eher zum Männlichen hin, das Metrum wird als ein fünfhebiger Jambus indentifiziert. Im ganzen Gedicht lassen sich vier Enjambements (V. 1/2, 3/4, 7/8, 12/13) finden, auch gibt es einige Personifikationen: „blinzeln mit den Lidern“ (V.4) und „mit gezückter Hand“ (V.13). In den zwei Quartetten wendet der Dichter Hyperbeln wie „tausend“(V.3), „unzählig“ (V.6) und „ewig“ (V.7) an. Des Weiteren kommt ein Vergleich im fünften Vers („Wie Aderwerk“) und eine Akkumululation („Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand“) im zwölften Vers vor.

Im ersten Quartett wird eine Stadt in der Nacht beschrieben. Die Wolken befinden sich vor dem Mond, und so sieht es aus, als ob der „Wolkenschein zerreiß[t]“ (V.1/2), wobei das Verb „zerreißen“ eine negative Auswirkung auf den Leser macht. Auch durch die Anwendung von dem Ausdruck „des Mondes Untergang“ (V.2) wird zusätzlich diese unangenehme Atmosphäre dargestellt. Die Nacht ist sehr „weit“(V.1), was auf eine gewisse Verlorenheit und Abgeschiedenheit deutet. Es gibt „tausend[e] Fenster“ (V.3), und nun wird es klar, dass es sich um einen bewohnten Ort handelt: die Stadt. Die Hyperbel „tausend“(V.3) macht deutlich, dass ein Blick auf die Masse vorhanden ist, und nicht auf einzelne. Diese Fenster „blinzeln mit den Lidern“ (V.4), denn hier wurde eine Personifikation verwendet.Diese könnte das Öffnen und Schließen der Rollos oder Vorhänge darstellen, und durch das Wort „rot“ kann man sich fragen, ob Licht durch diese Vorhänge hindurchscheint. Die Farbe Rot symbolisiert Liebe, Temperament oder sogar Wut und Hass, doch hier scheint es weder das eine, noch das andere zu sein. Das Wort „klein“ (V.4) unterstreicht die Unwichtigkeit und wieder diesen Blick, der nicht auf einzelne, sondern auf die gesamte große Masse gerichtet ist. Nun, in der zweiten Strophe, wird die Innenstadt, die Menschen und die Dynamik beschrieben. Der Vergleich „Wie Aderwerk“ (V.5) deutet auf den Transport und das Pulsieren der Stadt hin, auch wird die Verbindung (bzw. Vernetzung) der einzelnen „Straßen“ (V.5), die durch die Stadt gehen, nun deutlich. Durch die Übertreibung „unzählig“ (V.6) wird die große Masse, die gemengt und in der Stadt unterwegs ist, und die Anonymität der einzelnen Menschen unterstrichen. Das Verb „schwemmen“ (V.7) fällt auf und deutet darauf hin, dass die Menschen nicht selber bestimmen, sondern hastig und unwillkürlich mit dem Fluß (bzw. mit der großen gemengten Masse) mitgezogen werden. Der „ewig stumpfe[r] Ton von stumpfem Sein“ (V.7) stellt eine erdrückende monotone Stimmung dar. Die Wiederholung „stumpfe“ (V.7) unterstreicht dies zusätzlich. Die Menschen machen dumpfe Geräusche, die als einen einzigen Ton wahrgenommen werden, und leben vor sich hin. Dieses Dasein ist ebenfalls stumpf und monoton. Das Wort „eintönig“ (V.8) macht diese Monotonie noch deutlicher. Dieser einzige Ton verhallt nun und geht in das stille Umfeld und kommt nur „matt“ (V.8) an. Dabei wird nicht ganz klar, ob dieser Ton ein Schrei sein soll, denn ein Schrei ist ein typisches Kennzeichen des Expressionismus , oder nur „normale“ Geräusche. Aber zu betonen ist, dass dieser Schrei oder dieser Ton verhallt und nicht mehr klangvoll, sondern eher dumpf und matt wird. In der ersten Terzette kommt ein Gegensatz vor: „Gebären“ (V.9) und „Tod“(V.9). Diese zwei gegensätzliche Dinge werden aber durch den Dichter in das Gleiche umgewandelt, denn man spricht da von „gewirkte[r] Einerlei“ (V.9). Im zehnten Vers werden diese zwei Dinge nochmal genannt: „Lallen der Wehen“ als Zeichen der Geburt, und „langer Sterbensschrei“ als Symbol für den Tod. Der Ausdruck „Im blinden Wechsel“ (V.11) deutet darauf hin, dass der Kreislauf (bzw. Zyklus) des Kommens und Gehens auch wieder „blind“ und monoton ist. Man sieht nur, wie Menschen geboren werden und wieder sterben, doch man spezialisiert sich wieder nicht auf einzelne. Dies führt wieder zu einer gewissen Anonymität und Eintönigkeit. In der letzten Strophe wird nun die Bedrohung der Stadt durch ein Brand oder Feuer, das noch entfernt ist, dargestellt. Die Akkumulation „Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand“ (V.12) stellt einen großen Unfall dar. Doch dieser befindet sich noch „im Weiten“ und „droh[t] mit gezückter Hand“.

Diese Personifikation löst eine noch verstärkte körperliche Bedrohung aus, und da dieser Brand sich noch im Weiten befindet, kann man daraus schließen, dass er zwar die Stadt noch nicht erreicht und zerstört hat, aber schon eine große Bedrohung ist. Eine Möglichkeit wäre, dass sich der Brand in den Industriegebieten befindet, denn diese sind meistens weit von der Innenstadt entfernt. Der Brand und das Feuer „scheinen hoch von dunkler Wolkenwand“ (V.14), wobei die dunkle Wolkenwand sehr wahrscheinlich der schwarze Rauch darstellt, der von den Brand ausgelöst wurde und in den Himmel emporsteigt. Dieser Brand kann aber insgesamt auch nur eine Metapher bzw. ein Bild für eine allgemeine Bedrohung der Großstadt sein.

Man kann sich sicher sein, dass das Gedicht im Expressionismus geschrieben worden ist, da viele expressionistische Merkmale drin vorhanden sind. Zuerst zu erwähnen ist, dass das Gedicht ein Sonett ist und von einer Großstadt handelt. Des Weiteren findet man hier auch den expressionistischen Schrei, der hier aber nur stumpf ankommt. Die Bedrohung der Großstadt durch den Brand kann auch eine Vorstufe der Kathastrophe sein, was auch typisch expressionistisch ist. So kann man sich sicher sein, dass es sich um ein expressionistisches Sonett handelt. Georg Heym hat nicht nur die Anonymität der Menschen und die erdrückende Stimmung, sondern auch diese Bedrohung sehr effektiv dargestellt.

Gedichtprofil in Stichpunkten

Allgemein

  • Name: Die Stadt
  • Autor: Georg Heym
  • Veröffentlicht: 1911
  • Epoche: Expressionismus
  • Gattung: Stadtlyrik


Formal

  • Verse: 14
  • Strophen: 4
  • Metrum: fünfhebiger Jambus
  • Reimschema: abba, cddc, eee, fff
  • Reimart: Umarmender Reim, Endreim
  • Kadenz: männlich


Sprachlich/Stilistisch

  • Wortfelder: Wetter, Mensch
  • Adjektive: rot, klein, stumpf, matt, eintönig
  • Tempus: Präsens
  • Stilmittel: Enjambement (V.1-2,3-4,7-8,13-14), Hyperbel (V.3), Personifikation (V.3,4), Vergleich (V.5), Verdinglichung (V.6), Paralellismus (V.7)


Erzähler

  • Lyrisches Ich: Nein
  • Perspektive: Auktorial
  • Haltung: kritisch

Ein weitere vertiefende Analyse des Gedichtes findest Du auf abi-pur.de hier:

Heym, Georg - Die Stadt (Interpretation eines Gedichtes)

Zurück