Wolfenstein, Alfred - Städter (Gedichtsanalyse)

Schlagwörter:
Gedichtanalyse, Alfred Wolkenstein, Expressionismus, Analyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Wolfenstein, Alfred - Städter (Gedichtsanalyse)
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Referat

Analyse des Gedichtes „Städter“ von Alfred Wolkenstein

Städter
von Alfred Wolfenstein

Nah wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte sehn.
 
Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinanderragt.
 
Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
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Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
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Flüstern dringt hinüber wie Gegröle
 
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Und wie stumm in abgeschloßner Höhle
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Unberührt und ungeschaut
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Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.

(„Städter“ von Alfred Wolfenstein ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24 KB) zur Unterstützung an.)

Alfred Wolfenstein zog mit seiner Familie 1901 nach Berlin, wo er auch studierte. Alfred Wolfenstein heiratete 1916 Henriette Hardenberg, gestand jedoch später ein, homosexuell zu sein. Er gab mit dem zweibändigen Werk „Die Erhebung“ , das 1919 erschien, die wichtigste theoretische Sammlung der expressionistischen Bewegung heraus. Im Jahr 1933, dem Jahr der großen Bücherverbrennung, kehrte Wolfenstein der ehemaligen Weimarer Republik den Rücken zu und zog nach Prag. Ab 1938 verbarg er sich in Paris vor den Nazis, als diese Frankreich erobert hatten. Beim Einmarsch deutscher Truppen in Loire wurde er gefasst und in das Gefängnis La Santé gebracht. Nach dreimonatiger Haft lebte Wolfenstein unter dem Decknamen Albert Worlin in Südfrankreich. Am 22. Januar 1945 beging er Selbstmord in Paris. Sein wohl bekanntestes Gedicht Städter erschien im Jahre 1914.

Das Gedicht „Städter“ wurde von Alfred Wolkenstein im Jahr 1914 verfasst. Er befasst sich darin mit dem Bild der Stadt und wie die Menschen in dieser Stadt leben.

Wolkenstein schrieb dieses Gedicht in Form eines Sonetts, was bedeutet, dass die ersten zwei Strophen aus vier Versen bestehen und die anderen zwei Strophen nur aus drei Versen. Die Verse beginnen mit Großbuchstaben und enden in Form eines umarmenden Reim (abba). Um wichtige Aussagen zu betonen, verwendete er Alliterationen wie z.B. „Grau geschwollen“ in der vierten Zeile der ersten Strophe. Um deutlich zu machen, dass der Mensch bzw. das Individuum in den Hintergrund rückte verwendet Wolkenstein Personifikationen wie „Blicke baden“, was gleichzeitig eine Alliteration ist und damit auch wichtig zu sein scheint. Mit Vergleichen versucht er seine Ausführungen zu veranschaulichen. In den ersten zwei Strophen benutzt A. Wolkenstein häufig Wörter aus dem Wortfeld „dicht“ wie z.B. „beieinander“, „drängend“ und „nahen“. In diesen beiden Strophen beschreibt er das Bild der Stadt und in den zwei folgenden Strophen wie die Menschen in dieser Stadt leben. Dieser Wandel des Inhalts stimmt mit der äußeren Form überein. Das letzte Wort des Gedichts „alleine“ steht im Gegensatz zu den ersten zwei Strophen, in denen von Nähe die Rede ist.

In der Stadt ist es eng, da die Häuser ganz nah aneinander gebaut wurden. Es war nötig so zu bauen, da auf einmal für viele Menschen Wohnungen nötig waren, da die Verstädterung einsetzte und die Menschen vom Land in die Stadt strömten. Die Straßen verlaufen so eng zwischen den Häusern, weil für sie kein Platz ist und deshalb beschreibt das lyrische Ich sie als „Grau geschwollen“ und sagt sie sehen aus wie Gewürgte.

Die Straßenbahnen sind überfüllt, dies ist ein Zeichen für die Masse der Menschen, die in der Stadt leben. Außerdem wird durch die Personifikationen deutlich, dass der Mensch bzw. das Individuum in dieser Gesellschaft in den Hintergrund gerückt ist und nur noch die Masse der Menschen zählt. Dieses Phänomen ist ein Kennzeichen für den Expressionismus. Obwohl viele Menschen zusammen kommen unterhalten sie sich nicht miteinander, sondern schauen sich nur um, so dass ihre Blicke ineinander baden. Man möchte etwas von den anderen wissen und betrachtet sie deshalb genau, möchte aber nichts detaillierteres über sie wissen uns spricht sie deshalb nicht an.

Privatsphäre ist ein Fremdwort, denn die Nachbarn hören aufgrund der Bauweise der Häuser alles. Das lyrische Ich sagt jeder würde daran teilnehmen, wenn es weint. Wahrscheinlich weint es, weil ihm seine alte Heimat fehlt. Außerdem scheint es laut zu sein, denn es sagt Flüstern und Denken würde zu Gegröle.

Niemand nimmt den anderen wahr, weil jeder nur mit sich und seinen Problemen beschäftigt ist. Und deshalb ist man trotz der Massen von Menschen einsam.

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