Ecstasy in der Technoszene

Schlagwörter:
Ecstasy in der Technoszene Biologie, Referat, Hausaufgabe, Ecstasy in der Technoszene
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Referat

Ecstasy in der Technoszene

Eine Form integrierten Drogengebrauchs?

Diplomarbeit zur Diplomprüfung

an der Fachhochschule Dortmund, FB Sozialpädagogik, SS 1997

vorgelegt von:

Jörn Dreißigacker
Münsterstraße 99
44145 Dortmund

Anmerkung von mir (offtopic): Er hat übrigens bestanden mit 1,0 !!!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

  1. Zur Geschichte von MDMA
  2. Was ist Ecstasy?
    1. Ecstasy und seine Wirkung
      1. Drug - Set - Setting
      2. Kurzfristige Neben - und Nachwirkungen
      3. Wirkungsweise im Körper
      4. Auswirkungen des Ecstasy - Konsums in physischer und psychischer Hinsicht
      5. Suchtpotential von MDMA
    2. Ecstasy und damit in Verbindung gebrachte Todesfälle
  3. Gängige Party - und Designerdrogen
    1. Auswirkungen von Mischkonsum
    2. Unbeabsichtigter Mischkonsum
  4. Zur Illegalisierung von Ecstasy - MDMA und das BtMG
    1. Auswirkungen des BtMG in der Praxis
    2. Zahlenmaterial des BKA zu Ecstasy und anderen „Partydrogen"
  5. Die Techno - Kultur
    1. Techno - Musik
      1. Die Anfänge von Techno
      2. Unterarten von Techno
    2. Techno - Parties und das Publikum
      1. Die Techno - Party als Gesamtkunstwerk
      2. Wer besucht Techno -Parties?
    3. Politische und moralische Werte und Ideale der Techno - Szene
    4. Von einer Subkultur zur kommerziellen Massenbewegung
    5. Die Party als Entspannung - Aber Leistung ist angesagt
    6. Zu Techno tanzen - Oder „die Seele baumeln lassen"
    7. Hat Techno einen religiösen Aspekt?
  6. Vorstellung suchtpräventiver Einrichtungen und Organisationen
    1. Eve & Rave e.V., Berlin
    2. Der Drogeninfobus der Beratungsstelle Hannover
    3. Das Jellinek - Zentrum, Amsterdam
    4. Das Projekt „Antenne", Niederlande
  7. Konsumentenschutz in der Szene
  8. Ecstasy in der Technoszene - Eine Form integrierten Drogengebrauchs?
    1. Erklärung der Fragestellung
    2. Erläuterung des Ritualkonzepts
    3. Bieten Rituale einen Schutz vor Drogenmißbrauch?
    4. Aktuelle Veränderungen in der Techno - Szene
  9. Präventionsansätze und Betätigungsfelder für die sozialpädagogische Arbeit
    1. Erklärung von Begriffen im Zusammenhang mit Suchtprävention
    2. Von der Drogen - zur Suchtprävention
    3. Konsummotive und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten
    4. Konkrete und neue Konzepte zur Präventionsarbeit
    5. Notwendige drogenpolitische Veränderungen

Nachwort

Literaturverzeichnis

Vorwort

Den ersten Kontakt zu Techno-Musik hatte ich, als mich ein Freund, mehr oder weniger gegen meinen eigenen Willen, mit in eine Techno-Disko mitnahm. Als eingefleischter Anhänger gitarrenorientierter Rockmusik konnte ich mir in keinster Weise vorstellen, dieser Musik auch nur etwas Positives abzugewinnen. Umso größer war mein Erstaunen, als ich vier Stunden später feststellen mußte, daß ich drei davon tanzend verbracht hatte. Da ich Techno noch nie vorher in einer solchen Lautstärke gehört hatte, wurde ich von der Energie, die sie mir vermittelte, förmlich „umgeblasen". Einige der folgenden Mittwoche besuchte ich diese Disko wieder, und es hat mir immer besser gefallen, ich fing an, mich für diese Musik ernsthaft zu interessieren. Ich habe zwar für mich persönlich nie eine Raver-Identität entwickelt, und fühlte mich der Szene auch nie zugehörig, aber gefallen hat mir auf den Parties besonders der Spaß, den die Raver beim Feiern ausstrahlten. Besonders fasziniert war ich von den Großveranstaltungen „Mayday" und „Love-Parade", da ich nie vorher eine solche Massenhysterie erlebt habe.

Mir wurde natürlich schnell klar, daß irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, wenn um 5 Uhr morgens die gesamte Party noch wie wild geworden herumhüpfte, während ich müde und ausgelaugt nach Hause gehen wollte. Ecstasy war schon zu diesem Zeitpunkt (vor etwa drei Jahren) sehr weit verbreitet, in der Presse konnte man allerdings noch nicht viel darüber lesen. Richtig aufmerksam auf diese Thematik wurde ich erst, als ein guter Bekannter aus meiner Heimatstadt anfing, eine Menge der sog. Party-Drogen zu konsumieren. Ich sah diesen Bekannten nicht sonderlich oft, und als einmal drei Monate seit unserem letzten Treffen vergangen waren, hatte er ganz offentsichtlich eine recht ungesunde Entwicklung mitgemacht. Er war nämlich um einige Kilo leichter geworden, ganz abgesehen von seinem verhärmten Gesicht. Später ging er dann noch dazu über, Opiate zu konsumieren, kam aber, wie ich gehört habe, wieder davon weg, ich habe ihn leider aus den Augen verloren.
Aber ab diesem Zeitpunkt begann ich, mich genauer für diese Drogen zu interessieren und sammelte alle Informationen, die mir in die Finger kam. Da meine Begeisterung für die Musik nachwievor vorhanden ist, kam mir die Idee, diese beiden Dinge in meiner Diplomarbeit zu verbinden. Vor allem wollte ich über eine Thematik schreiben, die noch nicht „breitgetrampelt" ist, und auch wenn die Publikationen darüber mehr und mehr werden, ist es immer noch ein sehr spannendes Thema. Auch für die Arbeitsfelder der Sozialpädagogik wird die Thematik des Ecstsy-Konsums an Bedeutung gewinnen, weil auch die Zahl der Konsumenten ständig ansteigt. Das Bundeskriminalmt verzeichnet Sicherstellungszuwachsraten von jährlich 50-90 % im Bereich der Partydrogen Ecstasy, Speed und LSD, und man geht von einer Anzahl von Konsumenten aus, die irgendwo zwischen 300.000 und 900.000 Personen liegt. Aufgrund fehlender Untersuchungen sind genaue Angaben leider nicht möglich. Meine Diplomarbeit ist in drei Hauptbschnitte gegliedert. Im ersten Teil wird die Droge Ecstasy beschrieben, deren Geschichte, Wirkung und Folgen des Konsums, soweit bis heute erforscht, sowie Informationen über Konsum- und Gebrauchsformen.

Im zweiten Teil versuche ich, die vielschichtige Techno-Szene zu beleuchten, wobei es nicht möglich ist, einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, was in der Größe der Szene begründet liegt. Im dritten Teil beschäftige ich mich mit bereits bestehenden präventiven Organisationen und Einrichtungen, bevor ich versuche, neue Ansätze in der Arbeit mit Gebrauchern synthetischer Drogen aufzuzeigen. Hier wird der Bezug zur sozialpädagogischen Praxis geknüpft.

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1. Zur Geschichte der Droge Ecstasy

Erstmals synthetisiert wurde MDMA im Jahr 1898. Zu einem offiziellen Status kam es allerdings erst am 24.12.1912, als die Darmstädter Firma Merck das Patent auf eine Gruppe von Stoffen anmeldete, zu denen auch MDMA gehörte. Aber erst zwei Jahre später, am 16.05.1914 vergab das kaiserliche Patentamtamt das Patent an die Firma.

An verschiedenen Stellen (Zeitschrift „Tempo",1994, S.26, Rufer, M., 1995, S.202) wird behauptet, daß MDMA ursprünglich ein Schlankheitsmittel sein sollte, allerdings ist es fraglich, ob dies so richtig ist. Nach A.Schroers gibt es für diese Feststellung keine Belege (ebd.,1996, S.8). Auch Saunders greift diesbezüglich auf die sehr vage Formulierung „Es heißt, daß..." zurück, so daß keine eindeutige Aussage getroffen werden kann. Auf jeden Fall konnte Merck mit der Substanz keinen kommerziellen Erfolg verzeichnen. MDMA rückte für die nächste Zeit erst einmal aus dem Blickfeld des öffentlichen Interesses.

Aufgetaucht ist MDMA dann erst wieder um 1950 herum, zur Zeit des kalten Krieges, als das US-Militär Halluzinogene auf ihren „Nutzungswert" als Wahrheitsdrogen untersuchte. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde MDMA anhand von Tierexperimenten auf seine Toxität untersucht; es gibt aber keine Beweise dafür, daß MDMA dabei Menschen verabreicht oder als Wahrheitsdroge getestet wurde (Saunders, N., 1994, S.122). Wieder in die Öffentlichkeit gerückt ist die Droge 1965, als Alexander Shulgin, der sich selber gerne als „Stiefvater" von Ecstasy bezeichnet, sie im Labor herstellte und ausprobierte. Nach seinem Universitätsabschluß in Berkeley erhielt der promovierte Biochemiker eine Anstellung in der Chemieforschung bei der Firma „Dow chemicals" und erfand ein rentables Insektizid. Daraufhin stellte ihm das Unternehmen ein eigenes Labor zur Verfügung, in dem Shulgin damit begann, psychedelische Drogen zu erforschen. Dabei ging es ihm vor allem darum, eine therapeutisch nutzbare Substanz zu finden. Er ging dazu über, MDMA an sich selber zu testen und anschließend auch an befreundete Psychotherapeuten weiterzugeben. Als das Unternehmen jedoch bemerkte, daß es Inhaber mehrerer Patente zu psychedelischen Drogen geworden war, wurde Shulgin entlassen. Dennoch fuhr er fort, neue Substanzen an sich selber und an einer kleinen Gruppe von Freunden zu testen.Noch heute betreibt er seine Forschungen-dank Beziehungen zu einflußreichen Leuten- mit Genehmigung der US-Regierung weiter (vgl. Saunders, N., 1994, S.19).

Die ersten PsychotherapeutInnen, die mit MDMA arbeiteten, waren sich über dessen großes Potential durchaus im Klaren. Sie gingen gleichzeitig aber auch davon aus, daß die Regierung es gleichbedeutend mit LSD behandeln würde, was einer Kriminalisierung und einem daraus folgenden Verbot gleichgekommen wäre.

So entschlossen sie sich, soviel an der Droge zu forschen wie möglich, gleichzeitig aber die Ergebnisse, die allerdings recht positiv waren, nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. So kam es, daß MDMA nur von einer überschaubaren Zahl von zumeist experimentellen PsychotherapeutInnen benutzt wurde. Dies war auch dadurch begründet, daß MDMA nicht in typische 50-Minuten-Therapiesitzungen paßt. Außerdem bewegten sie sich außerhalb der Legalität, auch wenn einige unter ihnen behaupteten, „eine fünfstündige Sitzung mit Adam sei ebensogut wie eine fünfmonatige Therapie." (Saunders, N., 1994, S.21).

Der Grund, warum MDMA nie von einem großem Arzneiunternehmen vermarktet wurde, hängt erstens mit seinem geringen kommerziellen Potential zusammen. Des weiteren besteht in den USA das Verbot der Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde FDA, Versuche an Menschen durchzuführen. Das größte Hindernis besteht aber darin, daß MDMA schon einmal patentiert wurde. Denn „obwohl das Patent der Firma Merck schon vor Jahren abgelaufen ist, kann die Droge kein zweites Mal patentiert werden. Bevor ein Arzneiunternehmen eine neue Droge auf den Markt bringt, muß es zeigen, daß die Wirkungen der Droge als Medikament die Sicherheitsrisiken rechtfertigen, was jahrelange und teure Versuche voraussetzt. Will man diese Kosten wieder einbringen, muß man sich das exklusive Verkaufsrecht sichern, indem man das Patent erwirbt."
(Saunders, N., 1994, S.21).

1991 veröffentlichte A.Shulgin, zusammen mit seiner Frau Anne, das autobiographische Buch „PIHKAL" (Synonym für Phenetylamins I Have Known And Loved = Phenetylamine, die ich kennen und lieben gelernt habe), in dem er persönliche Erlebnisse und Ergebnisse seiner Forschung seit dieser Zeit beschreibt. Der Autor verteidigt sehr vehement die Vorzüge von MDMA, z.B., wenn er einen Psychiater zitiert, der sagt „MDMA sei Penicillin für die Seele, und man verzichte nicht auf Penicillin, wenn man gesehen habe, was es bewirken kann."
(Schroers, A., 1996, S.8)

Im Gegensatz zu Shulgins klar eingegrenzten Anwendungsbereich, dem kontrollierten therapeutischen Gebrauch, tauchte MDMA 1972 als Straßendroge in den USA auf und wurde zunächst nur vereinzelt von „Hippies" konsumiert. In den darauffolgenden Jahren (die von ´77-´85 werden auch als „goldenes" Zeitalter von Ecstasy bezeichnet) wurde das Einnehmen von MDMA bei PsychiaterInnen, Yuppies, College-StudentInnen, New Age -AnhängerInnen und in der Homosexuellen-Szene bekannt. Der Konsum vollzog sich dabei unabhängig von einem kontrollierten Rahmen als rekreative- bzw. Genußdroge, wobei die Verbreitung mit der heutigen auf keinen Fall vergleichbar war.

1981 kam MDMA dann als „Ecstasy" (Ekstase) auf den Markt, wobei sich angeblich ein Großhändler zunächst den Namen „Empathy" ausgedacht , dann aber, spekulierend auf einen größeren Gewinn, auf „Ecstasy" entschieden haben soll. Dieser Großhändler war ein Laboratorium in Marin County, Kalifornien, das mit einer monatlichen Produktionskapazität von einer halben Million Portionen einer der größten bekannt gewordenen Hersteller war. Den von dort direkt vertriebenen Portionen war sogar ein Informationspapier beigelegt, in dem darauf hingewiesen wurde, wie man am besten mit der Droge umgehen sollte, um möglichen unangenehmen Nebenwirkungen aus dem Weg zu gehen.

„In Fort Worth, Texas, konnte Ecstasy sogar in Bars gekauft und mit Kreditkarte bezahlt werden. Es ersetzte den Yuppies ihr Kokain und wurde sogar von Leuten genommen, die sich normalerweise von Drogen fernhielten
(vgl. Saunders, N., 1994, S.21)

Im Laufe des Jahres 1985 trat Ecstasy ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, als eine kleine Gruppe von Leuten die amerikanische Drug Enforcement Agency DEA (zuständig für die Beschaffung von Informationen über den internationalen Drogenhandel) verklagt hatte, weil die DEA Ecstasy verbieten wollte. Durch diese Kontroverse und die damit verbundene Präsenz in der Presse verbreitete sich Ecstasy in ganz Amerika, so daß ein Verbot nicht mehr lange auf sich warten ließ. Begünstigt wurde dieses durch einige im Vorjahr aufgetretene Zwischenfälle mit einem sog. „Designeropiat", dem gefährlichen Meperidin-Derivat MPPP. "Bei einigen Personen traten in Folge der Einnahme der durch unsaubere Herstellung mit einem hochtoxischen Nebenprodukt (dem MPTP) kontaminierten illegal hergestelltenSubstanz Symptome der Parkisonschen Krankheit auf" (Schroers, A., 1996, S.9).

Zum einen dies, zum anderen die Tatsache, daß auf dem Schwarzmarkt hochpotente Fentanyl-Derivate als heroinhaltige Substanz „china-white" verkauft wurden, wurden zur Stimmungsmache gegen synthetische Designerdrogen benutzt. So kam es, daß MDMA per Notfallverordnung in den gleichen Gefährlichkeitsstatus wie Heroin eingeordnet, sowie Herstellung, Verkauf, Verteilung und Besitz mit hohen Strafen belegt wurden. Das Verbot, das zwar die weitere Erforschung der Droge einschränkte, und sich nicht auf das Verhalten der KonsumentInnen auswirkte, dauerte zunächst ein Jahr an. In dieser Zeit entschied eine eigens dafür gebildete Kommission, welche langfristigen Maßnahmen zu treffen seien. Durch aufgebauschte und unsachliche Veröffentlichungen in der Presse verschärfte sich der Druck, Ecstasy langfristig zu verbieten.

"Ein weitverbreiteter Bericht verwies auf Ergebnisse, die beweisen sollten, daß eine andere Droge, MDA, bei Ratten Hirnschädigungen hervorrufe, und zog den Schluß, daß MDMA dasselbe bei Menschen bewirken könnte. Medien stellten Horrorszenarien von den „Gehirnen unserer Kinder" auf, die zerstört sein würden, bevor sie dreißig Jahre alt sein würden. Dabei war nicht bewiesen, daß MDMA in Dosierungen, wie sie von Menschen eingenommen werden, für Ratten schädigend ist."
(Saunders, N., 1994, S.22/23).

Auch eine Klage von VerteidigerInnen blieb ohne Erfolg, die DEA ordnete MDMA entgegen der Empfehlung eines Richters, es in eine weniger strenge Kategorie einzuordnen ( was wenigstens die Möglichkeit zur Weiterforschung bedeutet hätte), dauerhaft in die strengste Kategorie, Schedule 1,ein. In Großbritannien sind psychedelische Amphetamine wie MDA, MDEA und MDMA seit 1977 illegal. MDMA wurde genauso wie in den USA in die strengste Drogenkategorie eingeordnet. Am 1.August 1986 wurde MDMA aufgrund internationaler Verpflichtungen (internationale Konvention über psychotrope Substanzen [ICPO]) auch in der BRD verboten. Neben sog. „harten Drogen" wie Heroin und Kokain wurde die Droge in die Anlage 1 („nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel" zu § 1 Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes [BtMG] eingestuft. Von 1985-1993 hatte lediglich die Ärztgesellschaft für Psycholytische Therapie (SÄPT), mit Sitz in der Schweiz, die Erlaubnis, mit MDMA zu arbeiten ( vgl. Schroers, A., 1996, S.10).

Nach Europa kam Ecstasy Mitte der achtziger Jahre durch Anhänger des indischen Gurus Bhagwan Rajneesh, bei denen die Droge sehr beliebt war. 1987 entwickelte sich auf der Ferieninsel Ibiza eine Rave-Szene, in der sich Ecstasy zu LSD und Haschisch dazu gesellte. Britische Touristen führten es dann auch nach Großbritannien ein, wo große Parties im Freien oder in alten, leerstehenden Lagerhäusern schnell in Mode kamen. Die Veranstalter bereiteten die Lagerhäuser heimlich vor, aus Angst vor eventuellen gerichtlichen Verfügungen. Eine geheimgehaltene Infrastruktur unter den „partywilligen" Leuten machte es möglich, spontane Treffpunkte, wie z.B. Autobahntankstellen, auszumachen, an denen sich dann bis zu tausend Autos trafen, um dann gemeinsam zum Ort der Party zu fahren. Natürlich trafen diese Partys auf den heftigen Widerstand seitens der Anwohner, die bedingt durch die Lautstärke die ganze Nacht nicht schlafen konnten.

„Die Polizei ging mit Spezialeinheiten gegen die Raves vor, führte Razzien durch und setzte sogar Undercover-Agenten in der Szene ein. Doch die Hindernisse machten die Sache nur noch attraktiver. Raves wurden populär- und mit ihnen Ecstasy."
(Saunders, N., 1994, S.24). So kam es, daß die britische Regierung 1990 ein Gesetz erließ, mit dem gegen Veranstalter solcher Parties ohne Lizenz scharf vorgegangen werden konnte und das diesen Veranstaltungen weitgehend ein Ende setzte. Daraufhin verlagerten die Raver ihr Treiben in die Clubs, und von Manchester aus verbreiteten sich die Clubparties mit „E" nach London und den Rest von Europa.

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2. Was ist Ecstasy?

Reines MDMA ist eine weiße kristalline Masse und sieht normalerweise wie weißes Pulver aus. Die Substanz, die sehr lange haltbar ist, zersetzt sich weder an der Luft noch im Licht. Charakteristisch ist ein prägnanter starker und bitterer Geschmack.
MDMA ist die Abkürzung für die chemische Formel 3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin. Es gehört zur Gruppe der Phenetylamine, wozu auch Amphetamine und diverse Halluzinogene (z.B. Meskalin) gehören. Zu dieser Gruppe gehören noch weitere psychoaktive Substanzen wie DOM , 2CB, DOB, und die dem MDMA nahestehenden Substanzen MDA, MDEA, MDOH und MDBD.

Das synthetische MDMA kann man von seiner chemischen Struktur her mit dem in der Natur vorkommenden Safrol vergleichen. Safrol kommt u.a. in der Muskatnuß und in dem Lorbeergewächs Sassafras vor ( vgl. Schroers, A., 1996, S.11). Es ist sehr schwierig, Ecstasy einer bestimmten Gruppe der psychoaktiven Substanzen zuzuordnen. Mal wird es als Amphetamin-Derivat den Stimulantien zugerechnet, an anderen Stellen dann wieder den Halluzinogenen. Die Zuordnung zu den Amphetaminen liegt aufgrund des energetisierenden Effekts in der Wirkung nahe, allerdings läßt sich diese amphetaminartige Wirkung auf die durch die Droge verursachte erhöhte Dopamin-Ausschüttung zurückführen. MDMA ist aber kein Amphetamin. Auch die halluzinogenen Effekte, von denen des häufigeren berichtet wird, lassen sich durch verschiedene Gründe erklären. Vielleicht wurde statt MDMA MDA 2CB oder DOB konsumiert, alle drei sind Stoffe, welche durchaus halluzinogene Wirkungen hervorrufen, die für MDMA typischen Effekte gehen aber eher in die Richtung des Wärme- und Wohlsein-Gefühls, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit werden verstärkt. Die Schwierigkeit der Einordnung führte zur Einrichtung einer neuen Gruppe, die 1986 mit dem Überbegriff „Entaktogene" versehen wurde.

"Das spezielle Wirkspektrum führte zur Kreierung einer neuen Stoffklasse, den sogenannten Entaktogenen, denen u.a. auch MDA und MDE zugeordnet werden."
(Wirth, N., 1996, S.11)
Der Begriff „Entaktogen" kann frei aus dem Griechischem („en"= innen und „gen"= verursachen) und dem Lateinisch ( „tactus" = berührt) als „im Innern ein Gefühl erzeugend" oder auch „die innere Berührung hervorbringen" übersetzt werden. In der Definition der Entaktogene wird die therapeutische Bedeutung hervorgehoben, wohingegen Fromberg mehr Gewichtung auf den kommunikativen Aspekt der Droge legt. Welche Interpretation treffender ist, hängt wohl am ehesten mit dem Kontext der Drogeneinnahme zusammen (vgl. Schroers, A., 1996, S.15).

An vielen Stellen wird Ecstasy fälschlicherweise als Designerdroge bezeichnet. Designerdrogen sind aber neue synthetisch hergestellte Substanzen, die einer schon bekannten, aber bereits dem BtMG unterstehenden Droge in Wirkungsweise und meist auch chemischer Zusammensetzung sehr nahestehen. Somit soll das BtMG umgangen werden, weil jeder neue Stoff dort erstmal aufgenomen werden muß, was immer eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nimmt, während der der neue Stoff noch nicht illegal ist, so daß Herstellung bzw.Handel nicht unter Strafe gestellt werden können. MDMA hingegen wurde, wie bereits gesagt, 1912 zum ersten mai synthetisiert und ist somit keine Designerdroge.

2.1 Ecstasy und seine Wirkung
Bezüglich der Wirkung und Folgen des Ecstasy-Konsums gibt es sehr wenig einheitliche Erkenntnisse, da die Wirkung auf Körper und Psyche von sehr, sehr vielen inneren und äußeren Faktoren abhängig ist. Dementsprechend werden heftige „Glaubenskämpfe" insbesondere über mögliche negative Folgen des Langzeitkonsums geführt. Diese Auseinandersetzungen erschweren eine sachliche Diskussion und Informationsvermittlung über Stoff und Wirkung. Im folgenden werden deshalb ausschließlich Wirkungen beschrieben, die in der Literatur mit Ecstasy in Verbindung gebracht werden oder Erfahrungen, von denen User in der Literatur berichten.

Bericht eines Ecstasy-Konsumenten:
„Ein Blick auf die Uhr, um den Wirkungseintritt besser einschätzen zu können, dann einen exponierten Platz suchen, um in dieser Karenzzeit die Leute besser zu beobachten. 45 Minuten später: Ich beginne zu spüren, daß ich nicht gelinkt wurde, daß meine Tablette kein Aspirin war. Ein leichtes Wärmegefühl um die Magengegend wird langsam zu einem den Körper umfließenden wohligen Gefühl, das in einer steigenden Vorfreude mündet. Das Treiben, den Lärm um mich herum nehme ich wie durch Watte war. Die Menschen, die mir gerade noch völlig egal waren, beginne ich sympathisch zu finden, sie sogar zu mögen. Der Alltag ist weit hinter mir, etwas Weltbewegendes geht hier vor. Alles ist gut! Alles gefällt mir! Ein Jubel breitet sich in mir aus, ich will ihn hinausschreien, also schreie ich. Die es mitkriegen, lächeln mir zwinkernd zu, wünschen mir eine gute Reise.

Zwei Stunden später :Der Zenith ist überschritten, ich schlüpfe wieder in meine Hülle zurück, widerstrebend, aber unvermeindlich erlischt der Sternenglanz des Glücks..."
(Stadtzeitung PRINZ, S.30, September 1994)

Die Wirkung von Ecstasy ist sehr einfach zu fühlen, aber sehr schwer zu beschreiben, da sie zwei gegensätzliche Eigenschaften, nämlich Anregung und Entspannung, miteinander verbindet. Die psychotrope Wirkung von MDMA setzt in der Regel 20-60 Minuten nach der Einnahme ein. Es werden gewöhnlich 75-150 mg Reinsubstanz benötigt. Das Wirkungsmaximum wird in der folgenden Stunde erreicht, und nach weiteren zwei Stunden klingen die psychotropen Effekte langsam wieder ab. Die Nebenwirkungen (sympathomimetische Stimulation) halten normalerweise noch ein paar Stunden an. Über die psychische Wirkung sind mittlerweile viele Details bekanntgeworden; sie gilt als multifaktorielles Zusammenspiel aus Drogeneigenschaft, Dosierung, Set (innere Disposition des Konsumenten) und Setting (äußerliche Umgebungsfaktoren). Bei angemessener Dosierung (s.o.) werden folgende Effekte berichtet:

  • Entspannung
  • milde Euphorie und Ekstase
  • Glück und Wärme
  • Gefühle der Liebe und Zuneigung
  • unerschöpfliche Energie und Antriebssteigerung
  • Offenheit, Mitgefühl und Akkzeptanz anderer
  • intensiveres Erleben
  • Abbau von Hemmungen bei erhalten bleibender geistiger Klarheit
  • seelische Ausgeglichenheit

Insgesamt stellt die Wirkung einen persönlichkeitsbezogenen Rausch dar, in dem Gefühle, Gedanken und Sinnesreize angeregt werden und es leichter fällt, sich in andere Personen hineinzufühlen und mit ihnen offene und unverkrampfte Gespräche zu führen. „Die Unterscheidungsfähigkeit zwischen der eigenen Person und der Umwelt, zwischen Selbst und Nichtselbst, ist herabgesetzt."
(Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1996, S.48).

Einige User berichten von einer mystisch-ekstatischen Verschmelzung zwischen ihnen und der Umwelt, dabei sind diese Veränderungen im persönlichen Erleben verbunden mit einer Steigerung des Selbstbewußtseins und des Selbstwertgefühls. Des weiteren wird von einer verbesserten Introspektionsfähigkeit berichtet, d.h. von einem besseren Zugang zu den eigenen Gefühlen, Stimmungen und Konflikten. Reine Amphetamine bringen zwar im Vergleich zu MDMA eine stärkere Aktivierung und Leistungssteigerung, indes sind die Auswirkungen auf das interpersonale Erleben und auf die Introspektion im Vergleich eher unbedeutend.

Im Gegensatz zur Wirkung von LSD fehlen die halluzinatorischen Effekte beim Ecstasy-Rausch fast gänzlich. In der Regel bleibt die Selbstkontrolle erhalten. Üblich sind hingegen leichtere Wahrnehmungsveränderungen, wie verschwommenes Blickfeld, Unfähigkeit zur Fokussierung sehr naher Gegenstände, Nachbilder und eine veränderte Art und Weise Geräusche wahrzunehmen. Bei Hochdosierung von 200 mg und mehr tritt keine Steigerung des Rausches mehr auf, während die Wahrscheinlichkeit von Kreislaufproblemen, Krämpfen und notorischer Unruhe und Desorientierung steigt (siehe Nebenwirkungen).

Die verschiedenen Wirkungen der Droge können auf eine körperliche und eine geistige Hauptwirkung zusammengefaßt werden: Einerseits werden Muskelspannungen gelockert und andererseits Ängste abgebaut

"Leute auf Ecstasy haben das Gefühl, sich frei bewegen und ausdrücken zu können. Die Droge erzeugt einen Geschmack von einem Leben ohne Zwänge, die wir als Teil unseres Lebens akzeptiert haben. GebraucherInnen vergleichen die Wirkung oft mit Erinnerungen aus der frühen Kindheit, als sie den Menschen in die Augen schauten, im Augenblick lebten und noch keine Hemmungen hatten."
(Saunders, N., 1994, S.27)

2.1.1 Drug - Set - Setting
Bei jeder Drogeneinnahme werden die sich einstellenden Effekte nicht nur von der Substanz an sich, sondern von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflußt. Hierzu gehören u.a. die subjektive Einstellung des Konsumenten zur Droge sowie das Umfeld, in dem der Konsum stattfindet.Norman Zinberg bezeichnet dieses Beziehungsgefüge als die Triade „drug, set and setting". Die Ecstasy-Wirkungsfaktoren sollen im Folgenden erläutert werden.

Dosierung (drug)
Die Dosierung einer Droge stellt den grundliegenden Auslöser für die Drogenwirkung dar. Sie beeinflußt die Wahrnehmung und die Emotionen während des Rausches. Substanzqualität und -quantität einer Ecstasy-Pille haben einen entscheidenden Einfluß auf den Konsumenten. Auch wenn es den Konsumenten aufgrund fehlender Möglichkeiten einer Analyse nicht möglich ist, genauers über die Qualität oder Zusammensetzung der verwendeten Pille zu erfahren, bleibt die Gewichtigkeit der Dosis als Determinante der Drogenwirkung unverändert hoch (vgl. Schroers, A., 1996, S.33). Die in Ecstasy-Pillen enthaltene MDMA-Reinsubstanz liegt in der Regel um 100mg. Ausgehend von einem durchschnittlichen Körpergewicht von 70kg entspricht dies einer Dosierung von 1,4mg MDMA pro kg Körpergewicht. Je niedriger das Gewicht ist, desto weniger Substanz wird gebraucht, um eine Wirkung zu spüren.

Einstellung (set)
Unter „set" versteht man den persönlichen Zustand des Konsumenten. Die Erwartung, die Einstellung und die Vorbereitung nehmen genauso Einfluß auf das Rauscherlebnis wie der allgemeine seelische Zustand des Konsumenten. Wird zum Bespiel eine Person von ihren Freunden dazu überredet, auch etwas „einzuwerfen", obwohl sie an diesem Abend gar nicht die rechte Lust dazu hat, sind schonmal schlechte Voraussetzungen für eine guten „Trip" geschaffen. Aber auch die Charaktereigenschaften einer Person beeinflußen die Effekte eines Rausches. Bestimmte Eigenschaften oder Eigenarten werden unter dem Einfluß einer Droge nicht „weggewischt", sondern werden sich auch dann zeigen.

Umfeld (setting)
Unter „setting" versteht man die eigentliche Umgebung des Konsumenten. Hiermit ist zum Beispiel die Gruppe, mit der der Konsument unterwegs ist, sowie die räumliche Umgebung selber gemeint. Verbringt der Konsument die Zeit des Rausches mit Personen, die er gut kennt, oder sind es Leute, zu denen er wenig Vertrauen hat? Ist die Umgebung eine angenehme, oder empfindet er z.B. den Club als zu eng oder zu laut? Über diese Einflußfaktoren sollte sich der Konsument vor der Einnahme von Ecstasy im Speziellen und jeder Droge im Allgemeinen klar sein, damit er nicht plötzlich mit u.U. größeren Problemen konfrontiert wird.

2.1.2 Kurzfristige Neben - und Nachwirkungen

Im Gegensatz zur akuten Wirkung von Ecstasy sind die normalerweise auftretenden Nebenwirkungen bei weitem nicht so prägnant, die meisten UserInnen finden nicht, daß die Erfahrung davon sonderlich beeinträchtigt wird. Fast immer auftretende Nebenwirkungen sind ein trockener Mund sowie Appetitverlust. Sehr oft wird von verschiedenen Muskelreaktionen berichtet. Dazu gehören ein verkrampfter Kiefer, Augenzittern, Muskelzuckungen, Übelkeit und Krämpfe. In der Regel gehen diese ca. eine Stunde nach der Einnahme vorüber, sind allerdings bei häufigem Gebrauch und höherer Dosierung ausgeprägter. Eine Langzeitnebenwirkung ist Gewichtsverlust. Dies ist auf die Abnahme des Hungergefühls und die körperliche Bewegung während eines Raves oder einer Party zurückzuführen und ist für manche Leute sicherlich kein unangenehmer Effekt. (vgl. Saunders, N., 1994, S.33).

Die meisten Leute sind nach der Einnahme von Ecstasy sehr erschöpft. In Anbetracht der Umstände, in denen es konsumiert wird, ist dies nicht weiter erstaunlich. In einer „durchgetanzten" Nacht, in einer Disco mit wahrscheinlich wenig Frischluftzufuhr, entstehen für den Körper Belastungen, die er in dieser Form nicht gewohnt ist. Auch die Psyche ist in einer solchen Nacht aktiver als sonst. Der fehlende Schlaf kommt noch dazu. Dieser „Kater" kann allerdings abgeschwächt werden, indem man den Konsum anderer Drogen wie Alkohol oder Amphetamine vermeidet und nach der Party genug schläft. Auch Vitamine sollen helfen, genauso wie der Verzehr von Nahrungsmitteln wie Obst usw..

Andere häufige Nachwirkungen sind erschöpfte oder steife Gliedmaßen vom Tanzen (Muskelkater). Manchmal kann es zu Depressionen,Schlafstörungen oder Paranoia kommen, eher vorkommend bei häugigem Gebrauch (siehe psychologische Folgen und Komplikationen).

2.1.3 Wirkungsweise im Körper
Im folgenden Kapitel beziehe ich, soweit nicht anders angegeben, auf den Vortrag von Dr. Kuhlmann, gehalten auf der Fachtagung Ecstasy, am 17.02.1997. Oral eingenommenes MDMA wird im Magen verdaut. Ein relativ kleiner Teil erreicht über den Blutkreislauf das Gehirn und zwei Drittel werden über die Nieren wieder ausgeschieden (vgl. Saunders, N., 1994, S.34). Um die Wirkungsweise von MDMA zu erklären, wird im folgenden erstmal die normale, das heißt von Drogen unbeeinflußte Reizübertragung bzw.-verarbeitung im menschlichen Gehirn erläutert.

Die Funktionen des menschlichen Gehirns basieren auf dem Zusammenspiel von ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen, welche Neurone genannt werden. Diese Neuronen besitzen besondere Fortsätze, sog. Dendrite, über die das Verarbeiten und Weiterleiten von Informationen abläuft. Eine für die Wirkungsweise von MDMA besondere Rolle spielen dabei die Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, die sog. Synapsen. Jede einzelne der Nervenzellen verfügt nämlich über ca.100.000 Eingangskontakte und 10.000 Ausgangssynapsen, so daß sich sich ein unglaublich feingeädertes Nervengeflecht bildet. Wenn ein elektrisches Signal über ein Axon (Nervenzellen-Fortsatz) zu dem synaptischen Spalt kommt, wird eine Ausschüttung spezieller chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter) bewirkt. Diese Botenstoffe befinden sich vor dem Eintreffen des Reizes in den sich vor dem synaptischen Spalt befindenden synaptischen Bläschen, die Vesikel genannt werden. Nun öffnen sich die Bläschen und die Neurotransmitter überqueren den Spalt zwischen den beiden Nervenzellen. Dort binden sie sich nach dem „Schlüssel-Schloß-Prinzip" an spezifische Rezeptoren auf der postsynaptischen Seite und bewirken dort eine Weiterleitung des elektrischen Impulses. Die Botenstoffe werden anschließend entweder von speziellen Enzymen wieder abgebaut, oder vom Neuron, das sie ausgeschüttet hat, wieder aufgenommen, um für die nächste Reizübertragung bereit zu sein.

Im menschlichen Nervensystem kommt eine große Anzahl von Neurotransmittern vor, z.B. Acetylcholin, Serotonin, Dopamin (vgl. Linder-Biologie, 1983, S.202). MDMA entfaltet seine Wirkung an einem bestimmten Botenstoff im Gehirn, dem Serotonin (oder 5-Hydroxytryptamin; 5-HT). Zwar ließ sich in Tierversuchen (Ratte) nachweisen, daß MDMA auch im dopaminergen System eine Wirkung hat (vermehrte Ausschüttung von Dopamin), allerdings ist die dopaminerge Komponente im Wirkungsspektrum wesentlich geringer als die serotonerge (vgl. Thomasius, R. in Rabes, M / Harm, W., 1997, S.46).

Das serotonerge System gilt als das ausgedehnteste Botenstoffsystem im Säugergehirn. Obwohl es nur eine vergleichsweise geringe Anzahl von serotonergen Nervenzellen gibt, führen deren Fortsätze in fast alle Regionen des Gehirns. Zu den Funktionen des Gehirns, an denen das serotonerge System beteiligt ist, gehören solch wichtige wie das Eßverhalten, die Wahrnehmung von Schmerz, hormonelle Funktionen, das Schlaf/Wachverhalten, die Temperatur-und Kreislaufregelung, Emotionen sowie die sexuelle Aktivität.

Im Stoffwechsel serotonerger Nervenzellen wirkt Ecstasy als indirekter Serotonin-Agonist. Es bewirkt eine vermehrte Freisetzung von Serotonin, wobei es gleichzeitig die Nervenzellen daran hindert, die Botenstoffe wieder aufzunehmen. Durch diesen Effekt wird die Erregungsübertragung verstärkt, was sich in der stimulierenden Wirkung von Ecstasy niederschlägt und oft als Steigerung der psychophysischen Leistungsfähigkeit empfunden wird. Allerdings verhält es sich so, daß dem Organismus diese vermeintliche Steigerung der Leistungsfähigkeit nur vorgespielt wird, da vegetative Funktionen wie Blutdruck und Körpertemperatur durch den Anstieg des Serotonin-Spiegels ebenfalls steigen. Nach der MDMA-bedingten starken Erhöhung der Serotonin-Freisetzung fällt die Serotonin-Konzentration im Gehirn langanhaltend ab.

2.1.4 Auswirkungen des Ecstasy-Konsums in physischer und psychischer Hinsicht

Auswirkungen in physischer Hinsicht
Tierversuche, sowohl an Affen als auch an Ratten, haben bewiesen, daß nach einer einmaligen Applikation von MDMA die Serotonin-Konzentration längerfristig vermindert ist, wobei diese Verminderung bei den Versuchstieren stark vom Alter abhängig ist.Je älter die Tiere waren, desto langfristiger war die Absenkung der Serotonin-Konzentration (vgl. Lohmann, Dr. H., 1997, S.5).

Einer der wichtigsten Effekte langfristiger Applikation von Ecstasy ist die Degeneration serotenerger Nervenfasern im Gehirn, die parallel zur bereits beschriebenen Verminderung der Serotonin-Konzentration beobachtet wird. Nach Lohmann bewirkt eine Verabreichung von Ecstasy bei allen bisher untersuchten Säugetierarten (Ratten, Katzen, Affen) nach zwei Wochen zu einer massiven Degeneration der dünnen Serotoninfasern. Allerdings ist das Ausmaß der Degeneration stark abhängig vom jeweils untersuchten Gehirnareal. Während es im sog. Hypothalamus und im Globus Pallidus zu einer Regeneration kommt, bleibt die Degeneration im cerebralen Cortex auch nach 12-18 Monaten bestehen. Relativiert werden diese auf den ersten Blick erschreckenden Ergebnisse meiner Meinung allerdings, wenn man sich die Versuchsanordnung genauer betrachtet. Das MDMA wurde subcutan (unter die Haut) injiziert, und zwar eine Dosis von 2 mal täglich 5mg/kg Körpergewicht über vier Tage. 5mg/kg Körpergewicht entspräche einer Dosis von ca.400mg bei einer 80kg schweren Person, und dies zweimal am Tag, also einer Dosierung, die jeglicher Vernunft oder „Safer-use"-Regel widerspräche, wenn man, wie oben beschrieben von einer für einen E-Rausch benötigten Wirkstoffmenge von ca.100mg ausgeht. Dazu kommt noch die in der Praxis so gut wie nie vorkommende subcutane Applikation, so daß viel mehr Substanzmenge das Gehirn erreicht als es bei einer oralen Einnahme der Fall ist. Mir persönlich scheint diese Untersuchung ziemlich praxisfremd zu sein, auch wenn sich sicherlich die Tendenz zu Gehirnschädigungen ablesen läßt (vgl.auch Märtens, P. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S. 196).

Faßt man die Wirkung von Ecstasy im zentralen Nervensystem zusammen, läßt sich folgendes festhalten:
Ecstasy-Konsum führt zu einer starken Erhöhung der Serotoninfreisetzung, was Veränderungen im Verhalten, den vegetativen Funktionen und der kognitiven Leistungsfähigkeiten bewirkt. Unter ungünstigen Bedingungen können diese Wirkungen letal sein. Langfristige toxische Auswirkungen durch den Konsum gelten als gesichert (Verminderung der Serotonin-Konzentration, Degeneration serotonerger Fasern im Gehirn). Durch chronischen Gebrauch von Ecstasy kann es- aufgrund des Serotoninmangels- zu Verhaltenveränderung in Form von Depressionen und Angstzuständen kommen (s.u.).

„Qualitativ ist Ecstasy-Konsum mit einem großen Risiko verbunden, welches sich aber aufgrund mangelnder längerfristiger Untersuchungsergebnisse quantitativ nicht definitiv festmachen läßt."
(Lohmann, Dr. H., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 1997).

Auswirkungen in psychischer Hinsicht
In den letzten Jahren wurde in der wissenschaftlichen Literatur immer häufiger über UserInnen geschrieben, die im Zusammenhang mit Ecstasy psychiatrisch erkrankten. Auch gehen immer wieder Meldungen über solche Erkrankungen durch die Tagespresse:
„Dr.Ulricke Ullrich, Leiterin des sozialpsychiatrischen Dienstes beim Gesundheitsamt, registrierte allein in den ersten vier Wochen des neuen Jahres vier Fälle mit psychiotischen Krankheitsbildern, die eine Behandlung im Aplerbecker Landeskrankenhaus notwendig machten"
(vgl. Ruhr-Nachrichten v. 21.02.97).
Die direkten Kausalzusammenhänge sind allerdings selten bis nie eindeutig gesichert, da in fast allen Fällen zusätzlich zu MDMA auch andere Drogen konsumiert wurden. Auf jeden Fall muß zwischen akut auftretenden psychiatrischen Komplikationen, die mit dem Nachlassen der Rauschwirkung wieder weggehen, und anhaltenden psychiatrischen Folgeerkrankungen unterschieden werden. Die am häufigsten erwähnten anhaltenden Folgeerkrankungen sind atypische und paranoide Psychosen. Zu den atypischen Psychosen gehören Störungen wie Affektverflachung und Kontakt - bzw. Denkstörungen, zu den paranoiden zählt man Verfolgungs - und Beziehungswahn. Diese Psychosen können entweder spontan ausheilen oder sie chronifizieren. Des weiteren wurden depressive Symptome, Panikstörungen, Depersonalisationssyndrome und unterschiedliche Verhaltensauffälligkeiten wie unangemessener Leichtsinn oder Selbstüberschätzung beobachtet.

Ein wesentlicher Faktor bei diesen Erkrankungen ist nach heutigem Kenntnisstand die jemals konsumierte Menge an Reinsubstanz, welche man als kumulative MDMA-Gesamtdosis bezeichnet. Außerdem weisen fast alle psychiatrisch erkrankten Personen zyklische Gebrauchsmuster auf, d.h. der Gebrauch von Ecstasy fand schon über einen längeren Zeitraum mit festen Intervallen, meist von Wochenende zu Wochenende, statt. „Fast ausnahmslos hatten sie [ Personen, bei denen psychiatrische Komplikationen auftraten, d. Verf.] eine kumulative Gesamtdosis von 40-50 Tabletten (...) eingenommen. Berichte über Patienten, bei denen sich bereits nach erstmaliger Einnahme von MDMA psychiatrische Komplikationen herstellten, sind die Ausnahme."
(Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.52).

Eine psychiatrische Erkrankung wird außerdem noch von anderen Faktoren begünstigt. Zu nennen sind hier eine fortwährende Tendenz zur Überdosierung sowie eine schon vorher bestehende Vulnerabilität (Anfälligkeit) für psychische Störungen. Für die Theorie der Vulnerabilität spricht, daß sowohl in der Biographie als auch bei engen Familienangehörigen Hinweise auf psychiatrische Erkrankungen vorkamen (vgl. Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.52). Allerdings ist die Vulnerabilität keine notwendige Bedingung für eventuelle Komplikationen; es liegen Berichte über UserInnen vor, bei denen sich Komplikationen auch ohne dazu bestehende Neigung entwickelt haben.

Eine weitere offene Frage ist die nach der Bedeutung und Auswirkung von gleichzeitigem Beigebrauch anderer Rauschmittel. Während z.B. manche Wissenschaftler davon ausgehen, daß der Cannabiskonsum die Gefahr einer psychotischen Folgewirkung birgt, fanden die Autoren des Buches „XTC und XXL" in ihrer „Gesamtsicht keine Anhaltspunkte für diese Hypothese (vgl.Thomasius, R. in Rabes, M / Harm, W., 1997, S.52).

Wenn sich bei Personen, die Ecstasy über einen längeren Zeitraum und in nicht geringen Mengen konsumieren, psychiatrische Komplikationen zeigen, dann passiert dies infolge eines komplexen dynamischen Prozesses. Hier wäre zu einfach, ein normales Ursache-Wirkung-Konzept anzusetzen, und den Ecstasy-Konsum losgelöst von dem sozialen Umfeld der jeweiligen Person zu sehen. Die Gruppe der Ecstasy-Benutzer ist keineswegs homogen. Eine psychische Komplikation sollte also nicht nur in Hinblick auf einen eventuellen E-Mißbrauch untersucht, sondern auch unter Berücksichtigung des sozialen Kontextes gesehen werden (vgl. Thomasius, R. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.52).

2.1.5 Suchtpotential von MDMA

Der Begriff der Sucht ist ein weites Feld. Fast jeder Mensch hat eine unterschiedliche Auffassung davon, und so verschieden sind auch die Definitionen dazu. Eine Definition soll hier im Vorfeld dieses Kapitels vorangestellt werden. Der DSM-3-R (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) verwendet anstatt des Begiffes "Sucht" „Abhängigkeit". Eine Substanzabhängigkeit wird hier wie folgt beschrieben:
„ (...) ein Komplex kognitiver, verhaltensspezifischer und körperlicher Symptome, die eine herabgesetzte Kontrolle über den Gebrauch psychotroper Substanzen (Mittel, die das zentrale Nervensystem beeinflußen) anzeigen und auf einen fortgesetzten Mißbrauch der Substanz trotz negativer Auswirkungen hinweisen" (ebd., 1991, S.212).

Normalerweise werden die Begriffe „Sucht" und „Abhängigkeit" für ein und denselben Zustand gebraucht. Allerdings muß beachtet werden, daß sie nicht ein und dasselbe sind. Während eine Abhängigkeit von bestimmten Sachen, Dingen oder Personen (Motorrad, Musik, Fernsehserien, Lebenspartner) durchaus normal ist, verhält es sich mit der Sucht anders. Nach Scheerer ist Sucht „...per definitionem am Extrem angesiedelt. Wenn eine Abhängigkeit schwächer wird, bleibt sie immer noch Abhängigkeit. Doch wenn eine Sucht schwächer wird, verliert sie ihren Charakter als Sucht und verschwindet im Meer der Abhängigkeiten (ebenda, 1995, S.31).

Innerhalb der Abhängigkeit muß zwischen der körperlichen und der seelischen unterschieden werden. Körperliche Abhängigkeit zeichnet sich durch Entzugserscheinungen mit physischen und psychischen Symptomen nach Absetzen der Droge aus. Der Körper reagiert auf das Ausbleiben der speziellen Substanz mit Zittern, Übelkeit oder Schweißausbrüchen, daher kann körperliche Abhängigkeit auch medizinisch festgestellt werden (EEG, EKG). Des weiteren entwickelt sich eine pharmakologische Toleranz, die einen ständigen Zwang zur Dosissteigerung zur Folge hat.

Psychische Abhängigkeit hingegen zeichnet sich durch sehr, sehr starkes, manchmal unwiderstehliches Verlangen nach ständiger oder periodischer Einnahme der speziellen Substanz aus. Das Verlangen ist darauf gerichtet, sich ein mit der Droge verbundenes Lustgefühl zu verschaffen, oder ein ohne die Droge auftretendes Mißgefühl zu vertreiben. Laut der MDMA-Forscherin C. Weigle lassen sich in der medizinischen Literatur keine Hinweise darauf finden, daß der Konsum von Ecstasy eine physische Abhängigkeit zur Folge hat. Dies wird dadurch begründet, daß sich weder eine Dosiserhöhung noch Entzugserscheinungen feststellen lassen. Bei chronischem Gebrauch von MDMA ohne ausreichende Pausen dazwischen nehmen die positiven, erwünschten Wirkungen der Droge ab, während die negativen, unerwünschten zunehmen. Obwohl es zu keinen Entzugserscheinungen kommt, kann bei übermäßigem Konsum eine Toleranz gegenüber MDMA auftreten Toleranzentwicklung heißt, daß sich der Körper an eine Substanz gewöhnt und zur Erzielung der gleichen Wirkung eine höhere Dosis benötigt wird. Der niederländische Ecstasy-Forscher A. De Loor geht daher davon aus, daß bei kontrollierten Benutzern gegen diese Toleranzentwicklung und die damit einhergehende Dosiserhöhung eine „eingebaute Sperre" im Gebrauch von Ecstasy vorhanden sei. Wenn ein Gebraucher aufgrund zu hoher Frequenz der Einnahme oder zu hoher Dosierung keine angenehmen Erfahrungen mehr macht und stattdessen die negativen Nebenwirkungen wie das „sich ausgezehrt-Fühlen" in den Vordergrund treten, stellen sie seiner Meinung nach den Konsum für eine gewise Zeit ein.

„In der Regel, d.h. bei Leuten, welche die volle MDMA-Wirkung haben wollen, wirkt die eingebaute Sperre. Durch den Aufbau einer pharmakologischen Toleranz dauert es Tage, bis die spezifische Wirkung von MDMA wieder auftritt, und man muß einige Wochen warten, bis die erstmalige optimale Wirkung wieder erreichbar ist."
(Schroers, A., 1996, S.36).

Für User, die die empfohlenen Regenerationsphasen nicht einhalten und lediglich den energetisierenden Effekt von Ecstasy nutzen wollen, nimmt dieser Regulations- und Schutzmechanismus keine Bedeutung ein. Diese User könnten statt MDMA genausogut Speed konsumieren, da bei einer hochfrequenten Einnahme die empathischen Effekte verschwinden. Wenn Konsumenten allerdings dazu übergehen, die früher als gut erlebten Wirkungen, die aufgrund einer Toleranzentwicklung nicht mehr in der gewünschten Form auftreten, durch Dosissteigerung oder Beikonsum von anderen Drogen wieder zu bekommen, kann dies durchaus ein Hinweis auf eine bestehende psychische Abhängigkeit von Ecstasy oder den anderen Drogen sein.
Eine eventuelle psychische Abhängigkeit ist meiner Meinung nach ein schwerwiegenderes als die physische. Körperliche Entzugserscheinungen sind in den meisten Fällen nach ca.zwei Wochen überwunden (z.B. Heroin), während eine psychische Abhängigkeit von ihrer Anlage her komplexer ist. Gerade bei einer Droge wie Ecstasy, die einen Menschen frei und unbefangen mit seinen Gefühlen umgehen läßt, einen anspornt und immer wieder zu geistigen oder emotionalen „Höhenflügen" verhelfen kann, ist es für den langfristigen Gebraucher schwierig, seinen Drogenkonsum objektiv zu betrachten und zu bewerten. Doch gerade dies ist für ihn wichtig, da er nur so erkennen und realisieren kann, welche Bedürfnisse er durch seinen Konsum befriedigt, und wie er es schaffen kann, diese auch ohne die Einnahme von Ecstasy zu befriedigen.
„Dabei besteht das Problem, daß es zunächst einfacher erscheint, Gefühle z.B. mit einer Pille hervorzubringen oder zu beseitigen als sich damit auseinanderzusetzen."
(Wirth, N., 1996, S.22).

Ich denke, daß man bei der Beantwortung der Frage des Suchtpotentials von Ecstasy wichtige Faktoren beachten muß. Zum einen die Frage, von welcher Konsumentengruppe die Droge gebraucht wird und zum anderen zu welchem Zweck sie eingesetzt wird. Von vielen Leuten wird Ecstasy benutzt, um im Freundeskreis zu Hause oder in der Natur ein bereits vorhandenes Gefühl des Vertrauens oder von Nähe untereinander noch zu verstärken, tiefgehende Gespräche zu führen, oder ein schönes und nicht alltägliches Erlebnis zu teilen. Bei dieser Art des Gebrauchs wird die Droge als Katalysator verwendet. Zu dieser Form des kontrollierten Gebrauchs sind auch Leute zu zählen, die MDMA verwenden, um einen tiefergehenden Einblick in ihre Emotionen zu bekommen. Hier ist das Mißbrauchspotential eher gering, wie es auch die Studie von Beck aus dem Jahr 1990 belegt, in der eine soziologische Untersuchung über MDMA-Konsumenten zusammengefaßt wird:
"Deshalb kommt auch diese Studie zu dem Ergebnis, daß MDMA ein relativ geringes Mißbrauchspotential besitzt. Unter der derzeitigen MDMA-Population ist es sehr selten, daß jemand auf Dauer einen problematischen und mißbräuchlichen Gebrauch von MDMA beibehält." (Weigle, C., 1992, S.25).

Demgegenüber stellen Raver eine spezielle Gruppe unter den Ecstasy-Konsumenten dar, da der Gebrauch von Ecstasy hier in das gesamte Erlebnis einer Techno-Party, mit allem, was dazu gehört (laute Musik, Lichter, Menschen) eingebettet ist. Das Tanzen und die Wirkung der Droge werden zusammen als eine Einheit empfunden, so daß es schwierig bis unmöglich erscheint, diese Dinge getrennt voneinander zu betrachten. Für viele Raver ist der Besuch einer Party mit dem gleichzeitigen Konsum und Genuß von Ecstasy so sehr zur Gewohnheit geworden, daß sie die sich zwangsläufig einstellenden Nebenwirkungen wie Niedergeschlagenheit und Schlappheit zu Wochenbeginn billigend in Kauf nehmen. Bei dieser Form des Gebrauchs ist auch die Wahrscheinlichkeit des Ausweichens oder Beigebrauchs anderer Drogen sehr hoch. In diesem Verhalten kann man eine starke Tendenz zur psychischen Abhängigkeit erkennen, obwohl es aber keine reine Ecstasy-Abhängigkeit ist, sondern vielmehr eine „Party-und Erlebnisabhängigkeit" in starkem Zusammenhang mit Ecstasy.

„Wenn du Ecstasy an einer Party nimmst, ist es untrennbar verbunden mit dem Groove, der Stimmung und der Musik, sagt Valerie. Süchtig mache nicht Ecstasy, sondern der Rhythmus: Du willst die Party am Samstag haben, du willst die Droge, die Musik das Licht, die Leute, die Stimmung - alles zusammen macht süchtig."
(Saunders, N., 1994, S.272)

Reiner Domes von Eve & Rave geht davon aus, daß es in der Techno-Szene um Party- und Erlebnissucht geht, wobei dahinter allerdings das Gefühl stehe, ohne die Drogen nicht mehr „richtig" feiern zu können oder aber adäquaten Spaß zu haben. Außerdem wird von vielen Ecstasy konsumierenden Partygängern berichtet, daß die Diskrepanz zwischen euphorischem und exzessivem Partyleben und trister Alltagswelt nur schwerlich auszuhalten sei (vgl. Schroers, A., 1996, S.36).

2.2 Ecstasy und damit in Verbindung gebrachte Todesfälle

Immer wieder geistern Berichte von an den Folgen des Ecstasy-Konsums verstorbenen Personen durch die Tagespresse. Die meisten dieser in der Regel überzogenen Darstellungen überzeugen weniger durch fachliche Kompetenz als vielmehr durch ihre Panikmache . So wird eine notwendige sachliche Diskussion unnötig erschwert. In diesem Kapitel soll ausgehend von einigen Beispielen dieser „Pressearbeit" der Frage nachgegangen werden, welchen Einfluß Ecstasy auf die Verstorbenen hatte.
„Sie sehen ganz harmlos aus, aber schon eine Ecstasy-Pille kann tödlich sein." (Zeitschrift TV-NEU, 16.04.1996, S.6)

  • „Ecstasy - Russisches Roulette, Selbstmorde, Unfalltote, Vergiftungen- die schicke Partydroge hat tragische Folgen." (Zeitschrift FOCUS, 42/1995)
  • „Ecstasy - So gefährlich ist die Wochenend-Droge...Ja, E ist ein Killer." ( BILD-Zeitung, 18.01.1997)
  • „Ecstasy - Berlins erster Toter." ( BILD-Zeitung, 26.05.1995 )

In der wissenschaftlichen Literatur der Jahre 1989-1995 sind mindestens 53 Fälle über ernsthafte medizinische Komplikationen infolge eines MDMA-Gebrauchs veröffentlicht worden, in mindestens 14 Fällen mit tödlichem Ausgang (vgl. Thomasius, R., in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.54). Die am häufigsten vorkommende Komplikation ist eine Störung der Körpertemperaturregelung. Dies wird neben dem Einfluß von MDMA auf den Körperstoffwechsel mit den langen Aufenthalten der Konsumenten in überhitzten und schlecht belüfteten Clubs, dem erhöhten Flüssigkeitsverlust sowie unzureichender Flüpssigkeitszufuhr in Verbindung gebracht. Sehr oft wird die Temperaturerhöhung von einer Blutgerinnungsstörung begleitet, die sich in Magenblutungen äußert. Das gleichzeitige Auftreten dieser beiden Komplikationen wird in mindestens zehn Fällen beschrieben, wovon vier Fälle tödlich verliefen. Allerdings ist das Krankheitsbild relativ unabhängig von der eingenommenen Dosis, der nachgewiesene MDMA-Spiegel variierte bei den Patienten recht stark (vgl. Thomasius, R., in Rabes, M. / Harm, W. 1997, S.54).

Auch Kreislaufdysregulationen werden häufig im Zusammenhang mit Ecstasy erwähnt, obwohl es sich in den meisten Fällen um keine lebensbedrohlichen Kreislaufzusammenbrüche handelt. In drei Fallbeschreibungen ist über einen Herztod nach Ecstasy-Konsum berichtet worden. Natürlich ist es heute sehr schwierig zu sagen, zu welchen Anteilen die konsumierte(n) Droge(n) Anteil daran hatte(n).
Nach Schroers wurde bei einer der Personen eine bereits vorher bestandene Verletzung der Koronar-Arterie festgestellt.
"Die Einnahme der Pille brachte bei dieser Vorerkrankung sozusagen das Faß zum Überlaufen."
(Schroers, A., 1996, S.23)

In zwei weiteren Fällen hatten die Personen zusätzlich zum Ecstasy-Konsum extrem viel Alkohol getrunken. Herzprobleme im Zusammenhang mit Ecstasy treten vor allem bei bereits vorhandenen Schädigungen dieses Organs auf. In solchen Fällen ist von einem Ecstasy-Konsum unbedingt abzuraten. Der Tod einer Person, die sowohl MDEA als auch MDMA konsumiert hatte, und daraufhin an akutem Asthma verstarb, ist laut Fromberg darauf zurückzuführen, daß diese Asthmaerkrankung nicht gut genug behandelt wurde. Begünstigt werden können solche Komplikationen durch die Tatsache, daß MDEA in hoher Dosis die Bronchialmuskulatur erschlaffen läßt. So vermuten Dowling und andere Autoren, die über diesen Fall geschrieben haben, „daß eine Herzarythmie durch Atemdepression den Asthmaanfall verstärkt hat und somit zum Tode führte."
(A. Schroers, 1996, S.23).

Es werden auch Unfälle im Straßenverkehr mit Ecstasy in Verbindung gebracht:
„An den langen Wochenenden fahren die Fans im Techno-Fieber von einer Kult-Disco zur nächsten (...) Fehleinschätzung der eigenen mentalen oder körperlichen Leistungsfähigkeit und vermindertes Kritikvermögen provozieren einen Fahrstil mit Fahrfehlern beim Führen eines Kraftfahrzeuges."
(vgl. DIE WELT, 22.08.1996).

Ob bei diesen Unfällen Alkohol eine Rolle spielte, wird leider seltenst erwähnt. Ein in diesem Zusammenhang ungünstiger Einflußfaktor ist die Tatsache, daß die Raver in den frühen Morgenstunden, in denen die meisten dieser Unfälle passierten, oftmals schlichtweg übermüdet sind, was sich natürlich negativ auf die Fahrtüchtigkeit auswirkt. Einer aktiven Teilnahme am Straßenverkehr ist nach Ecstasy-Konsum natürlich absolut abzuraten, aber die passierten Unfälle sollten doch näher beleuchtet werden.
Die Meldung von „Berlins erstem Ecstasy-Toten", die einen Monat lang für große Aufregung gesorgt und einen Medienrummel ausgelöst hatte, wird in einem Bericht der Tageszeitung vom 24./25.06.1995 relativiert. Der verstorbene Andreas S. war bis ein Jahr vor seinem Tod Leistungssportler und hörte dann sehr abrupt mit dem Schwimmen auf, ohne seinen Körper langsam abzutrainieren, wie es in so einem Fall notwendig gewesen wäre. Daraus resultierten eine Herzschwäche sowie Kreislaufprobleme, mit denen der Tote auch schon vor dem Ecstasy-Konsum Probleme hatte. „...Andreas klagte häufiger über Kreislaufprobleme und Schwindelanfälle..."(TAZ, 24./ 25.06.1995).

Durch solche schlecht recherchierten Pressenachrichten lassen sich auch immer wieder Politiker zu unreflektierten Aussagen hinreißen, die eine neutrale Diskussion der Thematik unnötig erschweren:
„Die Senats-Drogenbeauftragte Elfriede Koller hielt es damals sogar für erwiesen, daß Ecstasy so gefährlich sei wie Heroin oder Kokain. Von Hardlinern der Drogenpolitik wurde gefordert, das „Legalisierungsgefasel über sogenannte weiche Drogen" nun endlich zu beenden."
( TAZ, 24. / 25.06.1995).

Zusammenfassend läßt sich zur Thematik von Krankheits-und Todesfällen mit Ecstasy sagen, daß die jeweils individuellen Begleitumstände genau durchleuchtet werden sollten, damit keine voreiligen und falschen Schlußfolgerungen gezogen werden. Mit der Einnahme von Ecstasy sind gewiß auch körperliche Risiken verbunden, doch gibt es wenig aufgezeichnete Fälle von Erkrankungen durch die Droge, die ganz allein auf sie zurüchzuführen sind. Die eingenommene MDMA-Dosis scheint eine geringere Bedeutung zu haben als die individuelle Vulnerabilität (vorbestehende körperliche Grunderkrankungen, bereits bestehende Anfälligkeit für psychiatrische Komplikationen, Allgemeinverfassung und Ernährungszustand, eventueller Mischkonsum usw). Ein weiteres Problem ist, daß sich der bisherige Kenntnistand auf Kasuistiken bezieht. Es ist nicht möglich, diese Ergebnisse auf alle MDMA-Gebraucher zu übertragen. Es besteht bisher noch ein großes Defizit an großangelegten Studien über Suchtverläufe und gesundheitsschädigende Verhaltens-und Persönlichkeitsmerkmale. Hier wird die Forschung in den nächsten Jahren einen wichtigen Beitrag zu leisten haben. Deutlich wird allerdings die Bedeutung und Notwendigkeit der sog. „Safer-use"-Regeln, auf die jeder verantwortungsbewußte User Wert legen sollte.

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3. Gängige Party - und Designerdrogen

Zwar ist dies eine Ausarbeitung zum Thema Ecstasy, doch der Mischkonsum mit anderen Drogen oder Substanzen, auf den an späterer Stelle noch eingegangen wird, nimmt immer mehr zu. Deshalb erscheint es mir sinnvoll und notwendig, einen kurzen Überblick über die am meisten konsumierten anderen Drogen und die Auswirkungen des gleichzeitigen Konsums von Ecstasy zu geben.

Amphetamine / Speed
In ihren pharmakologischen Wirkungen gleichen Amphetamine dem körpereigenen Stoff Noradrenalin. Estmals synthetisiert wurde Amphetamin 1887 von dem Chemiker Edelano und in verschiedenen Inhalationspräparaten zur Schnupfenbehandlung benutzt. Amphetamine stoßen derzeit auf eine außerordentliche gesellschaftliche Akzeptanz, werden dementsprechend häufig konsumiert und sind in Europa die wichtigsten Grundstoffe für die Produktion von Designerdrogen.
Zumeist werden sie als Tabletten, Kapseln und vor allem in Form von weißem Pulver verkauft (vgl. Wilkens, W., 1995, S.42).

Amphetamine und Metamphetamine (1934 erstmalig deriviert, im Wirkungspotential stärker als Amphetamine) wirken sich leistungssteigernd aus und fördern Wohlbefinden, Zufriedenheit und Gelassenheit. Sie steigern das Selbstvertrauen, die Motivation sowie die Leistungsfähigkeit. Das Hungergefühl fällt fast gänzlich weg und das Schlafbedürfnis wird vehement reduziert. Unangenehme Nebenwirkungen sind bei höherer Dosierung Unruhe, Nervosität, Gereiztheit sowie auf körperlicher Ebene hoher Blutdruck und eine stark erhöhte Herzfrequenz. Die Wirkung hält bis zu 15 Stunden und länger an und wird von Müdigkeit, Erschöpfung und „Katerstimmung" abgelöst. Speed gehört zur Gruppe der Amphetaminderivate, genauer zur Untergruppe der Phenylethylamine, deren Stammsubstanz der vom Meskalin bekannte Wirkstoff Trimetholxyphenyl ist. Es läßt sich verhältnismäßig einfach herstellen.

„Aus legal käuflichen Chemikalien für ca.450,- DM läßt sich in einem entsprechenden Labor innerhalb von zehn Stunden ein kg Metamphetamin mit einem Wert von ca.150000,- DM produzieren."
(Wilkens, W., 1995, S.45).
Die Zusammensetzung von Speed sieht in der Regel folgendermaßen aus:

  • 25% Metamphetamin
  • 15% Amphetamin
  • 15% Ephedrin
  • 15% Koffein
  • 30% Verschnittstoffe (Milch - und Waschpulver)

Von seiner Wirkung her ist Speed dem Kokain ähnlich, deshalb wird es oft dann konsumiert, wenn kein Kokain verfügbar ist. Außerdem ist Speed bei längerer Wirkungsdauer wesentlich billiger ( Ein Gramm kostet zwischen 20,- und 40,-DM) und leichter zu besorgen. Dies hat zur Folge, daß es sehr weit verbreitet ist und in der Techno-Szene neben Ecstasy die größte Akzeptanz erfährt. Der Dauerkonsum führt zum körperlichen Zerfall, Immunschwäche, Infektionsanfälligkeit und einem allgemeinen Gefühl des „Ausgebrannt-Seins", sowohl physisch als auch psychisch. Im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Unfähigkeit zum Schlafen nach Speed-Konsum kommt es häugig zu einer Polytoxikomanie, da von den UserInnen dann häufig Beruhigungs-und Betäubungsmittel eingenommen werden, um schließlich doch schlafen zu können.

LSD
Lysergsäure-Diäthylamid (LSD) wurde 1938 vom Chemiker Albert Hoffmann entdeckt. Die starke halluzinogene Wirkung entdeckte er aber erst 1943, als er LSD in einem Selbstversuch testete. Allerdings wußte er zu diesem Zeitpunkt noch nichts vom enormen Wirkungspotential dieser Droge, so daß er die ca. 20-fache Menge der normalerweise für einen Rausch benötigten Menge konsumierte und ein sehr schweres und intensives Rauscherlebnis hatte. Für einen Rausch benötigt man lediglich 100 Mikrogramm, das sind nur 0,1 Milligramm, so daß ein Gramm LSD ausreichen würde, um „...jeden Menschen einer kleinen Stadt mit 100.000 Einwohnern auf eine „LSD-Reise" zu schicken." (vgl. Schmidbauer / Scheidt, 1987 , S.217).

LSD gehört zur Gruppe der Indol-Tryptamin-Derivate, und es besteht eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem weiter oben beschriebenen Serotonin. Heutzutage ist es meistens in Form von Pappen und Löschpapier, auf die die Lösung geträufelt wurde, oder als kleine Gelatineecken, den sog. "Micros" erhältlich.

Akute Wirkungen des LSD-Trips sind erweiterte Pupillen, ansteigender Blutdruck sowie nicht vorhandenes Schlafbedürfnis. Als unangenehme Nebenwirkungen können Schwindelgefühle, Übelkeit oder Brechreiz auftreten. Das eigentliche Rauscherlebnis ist stark von der Dosierung und vor allem von der körperlichen und psychischen Verfassung des Konsumenten abhängig. Schlechte Laune, Niedergeschlagenheit oder gar Depressionen sind gerade bei LSD die denkbar schlechtesten Konsumvoraussetzungen, da hier die Gefahr eines „Horror-Trips" rapide ansteigt.

„Diese Horror-Trips gehen meist mit Panik, Todesängsten und Wahnvorstellungen einher. Auch Überdosierungen können zu „Horror-Trips" und psychotischen Episoden führen, wenn der Konsument dafür anfällig ist."
(Wilkens, W., 1995, S.37).

Wenn Set und Setting gut sind, beginnt sich die erwünschte Wirkung nach einer halben bis dreiviertel Stunde einzustellen. Die Farbwahrnehmung, die Perspektiven und das Körpergefühl beginnen sich zu verändern. Akustische und visuelle Sinneseindrücke werden stark intensiviert wahrgenommen, immer wieder wird von Konsumenten berichtet, daß sie unter dem Einfluß von LSD den Eindruck hatten, die Musik fühlen zu können. Teilweise kommt es auch zu Visionen oder Halluzinationen, In denen etwas ganz anders wahrgenommen wird, als es tatsächlich gesehen wird. Formen und Konturen lösen sich auf, beginnen ineinander überzugehen und zu zerfließen. Bei einem guten Rausch kann dies sehr anregend und unterhaltsam sein, bei einem schlechten wirkt es eher beunruhigend, und der Konsument wünscht sich, möglichst schnell wieder „normal" zu sein (vgl. Schmidbauer / Scheid, 1987, S.218).
„LSD ist zur Zeit zusammen mit Ecstasy und Speed der große Renner unter den Partydrogen".
( Wilkens, W., 1995, S.37).

Dies ist meiner Meinung nach insofern bedenklich, da es gerade beim LSD-Konsum bestimmte Regeln zu beachten gibt, die äußerst wichtig sind, aber gerade von unerfahrenen oder jungen Party-Besuchern oftmals vernachlässigt werden. So sind „set" und „setting" zwei ganz auschlaggebende Faktoren für die zu erwartende Wirkung jeder Droge im allgemeinen und ganz besonders bei LSD. Die Wichtigkeit dieser Faktoren wird oft unterschätzt, so daß es immer wieder zu Situationen kommt, wie sie u.a.von Lennart Grube, Mitarbeiter der DROBS in Hannover beschrieben werden:
„Da kommt ein 15 - jähriger (!) zu uns in den Bus [Die DROBS Hannover fährt mit einem umgebauten Bus zu Parties und bietet Gespräche und Tips zum Safer-Use an, Anm. d. Verf.] und sagt, er hätte seinen ersten Trip genommen, ihm ginge es sauschlecht und wann das denn endlich mal wieder aufhören würde."
(Eigenes Protokoll der Fachtagung „Ecstasy", 17.02.1997).

LSD ist eigentlich keine Partydroge, wie es auch das Safer-Use Info von Eve & Rave schreibt. Gerade aufgrund der möglicherweise auftretenden psychischen Nebenwirkungen sollte diese Droge (wenn überhaupt) in einer ruhigen, angenehmen Umgebung (Natur, zu Hause) genommen werden. Außerdem ist es sehr ratsam, daß beim Konsum eine Person zugegen ist, die sich mit Drogen auskennt, aber selber nüchtern bleibt, um in eventuellen Notfällen den Überblick behalten zu können oder einen beruhigenden Einfluß auf den Konsumenten auszuüben.

„LSD ist ein mega-heftiges Halluzinogen. Wenn man es schon nimmt, sollte man erstens ein gewisses Alter und somit ein bißchen Lebenserfahrung haben (...), und drittens ist es ratsam, Halluzinogene das erste Mal in einer Umgebung zu nehmen, die einem vertraut ist und einen nicht mit Abermillionen Impulsen und Signalen bombardiert. Ich denke da z.B. an eine Wiese o.ä.. Natürlich darf man so etwas auch nicht alleine machen bzw. Dabei allein gelassen werden."
(Märtens, P. in Rabes M./ Harm, W., 1997, S.185).

MDA
MDA wurde bereits 1910 von den beiden Deutschen G. Mannisch und W. Jacobson zum ersten mal synthetisiert, also zwei Jahre früher als MDMA. Eigentlich sollte es als Mittel gegen Husten und Grauen Star eingesetzt werden, kam aber nicht auf den legalen Arzneimittelmarkt. Um einen Effekt auf die menschliche Psyche zu erzielen, wird eine Wirkstoffmenge von 80 mg benötigt Charakteristisch für MDA ist die im Gegensatz zu MDMA stärkere halluzinogene Wirkung, weshalb sie von einigen Konsumenten bevorzugt wird. Von anderen Konsumenten hingegen wird die Wirkung als „weniger warm" und „amphetaminähnlicher" beschrieben (vgl. Wilkens, W., 1995, S.55).

„Antriebssteigerung, Umtriebigkeit und innere Unruhe sollen bei MDA vergleichsweise mehr im Vordergrund stehen."
(Nowoczyn, K., 1997, S.26).
In Tierversuchen hat sich herausgestellt, daß MDA neurotoxischer ist als MDMA. Des weiteren besteht keine Kreuztoleranz zwischen diesen beiden Drogen, „daß heißt, wenn man gegen eine der beiden Substanzen durch zu häufigen Gebrauch eine Toleranz entwickelt hat, spürt man trotzdem noch die Wirkung der anderen."
(Wirth, N., 1996, S.27)

MDE (MDEA)
Auch MDEA ist eine dem MDMA in der chemischen Struktur verwandte Droge. Nachdem MDMA verboten worden war, erschien sie zum ersten Mal auf dem Markt, was sie als eine echte Designerdroge ausweist. MDE und MDEA wurden in Deutschland im Januar 1991, in den Niederlanden erst 2 ½ Jahre später in das BtMG aufgenommen. Die Wirkungsdauer von MDEA ist etwas kürzer als die des MDMA, sie beträgt etwa 2 bis 3 Stunden bei einer benötigten Wirkstoffmenge von 100 bis 150 mg.
Physische und psychische Effekte ähneln denen von Ecstasy, „jedoch sollen MDEA teilweise die „kommunikativen", emotional „öffnenden" Wirkungen fehlen und die beruhigenden Anteile der Drogenwirkung stärker ausgeprägt sein."
(Nowoczyn, K., 1997, S.27).

Auch zwischen MDEA und MDMA besteht keine Kreuztoleranz. Die bei Tierversuchen nachgewiesenen Gehirnschädigungen konnten bei MDEA bisher nicht gefunden werden, „obwohl die beispielsweise in einer Studie verabreichte Dosis einer Drogeneinnahme von einmalig 3,2 kg bei einem durchschnittlichen Erwachsenen entsprochen hätte." (Nowoczyn, K., 1997, S.28)

3.1 Auswirkungen von Mischkonsum

Ohne Zweifel ist Ecstasy die beliebteste Droge der Konsumenten auf Techno-Parties, weil es zum einen das Harmoniegefühl der Leute untereinander stärkt und zum anderen die zum langen Tanzen notwendige Leistungsfähigkeit gibt. Die gemessen an der Zahl der Gebraucher und konsumierten Pillen vergleichsweise wenigen schweren Zwischenfälle mit Ecstasy bestätigen sowohl die relativ geringe Toxität der Stoffe als auch den recht verantwortungsvollen Umgang der Konsumenten mit der Droge. Allerdings zeichnet sich eine zunehmende Tendenz zu einem ansteigenden Mischkonsum immer deutlicher ab, sei es um der Toleranzentwicklung gegenüber MDMA entgegenzuwirken oder sich auf der Suche nach neuen, heftigeren „Kicks" weiterer Substanzen und Stoffen zu bedienen (vgl. Wardle, 1995, S.84). War zum Beispiel Alkohol eine lange Zeit unter den Partybesuchern verpönt, wird die Techno-Szene in letzter Zeit mit alkoholhaltigen Getränken im wahrsten Sinne des Wortes überschwemmt. Bei Drogenkombinationen kann es zur Addierung oder sogar Potenzierung der verschiedenen Einzelwirkungen kommen, was den Körper zusätzlich belastet.
„Mischkonsum ist grundsätzlich sehr kritisch zu betrachten, da sich die Risiken und gegenseitigen Reaktionsweisen nicht abschätzen lassen, wenn verschiedene, oft verunreinigte Drogen im Körper miteinander kämpfen."
(Wirth, N., 1996, S.28).
Drogenkombinationen bergen ein nicht absehbares Gefahrenpotential, welches gleichzeitig die Ursache der meisten Todesfälle im Zusammenhang mit Techno-Parties war. In diesem Kapitel soll auf die Gefahren der verschiedenen Drogenkombinationen eingegangen werden.

Ecstasy und Speed
Neben dem Beigebrauch von Alkohol ist diese Kombination die wohl am häufigsten vorkommende. Besonders Leute, denen die aufputschende Wirkung von Ecstasy nicht ausreicht, nehmen gerne „ein paar Näschen" nebenher. Vor allem wenn sich aufgrund einer Toleranzentwicklung die entaktogenen Wirkungen von Ecstasy nicht mehr einstellen, wird schnell zu dem Amphetaminderivat gegriffen. Ein weiterer Grund für den ansteigenden Speed-Konsum ist die Tatsache, daß hier der aufputschende Effekt erhalten bleibt, wenn der Konsument entsprechend der entwickelten Toleranz die Dosis erhöht. Es besteht also keine „eingebaute Sperre" wie beim MDMA, die den Gebraucher durch das Nicht-mehr-Eintreten der Wirkung vor zu häufigem Gebrauch schützt.
Die Kombination dieser beiden Substanzen ist deshalb so problematisch, weil sich die Effekte im Körper potenzieren, wodurch der Organismus stark belastet. Wird. Die Schwelle zur Überdosierung wird schnell erreicht, so daß die körperlichen Begleiterscheinungen (Herzrasen, Kollaps) ebenso schnell auftreten können. Die Meinungen über die psychische Wirkung dieser Kombination sind geteilt:

„Einige KonsumentInnen behaupten, mit Speed halte die Ecstasy-Erfahrung länger an, andere berichten, daß die feine, einfühlsame Wirkung von Ecstasy hierdurch verlorenginge."
(Schroers, A., 1996, S. 29)
Ecstasy und Alkohol
Wie schon weiter oben gesagt, war der gleichzeitge Genuß von Alkohol zusammen mit Ecstasy lange Zeit verpönt. Alkohol galt als „Spießer- und Pennerdroge" und wurde kaum konsumiert. Diese Grundeinstellung hat sich in letzter Zeit deutlich geändert, der Alkoholkonsum nimmt zu. U.a. haben auch trickreiche Werbestrategien, die genau auf die finanzkräftigen 18-25-jährigen Besucher von Techno-Parties gemünzt waren, zu diesem Umschwung geführt (vgl. Rabes, M., 1995, S.18). Da der Alkoholindustrie deutlich wurde, daß bei diesen finanzkräftigen, potentiellen Kunden (noch) kein Geschäft zu machen war, mußten sie für Alkohol ein neues Image finden, das zu der leistungsorientierten Zielgruppe paßte. Ergebnis solcher Überlegungen sind immer mehr alkoholische Getränke, die angefangen beim Design (keine langweilige Bier-oder altbekannte Schnapsflaschenform, sondern futuristisch oder medizinisch anmutende Flaschendesigns) bis hin zu den Inhaltsstoffen (neben Alkohol z.B. Guarana oder Vitaminkombinationen) schamlos auf die Techno-Generation zugeschnitten sind.
"Die Werbebotschaft lautet also: Ihr könnt Alkohol trinken und trotzdem fit / wach bleiben."
(Wirth, N., 1996, S.30)
Psychisch gesehen kann diese Kombination schnell zu Übermut und Selbstüberschätzung führen. Auch werden Hemmungen schneller abgebaut, so daß der Konsument Gefahr läuft, Vernunftsüberlegungen (...ich hab`doch schon zwei Pillen geschmissen, aber egal...) in den Hintergrund zu stellen. Außerdem belastet hoher Alkoholkonsum Leber und Nieren und trocknet den Körper aus. Gerade dies ist ein problematischer Punkt, da schon alleiniger Ecstasy-Konsum zu einem Dehydrierungseffekt führen kann. Dieser kann schnell durch Alkoholkonsum beschleunigt, bzw.verstärkt werden.
Da MDMA auch die Temperaturregelung des Körpers beeinträchtigt, erhöht diese Mischung ebenso die Gefahr einer Hyperthermie. Ebenso sind die Nachwirkungen eines Ecstsy-Rausches größer, wenn Alkohol konsumiert wurde. Kater und Müdigkeit werden am nächsten Tag als stärker empfunden.

Ecstasy und LSD
Nach Saunders sorgt MDMA, vor der Einnahme eines LSD-Trips, für eine positive Einstimmung auf denselben. So könne man die Ecstasy-Erfahrung auf das Doppelte der Zeit verlängern. Bei Heimkonsum hingegen wirke Ecstasy als Katalysator für LSD, da die psychedelische Wirkung gesteigert werde. Ich halte diesen Ansatz für etwas problematisch. Ausgehend von den Ausführungen über die Vorbedingungen („Set") des Konsumenten und von der Tatsache, daß LSD als Party-Droge nicht geeignet ist, sollte der Konsument, wenn er LSD auf einer Party nimmt, nicht vorher für eine gute Grundstimmung sorgen müssen, sondern sie einfach haben.
Da auch ein angenehmer LSD-Trip sowohl für die Psyche als auch für die Physis sehr anstrengend ist, und der Konsument meistens mehrere Tage benötigt, um die empfundenen Emotionen und Erfahrungen zu verarbeiten, sollten die beiden Drogen nicht unbedingt zusammen genommen werden. Ist sich ein Gebraucher seiner positiven Grundstimmung nicht sicher genug, sollte er lieber vom Konsum absehen.

Ecstasy und Cannabis
Cannabis (die Bezeichnung soll hier zusammenfassend für Marihuana und Haschisch benutzt werden) ist eine mild psychoaktive Droge, deren Wirkung vom darin enthaltenen THC (Tetra-Hydro-Cannabinol) verursacht wird. Das Wirkungsspektrum geht weit auseinander und wird von Konsumenten teilweise sehr unterschiedlich beschrieben. Dies liegt wohl hauptsächlich daran, daß eine tendenziell einheitliche Wirkung die Verstärkung der vorher bereits empfundenen Stimmung ist. Wenn ein Konsument niedergeschlagen oder traurig ist, so wird er sich nach Genuß eines Joints nicht plötzlich seines Lebens freuen. Unter Party-Besuchern ist der Konsum von Cannabis sehr weit verbreitet. Dies macht sich u.a. schon an der „Dampfwolke" fest, die man eigentlich in jedem Chill-Out - Raum beobachten kann:
„...wegen der dämpfenden Wirkung des THC wird Cannabis oft in der Chill-Out- Phase von Techno-Parties benutzt."
(Schroers, A., 1996, S.28).
Der gleichzeitige Konsum von Ecstasy und Cannabis scheint aufgrund der relativ milden Wirkungsweise des letzteren und der in den meisten Fällen positiven und entspannten Grundstimmung der Konsumenten weniger problematisch zu sein, als es an manchen Stellen behauptet wird (z.B.von Poelke, 1995, S.17). Nach Zurhold kann Cannabis in Zusammenhang mit Ecstasy aufgekommene Spannungsgefühle abmildern, allerdings kann auch genau das Gegenteil eintreten. Die Richtung der Co-Wirkung ist sehr stark abhängig von anderen Einflußfaktoren (Qualität des Cannabis, Erfahrung im Umgang damit usw.).
„Zwar haben sich tatsächlich einige Leute übers Kiffen beruhigen können aber gegenteilige Aussagen sind uns auch bekannt."
(Märtens, P. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.185)
Zusammenfassend kann man nichts Definitives über diese Mischung sagen. Einige Konsumenten vertragen sie gut und mögen es, um die ausklingende Phase der Ecstasy-Wirkung sanfter zu gestalten. Andere Konsumenten berichten von Spannungs-und Unsicherheitsgefühlen.

3.2 Unbeabsichtigter Mischkonsum

Es treten immer wieder Fälle auf, in denen Ecstasy-User Mischkonsum betreiben, ohne dies zu beabsichtigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein anderer Stoff als MDMA in konsumierten Pillen enthalten ist. Gründe für ein Vorkommen anderer Stoffe sind vielfältig. So ist MDEA bspw. leichter herzustellen als MDMA. Außerdem muß bei der Herstellung dieser Stoffe generell sehr sauber und genau gearbeitet werden, da ansonsten das Ergebnis stark vom gewünschten Stoff differieren kann. Sind die Fälle, in denen MDEA statt MDMA konsumiert wird, noch vergleichsweise harmlos, kann es bei unbeabsichtigten Konsum von z.B. Halluzinogenen zu ernsthaften Zwischenfällen kommen. Das Problem bei der gnzen Sache ist, daß man Ecstasy-Pillen einfach nicht ansehen kann, ob wirklich der mit „Ecstasy" beschriebene Wirkstoff MDMA enthalten ist. Um dieses Problem wenigstens ansatzweise zu lösen, führt die DROBS Hannover Pillentests durch, worauf aber an späterer Stelle noch eingegangen wird. Herausgestellt hat sich allerdings, daß nur in einem guten Drittel der analysierten Pillen reines MDMA enthalten war. Von 100 identifizierten Pillen, die zwischen April und Mai 1996 getestet wurden, enthielten 68% Entaktogene, 20% Amphetamine und 13% waren Placebos. Von 68% der identifizierten Entaktogene enthielten nur 24% reines MDMA. In !4% war MDEA und in 4% MBDB, eine relativ neue Designerdroge, die ähnlich wirkt wie Ecstasy. 58% der Pillen mit entaktogenen Substnzen waren ein Gemisch aus MDMA, MDEA und MBDB.

Gefährlich wird es, wenn den Pillen Stoffe wie DOB beigemischt sind. DOB ist ein äußerst potentes Halluzinogen, dessen Wirkungsdauer bis zu 30 Stunden andauern kann. Bemerkt ein Konsument eine solche Wirkung, sollte er schnellstmöglich nach Hause gehen und sich nicht scheuen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Glücklicherweise kommen solche Fälle vergleichsweise selten vor.

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4. Zur Illegalisierung von Ecstasy / MDMA und das BtMG

Die heutige Drogenverbotspolitik reicht in ihren Anfängen bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zurück. Schon zu dieser Zeit standen neben gesundheitlichen-moralischen Aspekten politisch-ökonomische Interessen verschiedener Staaten im Vordergrund der Verbots-und Kontrollpolitik von Opiaten. In den USA wurde 1914 der sog. "Harrison-Narcotics-Act" statuiert, mit dem zum ersten Mal der Besitz von Drogen unter Strafe gestellt wurde, womit eine Grundsteinlegung für die heutige Kriminalisierung von DrogengebraucherInnen gelegt wurde. Neben diversen Verträgen, die die Drogengesetzgebung verschärften, wurde 1961 in New York erstmals ein Vertrag beschlossen, der vier Listen mit Stoffen einführte, welche „Substanzen mit einer ernsten Gefahr für die Bevölkerung beinhalten und aufgrund ihrer Illegalität ! (die Stoffe waren vor ihrem Verbot noch nicht illegal) gefährlich seien."
(Schroers, A., 1996, S.38).

Nachdem sich in den USA eine u.a. durch Sensationsmeldungen und Horrorszenarien seitens der Presse ausgelöste Paranoia gegenüber LSD entwickelt hatte, wurden auf der UN-Konferenz über psychotrope Stoffe in Wien 1971 vier Listen mit Stoffen unterschiedlicher Kontrollformen eingeführt. Liste l führt Stoffe, denen keinerlei Heilwirkung, dafür aber ein großes Risikopotential zum Mißbrauch zugeschrieben wurde. Liste ll führt Stoffe wie Amphetamin und Stimulanzien, denen aufgrund ihres Abhängigkeitpotentials wenig therapeutische Möglichkeiten gegeben wurden. Auf Liste lll kamen Schlafmittel (Barbiturate) und auf Liste lV Beruhigungsmittel und Tranquilizer.

Nachdem verdeckte Agenten der Drug Enforcement Administration in den USA auf die Gefährlichkeit von MDMA als Straßendroge aufmerksam gemacht hatten, fanden im Februar und März 1985 verschiedene Anhörungen statt. Noch bevor diese alle beendet waren, wurde MDMA im Rahmen einer übereilten „Notprozedur" in die erste der genannten Listen eingestuft. Dies hing mit denen im ersten Kapitel bereits beschriebenen Zwischenfällen zusammen, bei denen Fentanyl-Derivate als „China-White"- Heroin verkauft worden waren und es zum Auftreten einiger Parkinson-Erkrankungen gekommen war. Der damals vorsitzende Richter stellte den möglichen medizinischen Nutzen von MDMA fest und schlug vor, es in die dritte Liste aufzunehmen. Diesem Vorschlag folgte die DEA allerdings nicht, so daß MDMA am 11. Februar 1985 endgültig in die Liste l gelegt wurde. Da die USA schon oft eine Art „Vorreiter-Rolle" in der Drogenprohibition innehatten, ließ ein weltweites Verbot von MDMA nicht lange auf sich warten, sei es aufgrund internationaler Abkommen, oder auch, weil andere Regierungen versuchten, das Problem auf die gleiche Art und Weise lösen, wie die USA.

Das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beinhaltet drei Arten von Substanzen (Anlagen I bis lll), wobei die Stoffe der gleichen Gruppe Gemeinsamkeiten hinsichtlich des möglichen medizinischen / therapeutischen Nutzens aufweisen sollen.
Da MDMA und seine nahestehenden Stoffe und Derivate in Anlage l zu §1 Absatz 1 als „nicht verkehrsfähige" Substanzen aufgenommen wurden, stehen sie dem Gesetz nach auf derselben Stufe wie Heroin, Kokain, LSD und Cannabis. Die Gemeinsamkeit der in dieser Anlage zusammengefaßten Substanzen ist, daß sie alle keinen medizinisch anerkannten Nutzen haben sollen und ein hohes Mißbrauchspotential aufweisen. Des weiteren werden die Drogen dieser Gruppe umgangssprachlich als „harte" Drogen bezeichnet. Die Drogenforscherin C.Schmerl unterteilt das Charakteristikum „hart" in drei weitere ein. Zum ersten die vergleichbare Menge, die benötigt wird, um mittels einer Droge denselben Effekt zu erzielen, wie mit einer anderen, zum zweiten die Qualität des Effekts einer Droge (z.B. MDMA im Vergleich zu Heroin), und zum dritten ist in diesen qualitativen Eigenschaften einer Droge „Härte" auch ein Maßstab dafür, mit welcher Geschwindigkeit eine Substanz bei regelmäßigem Konsum eine psychische oder physische Abhängigkeit hervorruft.

Wenn man nun die Eigenschaften von Ecstasy unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, so stellt sich die Frage, ob es zu Recht in eine Klasse mit Heroin oder Kokain eingeordnet werden darf. Wegen der eingebauten Sicherheitssperre, der recht weichen Wirkweise und des relativ geringen Abhängigkeitspotentials kann man MDMA meiner Meinung nach nicht auf eine Stufe mit den erwähnten anderen Substanzen stellen.In den Niederlanden wird MDMA zusammen mit Cannabis den „weichen" Drogen zugeordnet, was ich auch nicht optimal finde, meiner Auffassung nach liegt Ecstasy zwischen den „harten" und „weichen" Drogen. Da aber nicht davon auszugehen ist, daß Ecstasy in Deutschland in naher Zukunft legal erforscht werden darf, oder auf seine mögliche Verwendung in Psychotherapien hin überprüft wird, würde es so oder so keinen Sinn machen, wenn es in einer der anderen Klassen eingeordnet werden würde.

4.1 Auswirkungen des BtMG in der Praxis

Hier soll ein kurzer Überblick über das Maß der Strafe gegeben werden, mit welchem der Besitz von Ecstasy oder ähnlichen Substanzen belegt wird. Seitdem MDMA in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen wurde, verhält sich grundsätzlich jeder, der im Besitz davon ist, kriminell. Die juristischen Folgen, bzw.das Strafmaß hängen in erster Linie von der Quantität des Drogenbesitzes bzw.des Verkaufes ab. Grundsätzlich wird ein Unterschied zwischen einer „geringen Menge" und einer „nicht geringen Menge" gemacht. Bei der „geringen Menge" handelt es sich um die Substanzmenge, bei der nach Anwendung des § 29, Absatz 5 des BtMG von einer Bestrafung abgesehen werden kann (!). Hierfür wird allerdings die Bedingung gestellt, daß das Betäubungsmittel lediglich zum Eigengebrauch in geringer Menge hergestellt, eingeführt, ausgeführt, erworben, oder auf andere Weise besessen wird. Bei MDMA bedeutet dies, daß den Strafverfolgungsbehörden bei einer Menge von ca. 2-3 Konsumeinheiten, welche mit einer Tablette mit einer enthaltenen Substanzmenge von ungefähr 100-150 mg Reinsubstanz gleichzusetzen sind, die Möglichkeit haben, von der Ahndung des Delikts abzusehen. Allerdings wird die Anwendung dieses Paragraphen je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt. So wird der § 29, Abs.5 in Bayern nicht angewendet, so daß schon beim Besitz einer halben Ecstasy-Pille Geldbußen von mehreren hundert Mark keine Ausnahme sind. Zusätzlich gibt es noch den § 31a des BtMG, nach dem von der „Verfolgung" eines Täters abgesehen werden kann, wenn die Schuld des Betroffenen als „gering" anzusehen ist, kein „öffentliches Interesse" an der Strafverfolgung besteht oder die auffällig gewordene Person die Betäubungsmittel lediglich zum Eigengebrauch besitzt. Da der Bundesgerichtshof bis jetzt noch nichts Endgültiges festgelegt hat, orientieren sich die einen Landgerichte an den Entscheidungen der anderen. Die Grenzwerte für „nicht geringe" Mengen werden im Sinne weniger schwerer Fälle wie folgt definiert:

MDMA → 24g (ca. 200 KE á 120 mg )
MDEA → 34g (ca. 200 KE á 170 mg )
MDA → 48g (ca. 600 KE á 80 mg )
Amphetamin → 10g (ca. 200 KE á 50 mg )
LSD → 6g (ca. 120.000 KE á µ50 )

Nach Schroers wird anstelle der Konsumeinheiten manchmal auch die Base der Substanz zugrundegelegt (ebd., 1996, S.43). Problematisch ist diese Grenzwertsetzung für den Konsumenten allerdings in folgender Hinsicht: Da es bisher sehr schwierig ist, seine Pillen auf ihre Zusammensetzung bzw. Ihren Wirkstoffgehalt überprüfen zu lassen, weiß er nicht, mit wie vielen Pillen seiner derzeitigen Sorte er diese Grenzwerte erreicht oder überschreitet. Dazu kommt noch, daß jedes Landgericht entscheiden kann, daß die oben angegebenen Grenzwerte zu hoch seien und die „geringen Mengen" niedriger ansetzen können. Außerdem spielen bei einer eventuellen Verurteilung noch andere Faktoren eine Rolle, z.B, ob die auffällig gewordene Person beim Verkaufen oder Weitergeben der Pillen beobachtet wurde (sehr unvorteilhaft), ob sie schon vorher straffällig wurde und ob sie ein Geständnis abgelegt hat.

4.2 Zahlenmaterial des Bundeskriminalamtes zu Ecstasy und anderen „Partydrogen"

Nach dem Rauschgiftjahresbericht des BKA ist bei den polizeilich registrierten Rauschgiftdelikten im Jahr 1995 eine deutliche Zunahme im Vergleich zu 1994 festzustellen (ebd., 1995, S.11). Der Anstieg beträgt 19,7%. Besonders bei den Partydrogen sind hohe Zuwachsraten zu verzeichnen. Bei den Amphetaminen beträgt sie 102,3%, bei LSD 62.5%, bei Kokain 25,9%. Die Zuwachsrate mit anderen Betäubungsmitteln, zu denen auch Ecstasy zählt, beträgt 40,9%.

"Die Gesamtzahl der Erstauffälligen Konsumenten harter Drogen (EKhD) hat mit einem Anstieg um 4,9% auf 15.230 eine neue Rekordhöhe erreicht, die ausschließlich auf die Entwicklung im Bereich der synthetischen Betäubungsmittel zurückzuführen ist."
(BKA, Rauschgiftjahresbericht 1995, S.6).

Dagegen ist in Zusammenhang mit Heroin eine abnehmende Erstauffälligenzahl (-18.0%) sowie eine gesunkene Sicherstellungsmenge (-41,3%) zu verzeichnen. Auch bei den Sicherstellungszahlen in Zusammenhang mit Partydrogen ist ein rapider Zuwachs zu beobachten:

Sicherstellungen in der Bundesrepublik Deutschland 1994 und 1995

Rauschgiftart

1995

1994

Heroin

933 kg

1590 kg

Opium

15 kg

35 kg

Kokain

1845 kg

767 kg

Amphetamin

138 kg

120 kg

Ecstasy

380.858 KE

238.262 KE

LSD

71.069 KE

29.627 KE

Haschisch

3809 kg

4033 kg

Marihuana

10436 kg

21660 kg

Haschischöl

2834 kg

1434 kg

( Quelle: BKA Rauschgiftjahresbericht 1995, S.30)

Man sieht, daß der größte Zuwachs bei den Sicherstellungen mit 59% bei Ecstasy liegt, hingegen die Sicherstellungen bei Heroin, wie schon gesagt, um 41,3% niedriger lagen.
Bei der Zahl der Erstauffälligen Konsumenten harter Drogen ist die Tendenz ähnlich:

Rauschgift

1995

1994

Gesamtzahl

15230

14512

Heroin

6970

8501

Kokain

4251

4307

Amphetamin

3119

2333

Ecstasy

2371

nicht bekannt

LSD

772

321

sonstige

26

490

(Quelle: BKA Rauschgiftjahresbericht 1995, S.49ff.)
„Erstauffällige Konsumenten sind Personen, die im Berichtsjahr erstmals der Polizei oder dem Zoll in Verbindung mit dem Konsum harter Drogen aufgefallen sind. Dabei handelt es sich nicht in jedem Fall um Rauschgiftabhängige, sondern auch um Personen, welche die Droge ausprobierten oder um Gelegenheitskonsumenten. Aus polizeilicher Sicht kann hier keine Unterscheidung getroffen werden."
(vgl.BKA, Rauschgiftjahresbericht 1995, S.49)

Die teilweise sehr stark angestiegenen Zahlen im Bereich der synthetischen Drogen müssen etwas relativiert werden. Es kann sein, daß durch die in jüngster Zeit stark gestiegene Präsenz der Ecstasy-Thematik in den Medien und die dadurch ausgelöste öffentliche Diskussion die Behörden veranlaßt hat, in diesem Bereich verstärkt tätig zu werden. Es ist davon auszugehen, daß mit steigender Konsumentenzahl zwangsläufig auch die Bemühungen der Polizei steigen, dagegen etwas zu tun.
"Wahrscheinlich nimmt nicht nur die Anzahl der Konsumenten zu, sondern auch die der Fahndungen und Razzien der Polizei"
(Wirth, N., 1996, S.38).

Festzustellen bleibt allerdings, daß die Tendenz eher in Richtung eines Anstiegs der Verbreitung von Ecstasy geht und nicht in die eines Rückgangs.

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5. Die Techno-Kultur

Die öffentliche Meinungsbildung und Wahrnehmung aktueller Jugendkulturen ist in den meisten Fällen durch die Darstellung in den Medien wesentlich vorbelastet. Ständig begegnet man sich immer wieder wiederholenden Vorurteilen gegenüber Jugendkulturen, die andauernd aktualisiert werden. So war die Hippie-Bewegung eine „Horde bekiffter und LSD-berauschter junger Menschen, die keine Lust hatten zu arbeiten und stattdessen wilde Orgien zusammen feierten". Das weitverbreitete öffentliche Bild der Techno-Szene könnte man ungefähr so beschreiben: Die Techno-Szene tanzt zu einer schwachsinnigen, künstlichen und monotonen Musik und steigert sich in sinnlose, ungesunde und lediglich durch Drogen ausgelöste Tanzexzesse hinein, die von Freitagabend bis Sonntagmittag andauern. Außerdem ist es eine künstliche Jugendkultur, eine von der Industrie gelenkte Massenmanipulation von Jugendlichen.

Im folgenden Kapitel soll die neben dem medialen Klischee real existierende Techno-Szene beschrieben werden, die mit geschätzten 1,5 Millionen aktiven Teilnehmern neben der „Hip-Hop"-Kultur die wichtigste der 90-er Jahre ist (vgl. Richard, B., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 1997).

5.1 Die Techno - Musik

5.1.1 Die Anfänge von Techno
„Techno is music made by humans; in its most definitive forms it sounds like it is made by machines."
(Mc Ready, J. in Feist, U., 1996,S.63)
Was ist das für Musik, die nach der Meinung einiger auch von Maschinen gemacht sein könnte? Ist es nur eine stumpfe und sinnlose Aneinanderreihung von synthetischen Tönen, oder steckt mehr dahinter? Klaus Schulze, der fast 50-jährige Pionier elektronischer Musik, und seit 25 Jahren Produzent unzähliger Veröffentlichungen in diesem Genre, beschreibt den heutigen Techno so:
"Das ist ja fast genau das Gleiche, was wir in den siebziger Jahren gemacht haben, nur daß die Produzenten heute eine durchgehende Bassdrum darunterlegen."
(Claus, C. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.74).
Diese durchgehende Bassdrum, die einen gleichmäßigen und stampfenden Rhythmus im 4/4 -Takt produziert, war Mitte der achtziger Jahre das revolutionäre Element im Bereich der elektronischen Musik.

Eigentlich beginnt die Geschichte des Techno bereits mit der Möglichkeit des Kaufes eines elektronischen Musikinstruments. Der bereits erwähnte Klaus Schulze bildete zusammen mit „Tangerine Dream" und der Gruppe „Kraftwerk" das Fundament elektronischer Musik, auf das sich fast jeder heute populäre Musiker dieses Bereiches beruft. Die 1968 gegründete Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk definierte ab 1975 die Musik auf eine neue Art und Weise, als sie konventionellen Musikinstrumenten den Rücken kehrte und anfing, ihre Musik mit dem damals auf den Markt gekommenen „Moog-Synthesizer" vollsynthetisch zu komponieren. In den achtziger Jahren beschäftigten sich dann Musiker bzw. Produzenten mit den Möglichkeiten, die sich bieten, wenn man zwei Platten nebeneinander laufen läßt, sie vom Tempo her aneinander angleicht und zwischen ihnen hin und her springt, um so einen neuen „Track" zu kreieren. Als dann die ersten Schlagzeugcomputer auf dem Markt erschienen, folgte die Idee, der Musik einen durchgehenden Beat zu verpassen und die einzelnen Lieder ineinander übergehen zu lassen, um so die Illusion eines einzigen, die ganze Nacht lang andauernden Stücks zu schaffen.So wurde der Person des Diskjockeys (DJ) eine ganz neue Bedeutung zuteil.

Als „Keimzelle" des Techno gelten die Städte Chicago und Detroit, Chicago mit einem eher vom Disco-Sound der siebziger Jahre beeinflußtem, Detroit mit einem etwas härterem und schnellerem Sound. Seltsamerweise war es gerade die Musik von Kraftwerk, in Deutschland lange Zeit nicht gerade erfolgreich, die im rezessionsgebeutelten Detroit großen Anklang fand und die von den Vorreitern der Szene wie Juan Atkins und Derrick May als Initialzündung bezeichnet wird, ohne die der heutige Techno wohl gar nicht existieren würde (vgl. Claus, C. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S75).

In Europa, genauer in England, begannen DJ's 1987 damit, Soul-und Funkanklänge aus Chicago sowie Techno-Anklänge aus Detroit zu verbinden und sie mit langgezogenen „fiependen und schrillen" Tönen zu verbinden. Die „Acid-House"-Welle wurde ausgelöst und schwappte auch in Form von Parties und gelben „Smileys" in allen erdenklichen Variationen nach Deutschland über. Diese Welle flaute allerdings genauso schnell ab, wie sie gekommen war. 1990 wurde dann das Geburtsjahr von Techno, wie man ihn heute kennt. Frankfurt am Main und Berlin kristallisierten sich als Zentren des neuen Sounds heraus und die ersten DJ's, die ihn auflegten, zählen heute noch zu den Führenden innerhalb der Szene (WestBam, Sven Väth, Dr.Motte). Viele Anhänger sorgten sich damals noch darum, daß Techno durch seine schnell einsetzende kommerzielle Ausschlachtung dasselbe Schicksal wie die einige Jahre zuvor populäre Neue Deutsche Welle ereilen könnte, nämlich das schnelle Verschwinden. Dem war aber keineswegs so.

Durch eine früh einsetzende Aufsplittung der Szene in autonome kleinere Sparten und durch enormen Anklang und eine sich rasch verbreitende Popularität setzte sich Techno in der Musiklandschaft fest und ist zu einer eigenständigen Musiksparte geworden.

5.1.2 Unterarten von Techno
Aufgrund der Aufsplittung der Szene, der Variabilität dieser Musik und der Kreierung immer neuer Stile im Bereich der elektronischen Musik ist es heutzutage eigentlich unmöglich geworden, von der Techno-Musik zu sprechen. Die verschiedenen Stilarten werden eigentlich nur unter diesem Begriff zusammengefaßt. Zwar muß man bedenken, daß einige angeblich neue Unterarten lediglich von gewitzten Marketing-Strategen erdachte Synonyme für bereits Dagewesenes sind, um die Umsätze anzukurbeln, aber insgesamt bestehen teilweise doch recht gravierende Unterschiede zwischen den Besuchern verschiedener Parties. Die einzelnen Gruppen und die damit auch verschiedenen Motive, eine Party zu besuchen, sind auch aus dem Blickwinkel sozialpädagogischer Arbeit zu betrachten. Deshalb beschreibe ich im folgenden einige der Unterarten des Oberbegriffes Techno. Hierbei einen Anspruch auf Vollständigkeit geltend zu machen, ist nicht möglich. Teilweise verzweigen sich die Gruppen im einzelnen noch weiter, teilweise ist es reine Interpretations - oder Ansichtssache, in welche Sparte ein Track eingeordnet werden müßte. Bei der Beschreibung beziehe ich mich einerseits auf den Vortrag von Dr. B. Richard, gehalten im Rahmen der Fachtagung „Ecstasy" zum Thema „Techno - Musik", andererseits greife ich auf eigene Erfahrungen mit der Musik und dem Publikum auf verschiedenen Parties zurück.

Hauptunterscheidungsmerkmal der einzelnen Stile ist die Anzahl der Bass-Drum-Anschläge pro Minute, also die „Geschwindigkeit" eines Tracks. Diese wird im Allgemeinen mit der Abkürzung Bpm (Beats per minute) bezeichnet.

Trance
Trance ist wohl eine der wichtigsten und meistverbreiteten Unterarten des Techno. Sie wird als Trance bezeichnet, weil sie im Gegensatz zu einigen anderen Unterarten keinen besonderen Wert auf besonders hohe Geschwindigkeit legt, die Bpm-Zahl bewegt sich zwischen 120 und 170. Trance versucht vielmehr, den Hörer durch Einsatz von für das Ohr „wohlklingenden" sich oft wiederholenden Passagen in eben eine solche Trance zu versetzen.

„Trancezustände können durch viele Formen der Musik erreicht werden, meist sind es diese genialen Verbindungen von einigen wenigen Soundelementen, die die Zuhörenden durch ständige Wiederholungen auf andere Levels zu heben vermögen."
(Koch, 1995, S.102).
Bekannte Vertreter der Trance-Musik sind Sven Väth, Cosmic Baby, Laurent Garnier und Gary D.

Breakbeat, Jungle, Drum and Bass
Bei diesen Spielarten erfolgt eine Form der Vermischung von Techno und HipHop. Hip Hop Rhythmen werden in ihrer Geschwindigkeit gepitcht, das heißt beschleunigt, und von stakkatoartigen Snare-Drum-Anschlägen untermalt. Kennzeichnend ist eine nicht durchgängige Bassline, die Bass-Drum-Anschläge werden vielmehr mit den Snare-Anschlägen zu einer auf den ersten Höreindruck ziemlich hektischen und unhomogenen Mischung verstrickt. Auch das Grundtempo des Breakbeats ist ziemlich hoch, die Bpm-Zahl liegt zwischen !60 und 180.

Beim Jungle, der vor ca. zwei Jahren eine großen Medien-Hype erlebte, wird diese Mischung noch durch Reggae-Anteile, teilweise mit vereinzelten Stimmen und / oder Gesang ergänzt.
Drum and Bass ist ein typisches Beispiel für die Einführung eines alten Produktes unter neuem Namen, was natürlich auch neue Käufer beschert. Im Grunde ist es nichts anderes als der beschriebene Breakbeat, lediglich etwas ruhiger und nicht ganz so hektisch. In einigen Tracks findet man sogar Merkmale der Jazz-Musik wieder (Saxophon, warme Frauenstimmen).

Acid
Acid-Musik ist mit 130 -160 Bpm zwar nicht besonders schnell, stellt aber dennoch eine eigene Untergruppe der Techno-Musik dar. In keiner anderen Unterart des Techno ist nämlich ein technischer Ausrüstungsgegenstand so wichtig wie der 303-Synthisizer von der Firma Roland für Acid. Mit diesem Gerät lassen sich Töne auf beliebige Art und Weise sowohl in ihrer Länge als auch in ihrer Höhe variieren, was den typischen „Sound" dieser Musik ausmacht. Man kann sie mit den Adjektiven schwirrend, hoch, zwitschernd und nervös beschreiben. Vertreter des Acid-Sounds sind Miss Djax und Ritchie Hawtin.

Gabber
Gabber gilt als die schnellste, aggressivste und extremste Form der Techno-Musik, weshalb sie n vielen Stellen auch als „Hardcore-Techno" bezeichnet wird. Aufgrund seiner Schnelligkeit, die Bpm-Zahl beträgt 150-250, ist Gabber eigentlich gar nicht mehr tanzbar. Stattdessen werden Arme und Beine wie verrückt nach vorne geworfen, was diesem „Tanzstil" ein recht seltsam anzuschauendes Erscheinungsbild verleiht. Gabber ist vor allem in den Niederlanden sehr populär, er gilt hier als Ausgleich zu der sonst meist recht ruhigen Musik auf Parties, auf denen meist House-Musik gespielt wird. Entsprechend der Geschwindigkeit der Musik ist Speed die unter den Gabber-Anhängern meistverbreitete Droge, anders läßt sich der anstrengende Bewegungsstil wohl auch nicht realisieren.

Obwohl die Techno-Szene im Allgemeinen als sehr gewaltfrei gilt, stellt die Gabber-Szene eine Ausnahme dar. Gerade unter den gewaltbereiten Anhängern der in deren Augen verfeindeten Fußballvereine Feynod Rotterdam und Ajax Amsterdam ist Gabber sehr beliebt, und diese Fehde wird des öfteren auf Gabber-Parties ausgelebt. Auch eine gewisse „Rechtslastigkeit" in der politischen Gesinnung kann man hier des häufigeren antreffen.

House
Die House-Musik hat ihre Wurzeln im Disco-Sound der siebziger Jahre. Obwohl sie heute eine eigenständige Sparte innerhalb der Techno-Musik ist, kann man sie als Vorläufer von Techno bezeichnen. Wie oben beschrieben gilt Chicago mit seinem House zusammen mit Detroit als „Geburtsstätte" von Techno. House ist von seinem Grundtempo von 110-140 Bpm relativ langsam. Als charakteristisch gelten „jazzige" Untertöne und sehr oft der Einsatz von „richtigem" Gesang. Gerade bei schwulen Partygängern ist House sehr beliebt. Das Durchschnittsalter des Publikums liegt in der Regel etwas höher als das auf anderen Parties. Auf ein „freakieges und teilweise auch edleres Styling legen die Besucher von House-Partys einigen Wert.

Ambient
Wenn es auf einer Techno-Party einen Chill-Out Bereich gibt, dann wird dort fast immer Ambient gespielt. Es ist eine sehr ruhige Musik, bei der in vielen Fällen überhaupt keine durchgehende Basslinie enthalten ist. Statt dessen werden viele angenehm und ruhig klingende Töne oder Passagen zu einer „Klangcollage" zusammengefügt, die in ihrer Art oft an meditative Musik erinnert. So eignet sie sich gut dafür, in Chill-Out Räumen, die ja zur Erholung und Abkühlung der Party-Besucher gedacht sind, gespielt zu werden. Bekannte Ambient-Projekte sind The Orb, KLF und The Future Sound Of London.

GOA-Trance / Techno
Diese Unterart von Techno ist nach dem Bundesstaat in Indien benannt, der schon seit langer Zeit für besondere Parties am Strand oder im umliegenden Regenwald bekannt ist. Unter den Besuchern von Goa-Parties kann man oft Verweise auf die Hippie-Generation finden. Dies fängt bei der Kleidung an, die oft an die Mode der siebziger Jahre angelehnt ist. Dies äußert sich auch an oft zu sehenden Schlaghosen, bunter Kleidung mit teilweise psychedelischen Mustern und langen Haaren der Besucher.
Die Goa-Musik ist in ihrer Art ziemlich eingängig, „tribal-ähnliche" Einflüsse sind genauso oft zu finden wie psychedelische Passagen in vielen Wiederholungen und Variationen. Meistens gibt es innerhalb der einzelnen „Tracks" einen akzentuierten Höhepunkt, der für den Hörer / Tänzer besonders energiereich herüber kommt.

Auffällig auf Goa-Parties ist das im Gegensatz zu anderen Techno-Parties deutlich höhere Durchschnittsalter der Besucher und die geringe Verbreitung von teurer Kleidung mit Aufdrucken bekannter Hersteller. Des weiteren kann man eine klare Tendenz zum ungehemmten Einsatz von Drogen erkennen, wobei gerade LSD von vielen Besuchern favorisiert wird. Auch wird auf fast jeder Goa-Party Lachgas aus Druckbehältern verkauft, wozu ich leider keinerlei Literaturverweise gefunden habe. Eine gewisse „Naturnähe" kann man in der Goa-Szene auch beobachten. Innerhalb der Techno-Szene gibt es keine Unterart, in der Freiluftparties auf Feldern, im Wald oder Steinbrüchen vorkommen. Dies kann man wohl auch als eine Art Reminiszenz an die Hippie-Bewegung eshen.

5.2 Techno - Parties und das Publikum

5.2.1 Die Techno-Party als Gesamtkunstwerk
Es wäre falsch zu denken, eine Techno-Party bestände lediglich aus einer großen, leeren Halle, ein paar DJ's und einer Musikanlage. Diejenigen Veranstalter, die noch nicht vor dem Reiz des schnellen Geldes kapituliert haben und in die Organisation einer Party viel Zeit und Mühe investieren, beachten immer noch einen der Aspekte, die Techno zu dem gemacht haben, was er heute ist.

Um eine Techno-Party zu einem Gesamtkunstwerk werden zu lassen, müssen Flyer (postkartengroße Pappzettel) gedruckt werden, die auf die Party aufmerksam machen, also für sie werben. Die Dekoration der Halle muß geplant und realisiert werden, und die Zusammenstellung des Programmablaufs sollte stimmig sein, denn die Leute zahlen viel Geld für eine Party , und dementsprechend sollte auch der Gegenwert sein, den sie dafür bekommen. Da langanhaltendes Tanzen eine kräftezehrende und schweißtreibende Angelegenheit ist, hat es sich auf Parties ziemlich schnell etabliert, einen Chill-Out Raum einzurichten, sofern es die räumlichen Gegebenheiten zulassen.
„Auf den Parties befinden sich zumeist sog."chill-out"-Räume, häufig mit Matratzen ausgelegt und „spacig" eingerichtet."
(Schroers, A., 1996, S.65).

In diesem Chill-Out ist es möglich, sich hinzusetzen, es wird vorwiegend Ambient gespielt (siehe Unterarten des Techno), und die Temperatur sollte ein bißchen niedriger als auf der Tanzfläche sein. Auf vielen Parties wird mittlerweile auch kostenlos frisches Obst angeboten, sicherlich eine gute Sache, angesichts der Eintrittspreise aber durchaus im Bereich des Möglichen.

Fast genauso wichtig wie die Musik ist eine gute Dekoration auf einer Party. Es werden auf die Musik abgestimmte Lichtanimationen verwendet, genauso wie Diaprojektionen und Videobeamer. Gerade auf diesen Punkt legt Hans Cousto vom Berliner Verein „Eve & Rave" sehr viel Wert. Er vergleicht eine Diskothek von der technischen Seite her mit einer „Großraummindmachine". Mindmachines sind technische Aufbauten in z.B. kleinen Zelten, in denen der Betrachter entspannt liegt und von allen Seiten mit visuellen und auditiven Reizen versorgt wird. Diese Reize wirken mit bestimmten Schwingungen und Frequenzen, die elektronisch durch einen Computer nach streng wissenschaftlichen Kriterien gesteuert werden, auf das Gehirn ein. Ziel dieser Mindmachines ist es, den Betrachter in kurzer Zeit in tiefe Entspannungszustände zu versetzen. Mindmachines werden in der Medizin angewendet, vorwiegend im Bereich der Sucht-und Schlaftherapie, genauso wie bei Meditationsübungen (vgl. Cousto, H., 1995, S.60-62).

Techno, und vor allem die Parties, auf denen Techno gespielt wird, besteht nicht nur aus der Musik, wobei sie natürlich das ausschlaggebende Kriterium ist. Aber Licht, Sound und Rhythmus bestimmen die Stimmungen der Besucher mit. Und diese Faktoren bilden zusammen mit den teinehmenden TänzerInnen und dem DJ ein „multimediales Gesamtkunstwerk" (ebd., 1995, S.32). "Der Ecstasy-Rausch ist bei diesen Veranstaltungen eingebettet in ein „Gesamtkunstwerk" aus Tekkno-Musik, Tanz, Laser- und Licht-show, Dekoration, Ambiente und stimulierenden Personen."
(Schroers, A., 1996, S.65)

In letzter Zeit ist allerdings ein gewisser Rückgang bei Massenveranstaltungen zu erkennen, abgesehen natürlich von solchen Events wie der „Mayday"-Party in in Dortmund bzw. Berlin. Diese Party wird auch als die „Mutter aller Parties" bezeichnet Claus, C. in Rabes, M. / Harm, W., 1997, S.84). Dieser Rückgang hängt sicherlich mit der 1995 / 96 quantitativ stark angestiegenen Zahl von großen Raves zusammen, bei denen allerdings die Qualität des öfteren stark zu wünschen übrig ließ.
„In der jüngsten Vergangenheit betraten immer wieder regelrechte Abzocker das Feld, die für wenig Aufwand viel Geld verlangten und so den ehrlichen Veranstaltern das Leben schwer machten."
(ebd., S. 84).

Eine Art Rüchkehr in die kleinen Clubs hat stattgefunden, die Raver scheinen mittlerweile lieber im „kleineren Kreise" mit 200-300 anderen zu feiern als auf Großveranstaltungen mit Besucherzahlen, die teilweise über 10.000 lagen. Auch in Bezug auf die „Mayday" mehren sich die Meinungen derer, die das ganze für eine rein kommerzielle Angelegenheit halten.
„Allerdings werden auch hier [ bei der Mayday, Anm.d.Verf.] die Stimmen derer lauter, die ein abfallendes Niveau zugunsten eines höheren Profits befürchten."
(ebd., S 84).

5.2.2 Wer besucht Techno-Parties?
Von dem typischen Techno-Publikum zu sprechen, ist wegen der Buntgemischtheit eines Party-Publikums eigentlich gar nicht möglich. Einer der am höchsten gehaltene Wert der Szene ist die Toleranz anderen gegenüber.
„Die Partygäste sind nach Alter, Bildungsstand, Abstammung und sozialer Schicht bunt durcheinander gewürfelt, und genau das macht die Szene aus."
(Wirth, N., 1996, S.50).

Die Besucher von Techno-Veranstaltungen stellen gewissermaßen einen „Schmelztiegel" aller bisher dagewesenen Szenegruppierungen dar, die in der Musik gemeinsame Vorlieben gefunden haben (Tanz, Spaß, Ekstase) und diese im Techno ausleben können.
„So wird es möglich, daß Skin-Heads, ehemalige Anhänger der Indie-, Punk-, Schwulen- und Ökoszene gemeinsam ein „Party-Imperium" aufbauen konnten.Während alle anderen Musik szenen eine Spezifizierung in Bezug auf die Verhältnisse, Probleme und Stimmungen der unmittelbaren Umwelt haben, ist Techno offen."
(Zeitschrift „Highlife", 1/97, S.40).

Eine der Hauptsachen ist es, kein Spießer zu sein, sondern auffällig und „abgefahren" angezogen zu sein. Und in kaum einer anderen Szene findet man eine dermaßen große Vielfalt von phantasievollen Outfits, die manchmal eher an Karneval erinnern, als an eine Party. Die Party-Szene setzt sich überwiegend aus 16-22-Jährigen zusammen, aber es finden sich auch ältere Besucher, die Grenze nach oben ist eigentlich offen, Wirth führt hier als Beispiel Hans Cousto an, den 47-jährigen Mitarbeiter von „Eve & Rave e.V. und Verfasser des Buches „Vom Urkult zur Kultur".

Sehr auffällig ist allerdings der große Anteil von unter 18-jährigen, die sich nach dem Jugendschutzgesetz noch gar nicht in Diskotheken oder Nachtclubs aufhalten dürften. Die wenigsten der Techno-Fans sind in ihrem „Alltagsleben" sozial auffällig, die meisten befinden sich in funktionierenden sozialen Bezügen und gehen während der Woche zur Arbeit oder in die Schule. In der FAZ wird Techno als „die Musik vor allem weißer Mittelstandskids" beschrieben (ebd, 07.07.94). Dies ist vor dem Hintergrund der mit dem Besuch einer Party verbundenen finanziellen Aufwendungen gut nachvollziehbar. Bei einer größeren Party / Rave liegen die Eintrittspreise in einer Spanne von 25,--50 DM,-. Auch in einer Disko, in der Techno gespielt wird, muß der Besucher in der Regel höhere Eintrittspreise in Kauf nehmen, als in einer „normalen" Disko. Dazu kommen die Preise für Getränke, Drogen und eventuell noch passendes Outfit. So kommt man schnell auf Kosten für einen Abend, die ab mindestens 50.- DM, meistens aber zwischen 100,- und 150.-DM liegen (vgl. Wirth, N., 1996, S.50). Es wird deutlich, daß es sich finanziell schlechter gestellte Leute nicht leisten können, Techno-Parties zu besuchen. Innerhalb der Szene ist jedenfalls keine Aussteigermentalität zu beobachten:

„Die Anhänger sind keine abgewrackten 'Aussteiger' und sie verstehen sich auch nicht als solche. Stark vertreten sind Arzthelferinnen und Kaufleute, Versicherungsvertreter, Beamtenanwärter, Studentinnen, Krnkenpfleger und Sprachenschüler."
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996)

Insgesamt gesehen kann man zwei Gruppen von Party-Besuchern ausmachen, wobei die Grenzen allerdings fließend sind. Zum einen sind es diejenigen, die sich zum großen Teil über Techno identifizieren, ihn gewissermaßen zu einem Lebensinhalt gemacht haben und sich der Szene zugehörig fühlen. Zum anderen gibt es Leute, die sich zwar nicht unbedingt mit der Techno-Kultur identifizieren und sich auch nicht als Raver fühlen, aber dennoch Techno-Parties besuchen und dort genauso viel Spaß haben wie die anderen, nur daß ihre Kontakte mit der Szene quantitativ weniger sind.

Helmut Ahrens, der sich mit den verschiedenen Techno-Szenen befaßt hat, ordnet die Berliner Szene von der Altersstruktur her zwischen 16 und 36 Jahren an. Der „harte Kern" indes, also Leute, die der Szene schon seit mehreren Jahren zugehörig sind, läge zwischen 20 und 26 Jahren. Das Verhältnis der Geschlechter sei freitag abends noch ziemlich ausgewogen, ändere sich aber, je weiter das Wochenende fortschreitet.Samstags bestände das Publikum nur noch aus einem Drittel bis einem Viertel aus Frauen. (vgl. Ahrens, H., 1993, S.37)

5.3 Politische und moralische Werte und Ideale der Techno-Szene

Über politische und moralische Werte innerhalb der Techno-Szene gibt es sehr viele verschiedene Auffassungen. Während einige Autoren in der Rave-Szene eine Fortsetzung revolutionärer Traditionen sehen (z.B. T. McKenna ), sprechen andere den Party-Besuchern jedes politische Bewußtsein ab und ordnen Parties in die Sparte „kollektives Wochenendvergnügen gelangweilter Mittelklassekids" ein. Auffällig in der Literatursichtung ist die Tatsache, daß auf der einen Seite Leute, die mit Techno zu tun haben, oder aktiv in der Szene tätig sind, sich auf eine positive Art und Weise zu solchen Fragestellungen zu äußern, während andere kein einziges gutes Wort für die Techno-Fans übrig haben. Im folgenden sollen erstmal Beispiele aus der Literatur gegenübergestellt werden, die zeigen sollen, wie weit die Meinungen auseinandergehen.

Einige Autoren sehen in der Techno-Szene eine Basis oder ein Potential für politische Veränderungen, so z.B. der weiter oben erwähnte T. McKenna:
„I see the rave culture, developing here at the end of the 20th century, as the inheritor of all this energy - Modern art, Jazz, Rock and Roll, Dada. The whole antibourgeois impulse which began as an avatgarde agenda in the late 19th century is actually an impulse for cultural survival that is probably our last sane thought before we descend into the Apocalypse or something."
(Interview in der Zeitschrift „Alternative Press", aus Krollpfeiffer, K., 1995, S.88).
McKenna erwähnt in diesem Kontext auch ein „archaisches Revival", das eine Basis für politische Veränderungen darstellen könnte (vgl.ebd., S. 88).
Autoren wie eben dieser McKenna nennen die Rave-Bewegung in einem Atemzug mit der „68-er Revolte" und ähnlichen revolutionären Jugendbewegungen, während andere die Szene für etwas gänzlich Unpolitisches halten. In dem bereits zitierten Artikel aus der FAZ vom 07.07.94 schreibt der Autor folgendes:
„Nach Jahrzehnten, in denen Jugendbewegungen und Popmusik jeglicher Stilrichtungen ausnahmslos als Gegenkulturen verstanden wurden, deren Schicksal früher oder später unweigerlich in Kommerzialisierung und Vereinahmung mündete, hat Techno den einzig möglichen Weg gewählt, mit seinen Idealen nicht zu scheitern.Techno hat keine Ideale. Er hat keinen politischen oder gesellschaftskritischen Aspekt."
(Spiegel, H., ebenda).

Es gibt einige kritische Stimmen wie diese, die den Techno-Anhängern jedes politische Bewußtsein absprechen und Techno-Parties als reines Fluchtphänomen sehen, in welches der Alltag in all seiner Eintönigkeit keinen Zutritt hat und anstelle dessen Drogen konsumiert werden, um sich nicht mit deprimierenden Gedanken rumschlagen zu müssen. Andere Autoren gehen sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnen die Techno-Anhänger als Menschen, für die außer der Party gar nichts anderes von Wert ist:
„Das Leben dieser Menschen [das der Techno-Anhänger, d. Verf.] beschränkt sich aufs Wochenende - oder wenigstens das, was sie als Leben bezeichnen und erleben. Für sie ist der Alltag eine Qual, die Arbeit ist frustrierend, die Arbeitslosigkeit beschämend. Nur das Wochenende zählt, die Flucht aus dem Alltag, die Flucht in das, was als wirkliches Leben gil t(...) Diese Jugend ist maßlos, sie kennt keine Grenzen, die Flucht darf keine Minute zu früh zu Ende sein. Zu trist ist die Aussicht auf die nächste frustrierende Woche, die nur überstanden wird, weil auch danach wieder ein Wochenende folgen wird. Es gibt nichts mehr, was diese Menschen freut. Die Gesellschaft hat ihnen nichts mehr zu bieten. Sie leben nicht, sie existieren (...) es gibt keine Ziele, die locken, alles erscheint hohl und schal."
(Rufer, M., 1995, S.229).

Ich könnte noch zwei weitere Seiten mit ähnlichen Zitaten dieses Autors füllen, aber anhand dieser Zeilen wird seine Meinungstendenz wohl schon mehr als deutlich. Nichts gegen freie Meinungsäußerung, aber eine Gruppe von Menschen, die zahlenmäßig in die Hunderttausende, wenn nicht sogar in die Millionen geht, halte ich nicht mehr für vertretbar sondern für äußerst unsachlich und diffamierend. Auch wenn die Anhänger der Techno-Bewegung nicht gerade die Politischsten sind, kann man wohl nicht soweit gehen und ihnen ein „Leben" absprechen und ihres nur als Existenz bezeichnen.

Sachlicher sind da schon eher die Aussagen des Techno-Autors Patrick Walder, der schreibt :
„Außer in der Wahl ihrer Genußmittel unterscheiden sich die Raver kaum vom Rest der Gesellschaft. Die vielbeschworene Raving-Society ist so gesehen nicht viel mehr als eine Konsumgemeinschaft in der Konsumgesellschaft. In zwei nicht unwesentlichen Punkten unterscheidet sich die Rave-Szene aber doch von unserer Hau-rein-den-Schrott-Society. Erstens sind die Drogen ihrer Wahl illegal, und zweitens ist das Ziel des Konsums...ein exzessiver Rauschzustand, der bekanntlich mit den tragenden Stützen unserer Gesellschaft zu kollidieren droht: Arbeit, Disziplin und Nüchternheit zählen nicht gerade zu den Grundfesten der Raving-Society."
(Walder, P. in Ecstasy: Prävention des Mißbrauchs, 1995, S.30).

Die Techno-Besucher unterscheiden sich also lediglich in ihre Wahl der Drogen vom Rest der Jugendlichen? Nein, das alleine reicht nicht aus, um das Phänomen und die enorme Anziehungskraft dieser Party-Kultur zu erklären. Techno ist, vergleichbar mit der Hippie-Bewegung der 60er Jahre ein Lebensstil. Es ist eine Kultur, bei der das „ Gut-drauf-sein" und das intensive Erleben unweigerlich dazugehören. Um dies zu erreichen, ist es allein mit einer Mischung aus spezieller Musik und speziellen Drogen nicht getan. Dazu gehört auch eine eigene Ästhetik in Farbe und Stil (siehe Szenezeitschriften „Frontpage" und „Raveline"), welche sich auch auf den sehr phantasievoll und individuell gestalteten Ankündigungen für Parties (eben die sog. „Flyer") bemerkbar macht. Typisch sind auch eine spezifische Kleiderordnung und ein spezielles Wertesystem. Zu diesem Wertesystem gehören vor allem Aspekte wie Toleranz, Offenheit, Ehrlichkeit und das schon erwähnte „Gut-drauf-sein". Negative Aspekte wie schlechte Laune, Niedergeschlagenheit, Angst oder Trauer sind auf einer Techno-Party nicht besonders gern gesehen (auf einer anderen Party wahrscheinlich genauso wenig). Die Toleranz wird innerhalb der Techno-Bewegung besonders hoch gehalten. Man hört immer wieder, daß dort kein Unterschied gemacht werde zwischen Schwulen, Lesben oder Heterosexuellen, daß es egal sei, woher jemand komme, oder welcher sozialen Schicht man angehört. Genauso unwichtig sei im Grunde genommen die politische Gesinnung, die Hauptsachen sind das Fröhlichsein und die Bereitschaft zum guten „Abfeiern". Dazu der schon weiter oben erwähnte DJ WestBam:
„Für uns ist die Raving Society eine eigene Welt mit eigenen Regeln und Strukturen, die 'allergeilste Form von Demokratie'. Für uns ist sie a higher community with a higher reality, mit einer eigenen Sprache und eigenen Feiertagen."
(TAZ vom 25.11.94).

Ein Motto der Techno-Bewegung lautet „Leben und Genießen" (vgl. Spohr, B., in „Partner-Magazin", Juni/Juli 1995, S.11). Dazu gehört es, kreativ zu sein, fröhlich, schön, individuell und anders als alles andere. Wer sich gut in Szene setzen kann, wird dafür auch mit Applaus und Anerkennung bedacht, wer nicht durch besondere Verhaltensweisen auffällt, bleibt im Hintergrund und wird nicht weiter beachtet. Ist das nicht das exakte Übernehmen der Merkmale unserer Leistungsgesellschaft? Wer viel leistet, bekommt die gewünschte Anerkennung, wer scheitert, bleibt auf der Strecke? Die Gefahr einer Abwertung ist auch innerhalb der Szene groß.

„Wer beim Klamottenkauf daneben gegriffen hat, wird an Tagen mit hohem Besucheraufkommen an den Türen der Clubs wieder abgewiesen oder erntet Stirnrunzeln und Kritik."
(ebd., S.12).

Die Techno-Szene ist, wie Walder es behauptet, demnach vielleicht wirklich nur eine Konsumgemeinschaft in der Konsumgesellschaft, in der an den Teilnehmer genauso große Anforderungen bezüglich seiner Leistungsfähigkeit gestellt werden, wie in der „normalen" Gesellschaft.

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Techno-Gemeinschaft im Grunde genommen keineswegs als locker, offen, freundlich und vorurteilsfrei. Dazugehören, in die Party integriert zu sein, kommt nicht von allein. Es ist eine Ehre, die man sich erst verdienen muß. Bietet man einen interessanten Eindruck und verbreitet gute Stimmung, ist man ein Gewinn für die Party und wird akzeptiert. Letztlich ist die Szene also überaus leistungsorientiert. Vor alllem bei Jugendlichen stellt sich oft die Frage: „Bin ich okay?" In der Techno-Szene mit ihrem Kult der Selbstinszenierung lautet diese Frage: „Bin ich toll und brillant genug, um hier bestehen zu können?"

„Nur wer sich anstrengt, wer leistet, wer eine gute Show macht, bekommt die begehrte Anerkennung und damit für kurze Zeit das Gefühl, nicht nur gut, sondern sehr gut, brillant zu sein." (ebd., S.13).
Ich möchte es keineswegs dem Autoren Rufer gleichtun und die gesamte Techno-Szene über einen Kamm scheren, aber eine gewisse Tendenz zu der beschriebenen Leistungsorientiertheit ist meiner Meinung nach nicht von der Hand zu weisen.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Techno-Anhänger innerhalb der Szene recht klar definierte politische und moralische Grundhaltungen einnehmen, zu denen vor allem Toleranz, Akzeptanz, Offenheit und Friedfertigkeit gehören. Neueinsteiger müssen sich daran halten, wenn sie angenommen werden möchten. Vielleicht erscheinen Umwelt- und politische Probleme in ihrer Gesamtheit als zu groß, um gelöst werden zu können. Sich zu engagieren und dann erkennen zu müssen, daß das Engagement nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein, ist desillusionierend. Deshalb läßt man es lieber und kann so auch nicht enttäuscht werden. In der heilen Party-Welt kann die Sehnsucht nach einem gemeinschaftlichen Miteinander in Frieden und ohne Aggressionen ausgelebt werden, und es ist gut denkbar, daß dieses Verhalten auch im „normalen" Leben positiven Einfluß auf das Sozialverhalten der Raver hat. Hierzu nochmals DJ WestBam in einer Reportage des ARD :
„Eine Jugendbewegung, die authentisch sein will, muß von finalen Heilsbotschaften Abschied nehmen. Befreiung ist ein abstraktes Wort, ich z.B.würde niemals eine klassenlose Gesellschaft fordern. Eine ehrliche Musikbewegung kann so etwas nicht versprechen." (Cappelluti, N., ARD, 1996).

5.4 Von einer Subkultur zur kommerziellen Massenbewegung

Die Alltagsrealität von jungen Menschen wird in großem Maße von gesellschaftlichen Umbrüchen in den letzten Jahrzehnten verändert. Diese Umbrüche werden nach Beck sozialwissenschaftlich als Pluralisierung von Lebensformen und Individualisierung von Lebenslagen bezeichnet. Es gibt keine Lebensform, welche für alle Menschen ausschlaggebend ist. Individuelle Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten werden in immer stärkerem Maße auch von Jugendlichen in Anspruch genommen (vgl. Schroers, A.,1996, S.61). In der Kunst, Architektur und Musik entwickeln sich Trends und Moden genauso schnell wie im Bereich der Drogen.

„In der modernen „Erlebnisgesellschaft" (Schulze) gehören bestimmte Drogen zum Inventar von Selbstverwirklichungs-und Erlebnismilieus."
(ebd., S.61).
Wenn man sich die Entwicklung von Drogentrends anschaut, so lassen sich beim Aufkommen dieser Trends in den meisten Fällen drei Phasen beobachten: In der ersten Phase wird eine „neue" Droge von sog. „Trend-Setters" in eine Jugendkultur eingeführt. Im Grunde genommen beinhaltet jede Jugendkultur, in der eine Droge ihren Platz findet, immer auch Merkmale einer bereits vorher dagewesenen Jugendkultur (Ecstasy z.B. wurde Ende der 80er Jahre im Rahmen des Revivals der Hippie-Kultur poulär). Diese alten Elemente werden dann mit neuen verbunden, z.B. Computer, moderne Sound-Effekte usw.. Wenn die Trendsetter-Phase vorbei ist, beginnt eine größere Gruppe von Jugendlichen, sich für den Trend zu interessieren, der Trend zieht weitere Kreise. Die zweite Phase beginnt. In dieser Phase kann eine zunehmende Kommerzialisierung beobachtet werden, Kleidungsstile werden von den Herstellern adaptiert und auf den Markt gebracht, Tonträger werden durch den Verkauf in großen Handelketten einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Einige der „Trendsetter" aus den Anfängen beginnen nun, sich von der Szene abzuwenden, weil sie in deren Augen an „Esprit und Charme" verliert, vielleicht auch, weil die Szene durch angestiegene Zulaufzahlen zu unübersichtlich geworden ist. Andere nutzen ihren Einfluß aus und werden zu bestimmenden „Szenegrößen" ( z.B. Sven Väth, DJ WestBam). Sie organisieren die Jugendkultur, organisieren Parties oder versuchen, innerhalb der Szene neue Trends zu setzen. Ganz nebenbei beginnt sich ein professionelles System zu entwickeln, um die immer stärkere Nachfrage nach den Drogen decken zu können.

In der dritten Phase schließlich vollzieht sich eine Akzeptanz der neuen Kultur durch die „normale" Gesellschaft. Die neu entstandene Jugendkultur wird von der normalen Kultur geschluckt. Heutzutage bspw. werden die Charts zum großen Teil von äußerst kommerziellen „Techno-Produktionen" beherrscht. Diese Produktionen haben zwar mit dem eigentlichen Techno nichts mehr zu tun, und ein „echter Techno-Anhänger" rümpft mit Sicherheit die Nase, wenn er hört, was so in den Hitparaden läuft, aber alle diese Produktionen haben den für Techno typischen durchgehenden Bass-Drum-Sound und ihre Wurzeln lassen sich zweifelsohne in der Techno-Musik finden. Für einige Jugendliche verliert die Jugendkultur in dieser Phase ihre Anziehungskraft und es entsteht ein Vakuum, in dem sich schon wieder ein neuer Trend vorbereitet - der Kreis schließt sich.

Techno hat diese dritte Phase bereits durchschritten. Er ist derart von der Industrie vermarktet worden, wie kaum eine andere Jugendkultur zuvor. Von Seite der Firmen wurden alle nur erdenklichen Anstrengungen unternommen, auch eine Scheibe des Kuchens abzubekommen. Es gibt organisierte Parties auf Schiffen, in Zügen, in Flugzeugen, egal wo, Hauptsache nicht alltäglich und noch nicht dagewesen. Die Hauptintention für die Sponsoren solcher Events ist die Präsenz in den Medien:
„ Allen voran marschiert die Tabakindustrie als übermächtiger Sponsor diverser Großevents. Die Krönung der immer kostenintensiveren Engagements sind sicherlich die von Camei veranstalteten „Airraves", wo zum Beispiel ein Flugzeug gechartert und der zahlungsfreudige Raver für taschengeldfreundliche tausend Mark zum Tanzen nach Las Vegas geflogen wird."
(Claus, C. in Rabes, M / Harm, W., 1997, S.89).

Daneben gibt es auch eine große Palette an Artikeln, die exra für die Techno-Szene entwickelt worden sind. An erster Stelle stehen hier natürlich die „Energy-Drinks" wie „Flying Horse" und andere, die zu immensen Preisen verkauft werden, deren Wirkung aber im Regelfall von preiswerter Apfelschorle übertroffen wird. (vgl., ebd., S.89)
Auch im Bereich der Kleidung ist Techno vollkommen kommerzialisiert worden.
„ Der Bekleidungssektor fand mit Techno ein völlig neues Betätigungsfeld. Von den klassischen Sportmarken mit eigenen techno-orientierten Kollektionen über reine Merchandising-Firmen, die Einheitsshirts mit den Logos von Plattenlabels oder Clubs bedrucken, bis hin zu Designern, die Haute-Couture-ähnliche Kreationen in die Partyszene entsenden."
(ebd., S.89 und 90)

Anmerkung des Verfassers: Den meiner Meinung nach Gipfel der Kommerzialisierung entdeckte ich vor wenigen Tagen in einem großen Dortmunder Kaufhaus. Eine CD mit dem Titel „ Bugs Bunny und seine Techno-Freunde", darauf Kinderlieder in Techno-Form.

5.5 Die Party als Entspannung - Aber Leistung ist angesagt

Obwohl es wahrscheinlich für einen äußerst großen Teil der Bevölkerung unseres Landes auf ewig ein Rätsel bleiben wird, wie ein Mensch sich in einer Diskothek bei hoher Lautstärke, unter schlechten Luftbedingungen und dazu noch eingequetscht zwischen hunderten anderer Raver entspannen kann, wird dies doch vom Techno-Partybesucher ganz anders empfunden. Für ihn bedeuten diese Stunden ein Losgelöstsein vom (manchmal) langweiligen und grauen Alltag, Stunden, in denen er nicht über irgendwelche Probleme nachdenken will, sondern in den meisten Fällen zusammen mit seinen Freunden eine Party feiert.
„Der Besuch von Technoveranstaltungen kann für Jugendliche auch ein Mittel sein, belastende Alltags- und Streßsituationen bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben besser aushalten zu können. In diesem Fall wird die Technoparty zur Erholung (Rekreation) aufgesucht."
(Cousto, H., 1995, S.43)
Nicht nur als Erholung wird das Party-Wochenende angesehen, sondern auch als Ausbruch aus dem „normalen" Leben, ein Kontrast zum Alltag. Neue Leute kennenlernen, sich locker und ungezwungen unterhalten, manchmal die ganze Nacht lang, oder einfach nur Tanzen, Spaß an der Bewegung haben, schwitzen und Lachen, das sind im Allgemeinen die Intentionen der Raver, wenn sie eine Party besuchen.

In unserer heutigen Gesellschaft der Massenmedien, Mobiltelefone, Faxmodems und Datenhighways werden die Menschen mit Informationen und Sinneseindrücken geradezu überschüttet. Eine ständige Präsenz, diese Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten wird von praktisch jedem erwartet. Die menschliche Verarbeitunskapazität ist jedoch schon seit längerem überlastet. Um diese wieder zu entlasten, so meinen viele Party-Gänger, biete sich ein wöchentlicher Inten- sivurlaub in Form einer Party geradezu an. Dort könne man die angestauten Spannungen, die aufgebauten Aggressionen wunderbar „wegtanzen" und sei nicht dem allgegenwärtigen Druck unserer heutigen Leistungsgesellschaft ausgesetzt. (vgl. Zeitschrift „Highlife", 1/97, S.39).
Die Frage, die sich daraufhin stellt, ist die, ob bei einer Techno-Party nicht mindestens die gleichen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Besuchers gestellt werden, wie im „normalen" Leben auch.

Es fängt doch schon beim Türsteher an: Wer nicht „stilecht" gekleidet ist, hat des öfteren Probleme, überhaupt hereingelassen zu werden, besonders in Clubs, die etwas „auf sich halten". Generell scheint die passende Kleidung ein wichtiger Punkt innerhalb der Szene zu sein. Wie bereits oben beschrieben, ist die Szene keineswegs so tolerant, wie es oft behauptet wird, und erscheint jemand in Szeneuntypischer Kleidung, so wird er mit Sicherheit bemerken, daß viele andere ihn etwas verstört angucken werden.

Ein weiterer Punkt ist der, daß die Clubs ihre Türen in der Regel gegen 23 Uhr öffnen, die Party aber erst ab ca.2 Uhr in der Nacht richtig losgeht und dann meistens bis in die frühen Morgenstunden oder noch länger andauert. Hier ist die Leistung durchzuhalten gefordert, wer schon um 3 Uhr nach Hause geht, ist ein Schlappmacher, er verpasst ja das Beste.
„Die Raves, auf denen Ecstasy konsumiert wird, sind zum Erlebnis- und Abenteuerersatz für junge Menschen in der Großstadt geworden. Gut drauf sein ist das Ziel, und durchmachen muß man, vor allem nach Einnahme der Pille."
(Wilkens, W., 1995, S.68)
Kein Wunder, daß angeblich energiesteigernde Getränke wie „Red Bull" oder „Flying Horse" gerade in der Techno-Szene ihren größten Absatzmarkt haben. In Anbetracht dieser Tatsachen ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, daß die Besucher zu Drogen greifen, um durchzuhalten und um nichts zu verpassen.
„Da die langandauernden Tanz- und Technoparties dem Körper einiges abverlangen, achten die Raver auf körperliche Fitneß. Häufig wird der körperlichen Leistungsfähigkeit mit Hilfe der (...) stimulierenden Drogen wie Ecstasy und natürlichen Koffeinen wie Guarana oder teuren Koffeinpräparaten (...) nachgeholfen."
(Schroers, A., 1996, S.66)

Zwar wiederholen sich in der Szene oft Formulierungen und Aussagen wie „es geht auch ohne Drogen", aber „meist siegt auch bei selbsternannten Rave-Gurus, und vor allem bei kalkulierenden Veranstaltern und nüchternen DJs, die Einsicht, daß die Raves ohne Drogen spätestens um sechs Uhr morgens zu Ende wären. Ohne Drogen keine Marathonfeier."
(vgl Walder, P. in Ecstasy-Prävention des Mißbrauchs, 1995, S.32).

Natürlich kann niemand behaupten, daß 100% der Besucher einer Party unter dem Einfluß einer Droge stehen oder daß man nur „zugedröhnt" stundenlang zu Techno tanzen könne. Ecstasy ist nicht Voraussetzung, aber schon ziemlich stilprägend für die Techno-Kultur. Und die Leistungsanforderungen an den Party-Teilnehmer werden durch den Ecstasy-Gebrauch noch erhöht. Eine Person, die nüchtern eine Party besucht, kann dies wenigstens noch zur „Entschuldigung" anbringen, wenn sie früher als andere nach Hause möchte, aber jemand, der Ecstasy genommen hat, „kann" eigentlich nicht vor sechs Uhr auf die Idee kommen, den Club verlassen zu wollen. Ähnlich verhält es sich mit der Stimmung eines Einzelnen. Schlechte Laune oder gar Mißmut auf einer Party sind ganz und gar nicht angesagt. Wie im Kapitel „Politische und moralische Werte und Ideale der Techno-Szene" bereits beschrieben wurde, wird an den Party-Gänger die Leistungsanforderung gestellt, gut drauf zu sein.
„Ein unglücklicher Raver stellt in sich ein Paradoxon dar. Man muß mitmachen und eine Party der Superlative feiern, oder diese mindestens wie einen Orgasmus vortäuschen."
(Zeitschrift Highlife, 1/97,S.40).

Obwohl diese Worte nicht ohne einen leicht ironischen Unterton geschrieben wurden, ist mit Sicherheit etwas dran am Paradoxon des unglücklichen Ravers. Aber wo bleibt die Entspannung, wenn ich mich unter den Druck gesetzt fühlen muß, unbedingt gut drauf sein zu müssen?

Aber auch die Veranstalter sind inzwischen in Zugzwang geraten, jede Party muß noch besser sein als die letzte, reine Wiederholungen eines Konzepts sind nicht gefragt:
„Die Partys haben Extase auf dem Programm. Das Angebot an technischer Ausstattung und Effekten wird ständig überboten, jede Party soll ein Riesenspektakel sein, von dem man noch lange spricht: 'Der Aufwand stellt alles, was es bisher in der Geschichte von Mayday und Partys überhaupt jemals gegeben hat, in den Schatten: 250 Tonnen Licht und Ton, 500.000 Watt Sound, 200 Techniker, eine Woche Aufbauzeit...' tönen die Veranstalter in der TAZ vom 25.11.94....müssen sich mit jedem neuen Mayday-Mega-Rave selbst übertreffen. Teurer, lauter, bunter: Zur Ehre des Maschinenrhythmus werden keine Mühen gescheut. Jeder Mayday ist deshalb der größte Rave aller Zeiten, für jeden Mayday liegt die Latte etwas höher."
(Spohr, B., 1995, S.10). Die Veranstalter sollten sich meiner Meinung nach einmal vergegenwärtigen, in was für einen Kreislauf sie hineingeraten sind und sich fragen, ob weniger nicht manchmal mehr ist.

5.6 Zu Techno Tanzen - Oder „ die Seele baumeln lassen"

Fast alle Stile von Techno, abgesehen vielleicht von Ambient und, mit Abstrichen, Trance, sind durch ihren durchgehenden und antreibenden 4/4-Rhythmus wie geschaffen, um dazu zu tanzen. Eine Techno- Party ohne eine sich auf der Tanzfläche bewegende Menge ist eigentlich nicht vorstellbar. Um sich vorzustellen, was Techno- Musik für eine Wirkung auf Körper und Geist hat, muß man in der Lage sein, sich darauf einzulassen. Schafft man dieses nicht, empfindet man Techno wohl eher als undefinierbaren Lärm und weniger als Musik. In diesem Kapitel soll beschrieben werden, was die Faszination des Tanzens in Verbindung mit Techno ausmacht.

Kurz und knapp ausgedrückt kann auf einer Party die Musik zusammen mit den anderen Sinneseindrücken, die hier zu erfahren sind, den Raver beim exzessiven Tanzen in Trance- und Rauschzustände versetzen. Drogen wie Ecstasy werden u.a. dazu benutzt, diese Rauschzustände schneller auftreten und das Tanzen noch intensiver werden zu lassen. Die Verbindung von Musik und Tanz, mit der Intention, bestimmte Trance- oder Rauschzustände zu erlangen, reicht weit in die Geschichte der Menschheit zurück. In seinem Buch „Vom Urkult zur Kultur" nennt H. Cousto einige Beispiele von Volksgruppen oder religiösen Vereinigungen, die durch das Zusammenspiel von Tanz und Musik (oft kamen auch Drogen dazu) andere Bewußtseinszustände hervorrufen wollten. Er nennt Schamanenmusik, Derwischtänze, Sufiorden und Gregorianischen Gesang als Beispiele für diese zumeist religiös inspirierten Gruppen. Allen gemeinsam war die Benutzung derselben musikalischen Mittel :
Rhythmus, Wiederholung und oftmals eine Steigerung des Tempos (vgl.ebd., 1995, S.46-52).
Techno-Tänzer berichten oft davon, daß sie nach einiger Zeit des Tanzens die Musik fast ebensogut fühlen wie hören könnten, und obwohl es der Bass ist, der die Tänzer anreibt (vgl. Ahrens, H., 1993, S.91), liegt dies nicht nur an dieser vorherrschenden Frequenz. Ahrens erklärt, daß zum einen das vegetative Nervensystem durch die Hochgeschwindigkeit des Beats, zum anderen die Psyche durch Klang - und darauf abgestimmte Lichtcollagen- beeinflußt werde.
„Die technisch erzeugten Licht-und Schallwellen und die synthetischen Rhythmen der Technomusik durchdringen mit ihrer Impulsdichte und Hochfrequenz den lebenden Organismus ganz und erzeugen im wesentlichen den „Kunstraum"."
(Ahrens, H., 1993, S.33).

Da eine Wirkung von Ecstasy die Steigerung des Berührungsempfinden ist, ist es durchaus vorstellbar, daß der Eindruck, die Musik spüren zu können, dadurch noch verstärkt wird. Viele Tänzer empfinden das stundenlange Tanzen als eine körpelich-sinnlich-seelische Verbindung, die als Befreiung und Ablenkung angesehen wird. Dahinter steht oftmals der Versuch, eine Einheit zwischen Körper, Seele und Geist zu finden. Ahrens bezeichnet diesen Effekt der Entspannung bei gleichzeitiger Bewegung „Entspannungsekstase"
(ebd., S.33). Interviewpartner von Ahrens sagen, daß das Tanzen ihnen helfe, sich von Affektstauungen, Alltagsfrust und spezifischen Alltags - und Lebensängsten zu befreien und sie die Zeit vergessen ließe (vgl. ebd., S.96).
„Techno ist eine nichtaggressive Musik, sagt Valerie, auch wenn viele das Gegenteil behaupten würden. Sie peitsche nicht auf, sondern baue Aggressionen ab. Tanzen sei Trance und Leistungssport zugleich, nachher bist du erschöpft, ausgelaugt, aber zufrieden."
(Saunders, N., 1994, S.272).
Bestätigt wird dies auch von den Gesprächspartnern K. Krollpfeiffers:
„...dieser Rhythmisierungseffekt, was die Musik angeht (...) Diese Umsetzung der Musik in Tanzbewegungen funktioniert auf 'ne ganz außergewöhnliche Weise..."
(Krollpfeiffer, K., 1995, S.167).
Techno- Parties scheinen auch insofern ein guter Platz zum Tanzen zu sein, weil jeder im Grunde genommen machen kann, was er möchte. Der Unterschiedlichkeit der Tanzstile sind keine Grenzen gesetzt, manche stehen eher auf der Stelle und bewegen nur ihre Arme, andere laufen beim Tanzen durch die Gegend, und wieder andere springen auf und ab.
„Das Tanzen auf den Raves (oder House-, Technoparties) ist berührungsfrei, es sind keine festgelegten Tanzstile auszumachen. Aus Platzgründen werden oft die Arme in die Luft gehoben."
(Schroers, A., 1996, S.65).
Gleichzeitig Drogen zum Tanzen zu gebrauchen, ist zwar weit verbreitet, aber um die ekstatischen Erfahrungen beim Tanzen zu machen muß man nicht unbedingt Drogen nehmen:
„Du kannst das Erlebnis [des exzessiven Tanzens, d.Verf.] nicht haben ohne die Musik, aber du kannst das Erlebnis haben ohne die Droge."
(Krollpfeiffer, K., 1995, S.205).

Allerdings sind Techno-Parties der ideale Rahmen für Ecstasy, „bspw. um einen Zustand wie Trance oder Ekstase zu erfahren." ( Schroers, A., 1996, S.65)

H. Cousto beschreibt das Gefühl des Tanzens auf Parties folgendermaßen:
„Der Beat und der Sound treiben einen auf die Tanzfläche und schon befindet man sich in einem ganz neuen Energiefeld, jenseits von Logik und Verstand, hüpfend und tanzend bis einem der Schweiß in großen Tropfen auf der Haut herunterperlt, mit allen anderen im Gleichklang tanzend und tobend bis zur völligen Ekstase."
(Cousto, H., 1995, S.42).

Außer der Drogenwirkung gibt es aber noch andere Aspekte, welche den Tänzer das Tanzerlebnis rauschähnlich empfinden lassen. Man kann das Tanzen mit sportlichen Betätigungen wie z.B. dem Langstreckenlaufen vergleichen. Bei Marathonläufern bspw. werden nach einer bestimmten Zeit körpereigene Drogen ausgeschüttet, die sog. Endorphine. Diese Endorphine bewirken, daß der Sportler bzw. der Tänzer die Anstrengungen der körperlichen Betätigung nicht mehr so stark bemerkt, eine Art des Rauscherlebnisses wird empfunden (vgl. Wirth, N., 1996, S.54). Die auf die Musik hin abgestimmten Lichteffekte, zuckende Stroboskop-Strahler, verbunden mit der hohen Lautstärke auf Raves verursachen eine Art Reizüberflutung. Nach Rufer wirkt eine Reizüberflutung genauso wie Reizentzug. Die Methode des Reizentzugs wird in der Psychotherapie angewendet, um beim Patienten außergewöhnliche Bewußtseinszustände hervorzurufen. Einige Effekte dieser Reizentziehung gleichen von ihrer Wirkung her denen von Ecstasy oder auch von anderen Halluzinogenen. Auch der Schlafentzug, der oft mit dem Besuch von Techno-Parties einhergeht, tendiert von seinen Auswirkungen her in diese Richtung.

5.7 Hat Techno einen religiösen Aspekt?

Einige Techno-Liebhaber vergleichen die ekstatischen Erfahrungen, die auf Parties gemacht werden können, mit religiösen Erfahrungen. Auch einige Autoren, unter ihnen besonders Cousto, gehen auf dieses Thema näher ein. Cousto schreibt u.a., daß Techno es durch seine konsequente sequenzielle Struktur ermögliche, einen Zugang zu Bereichen zu bekommen, die den materialistischen und naturwissenschaftlichen Denkweisen verschlossen blieben, und daß diese Erlebniswelten jenseits aller klassischen abendländischen Kultur und der Kunst bekannten Muster lägen.

Er zieht Parallelen zwischen Techno und Religion, indem er den Plattenteller mit Gebetsmühlen gleichsetzt, die Diskothek als einen Tempel sieht und den DJ mit einem Priester vergleicht (vgl. Cousto, H., 1995, S.42). Des weiteren setzt er die Regelmäßigkeit, mit der Raver zu Parties gehen, genauso wie die Wochentage, nämlich Samstag und Sonntag, mit dem Verhalten von Kirchengängern gleich. Auch das Tragen bestimmter Kleidung und das gemeinsame Zelebrieren eines Rituals zeige Ähnlichkeitem zwischen der Kirchen- und der „Techno"-Gemeinde. „Wem die heutige Kirche zu rational geworden ist, der kann im Techno-Tanz-Tempel mystische, visionäre und ekstatische Erfahrungen mit anderen Menschen sammeln. So wie einst die Kirche für die meisten gläubigen Menschen ein Zentrum des gesellschaftlichen Lebens war, so ist heute der Techno-Tanz-Tempel der zentrale Treffpunkt der Technoliebhaber."
(Cousto, H., 1995, S.42).

Zwar mag es einige Technoliebhaber geben, für die das Besuchen von Parties den gleichen Stellenwert hat, wie für andere der Gang zur Kirche, doch halte ich diesen Vergleich für etwas weit hergeholt. Die Hauptintention der Party-Besucher ist doch wohl eher hedonistischen Charakters, und religiöse Ansprüche kann man meiner Meinung nach, wenn überhaupt, nur selten finden. Viele Leute sehen im DJ eine Verkörperung eines Priesters, weil die Raver zu ihm heraufschauen und er den Takt angibt, doch die Konstellation Zuschauer-Musiker kann man seit Jahrzehnten auf jedem Rockmusik-Konzert antreffen, und dort hat man noch nie etwas von einem solchen Vergleich gehört.

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6. Vorstellung suchtpräventiver Organistionen und Einrichtungen

6.1 Eve & Rave e.V., Berlin

(Bei der Beschreibung von Eve & Rave beziehe ich mich vor allem auf die Ausführungen von H. Cousto, 1995, SS.198-203)
Eve & Rave, seit Oktober 1994 eingetragener Verein, bezeichnet sich selber als „ein Raverprojekt für Gesundheit, Kultur und Arbeit zur Förderung der Technokultur und Minderung der Drogenproblematik." Die Gründung des Vereins geht auf die Initiative von Ravern aus der Szene einerseits und auf das Engagement des Soziologen Helmut Ahrens andererseits zurück. Der eigentliche Initiator Ahrens führte im zweiten Halbjahr des Jahres 1993 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums eine Studie der deutschen Aids-Hilfe in der Techno-Szene durch. Da MDMA einen gewissen Ruf als Liebesdroge hat(te), sollte diese Studie der Frage nachgehen, ob wegen des weitverbreiteten Konsums in der Szene ein HIV-riskantes Verhalten und damit ein besonderer Bedarf an Aids-Prävention bestünde.

Durch diese Studie aufmerksam geworden, begann eine Gruppe engagierter Raver, sich einmal in der Woche zu treffen, um wichtige, die Szene betreffende Dinge zu besprechen. Ein Punkt, der diesen Leuten als besonders wichtig erschien, war der, die Raver darauf aufmerksam zu machen, wie man Drogen mit möglichst wenig Risiko konsumieren kann. Da es sich sehr schnell zeigte, daß darüber nur Wenige Bescheid wußten, beschloß man eine Safer-Use-Broschüre zu Ecstasy, Speed, LSD und Kokain herauszubringen. Allerdings stieß der Inhalt dieser ersten Broschüre auf starken Widerstand aus der Politik, insbesondere aus den Reihen der SPD und CDU. Es hieß, das Heft sei eine „jugendgefährdende Schrift", insofern, als daß es Drogen verharmlose und Jugendliche durch solch eine Gebrauchsanweisung erst zum Drogenkonsum verführe. Die Veröffentlichung der ersten Originalbroschüre in Frankfurt a.M. wurde aufgrund des politischen Drucks zunächst wieder eingezogen. Erst nach einer Überarbeitung durch eine Gruppe von Frankfurter Drogenexperten und erneuter Prüfung durch die Frankfurter Staatsanwaltschaft wurde die nun teilzensierte Fassung wieder veröffentlicht. Alle seitdem gedruckten und neu bearbeiteten Auflagen waren binnen kürzester Zeit vergriffen. Die Broschüren wurden u.a. auf Parties verteilt und fanden reißenden Absatz, was das große Informationsdefizit und -bedürfnis seitens der Party-Gänger deutlich machte.

Weil sich Eve & Rave aus der Szene heraus entwickelt hat, besteht unter den Ravern eine sehr große Akzeptanz für deren Arbeit. Man arbeitet prozeßorientiert, und der Blickwinkel ist auf die Bedürfnisse der Raver ausgerichtet, der Verein ist voll in die Szene integriert. Innerhalb des Vereins gibt es eine Aufsplittung in verschiedene Arbeitsgruppen, die allerdings nicht strikt getrennt voneinander arbeiten, sondern aufeinander aufbauen und sich sich ergänzen:

  1. 1. „Vor-Ort" - Arbeit in Berlin
    Rave Safe Line: Bei dieser Telefongruppe können interessierte Leute anrufen und sich ihre Fragen am Telefon beantworten lassen
    Club-Teams: Hier werden Informationsstände organisiert, die direkt auf Parties aufgebaut und an denen unterschiedliche Sachen angeboten werden. Die Partydrogen-Broschüre ist hier erhältlich und es werden Kondome und Safer-Sex-Infos verteilt. Außerdem kann man hier persönliche Beratungsgespräche in Anspruch nehmen.

    Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern
    Kreativworkshops für Raver: Hier werden allgemeine kreative Aufgaben wie die Gestaltung der Informationsstände, Herstellung von Vereins-Shirts und weitere ähnliche Dinge organisiert und verwirklicht. Twin-Planet: Der Twin-Planet ist ein freistehendes Haus in der Nähe von Berlin. Hier gibt es gruppentherapeutische Angebote für Leute, die Probleme mit ihrem Drogenkonsum haben oder „partysüchtig" geworden sind. Es bestehen Angebote wie Meditationen und kreative Workshops. Der Vorteil hierbei besteht in der Tatsache, daß die Leute hier in ihren Szenezusammenhängen bleiben und somit die Hemmschwelle, dieses Angebot wahrzunehmen, sehr niedrig liegt
    Drug-checking: Bis vor ca. einem halben Jahr war den Testen einer Ecstasy-Pille nur durch Einsenden von 70,-DM möglich. Aufgrund dieser hohen Kosten, war es eigentlich nur für Dealer interessant, dies durchzuführen, da es sich wahrscheinlich nur wenige Konsumenten leisten können, so viel Geld für das Testenlassen auszugeben. Nun bietet auch Eve & Rave den Schnelltest auf Parties an, der zwar auch nicht aussagen kann, was wirklich in der Pille enthalten ist, aber wenigstens die Hauptstoffe (MDMA, Amphetamin oder Halluzinogene) identifiziert.
  2. Kommerzielle Kreativarbeit
    In diesen Bereich fallen Dinge wie die Gestaltung der Chill-Out-Räume, der Informationsstände und -zelte sowie Konzeption, Gestaltung und Bau der Mind-Machines, die weiter oben schon beschrieben wurden. Diese Arbeitsgruppe ist auch für die Produktion einer Benefiz-CD für Eve & Rave verantwortlich. Diese Arbeit verfolgt zum einen das Ziel, Künstlern aus der Szene Gelegenheitsjobs zu verschaffen, zum anderen aber auch Geld für den Verein zu erwirtschaften.
  3. Außenkontakte und Entwicklung neuer Konzepte
    In dieser Arbeitsgruppe werden Kontakte zu anderen in der Szene tätigen Präventionseinrichtungen gepflegt. Hier wird überprüft, inwiefern sich bewährte Konzepte anderer Einrichtungen, wie z.B. das aus Manchester stammende „Safer-Dancing" auf Berlin oder auf die übrige deutsche Party-Szene übertragen lassen.
    Weiterhin werden hier DJ's dahingehend ausgebildet, wie sie die Partybesucher durch ihre Musik in Trance versetzen, aber auch wieder zurückholen können. Hierbei profitieren Verein und DJ gegenseitig voneinander. Die Gage wird von Eve & Rave kassiert, der DJ erlangt einen Bekanntheitsgrad über die Grenzen von Berlin heraus, was normalerweise bei der Masse an ambitionierten DJ's sehr schwierig ist.
    In dieser Kontaktgruppe wird außerdem ein Informationsaustausch mit Drogenberatungsstellen, Drogennotdiensten, Gesundheitsministerien und -ämtern sowie den Senats-Regierungsstellen betrieben. Dort stoßen jedoch die Vorschläge für eine liberalere Drogenpolitik in der Regel auf „taube Ohren" (vgl. Cousto, H., 1995, S. 209-213).

Ziele von Eve & Rave
Die von Eve & Rave verfolgten Ziele sind einerseits auf die Gesundheit der Raver, andererseits auf die Entwicklung und Fortführung der Techno-Kultur ausgerichtet. In der Präventionsarbeit werden Drogen nicht verteufelt, es wird auch nicht auf eine absolute Drogenabstinenz hin gearbeitet. Vielmehr wird es angestrebt, die Eigenverantwortung der Partygänger hinsichtlich ihres Drogenkonsums, ihrer Gesundheit und ihres Wohlergehens entwickelt, bzw. verstärkt werden. Bewirkt werden soll dies durch eine Stärkung und Anregung des Bewußtseins der Raver für Beziehungen untereinander. Diese Beziehungen sollen einer Suchtentwicklung entgegentreten. Im Gegensatz zur immer stärkeren Kommerzialisierung der Szene sollen die „alten Werte" wie Toleranz und Gemeinschaft untereinander besonders den Neueinsteigern nahegebracht werden. Außerdem soll die Technokultur in der Musik und der Körperarbeit weiterentwickelt werden.

Finanzierung
Da der Verein keinerlei finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite erhält, finanziert er sich aus eigener Kraft durch die Arbeit der einzelnen Mitglieder. Ein großer Teil des Geldes kommt durch z.T. zweckgebundene Spenden von Diskothekenbetreibern oder DJ's zusammen. Auch für Vorträge auf Informationsveranstaltungen oder im Fernsehen bekommt man Geld. Der Verein arbeitet daraufhin, daß man sich mehr und mehr aus eigener Kraft finanzieren kann. Dies soll dadurch erreicht werden, daß man sich die Arbeitskraft der Mitglieder verstärkt bezahlen läßt - entweder durch die Nutzer oder durch Sponsoren.

6.2 Der Drogeninfobus der Beratungsstelle Hannover

Ausgehend von Beobachtungen in England sahen die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle in Hannover, was für Probleme in Verbindung mit Ecstasy auf sie zukommen würden. Deshalb beschlossen sie, ein Faltblatt zu konzipieren und zu veröffentlichen, in dem darüber aufgeklärt werden sollte, welche Dinge man als Konsument von Pillen beachten sollte. 1993 schließlich wurde der „Raver's Guide" als erstes Informationsheft über Ecstasy veröffentlicht. Parallel zur Erstellung der Broschüre wurde ein ausrangierter Doppeldecker-Bus der Berliner Verkehrsbetriebe angeschafft und umgebaut. Im unteren Bereich des Busses befinden sich nun Stehtische und Barhocker, außerdem werden dort Säfte und Mineralwasser zum Selbstkostenpreis verkauft. Im Oberdeck befindet sich ein Chill-Out-Raum, wo sich bis zu 20 Leute bei angenehmen Temperaturen erholen können. Der gesamte Bus ist ein drogenfreier Raum, d.h. es dürfen dort keinerlei Rauschmittel konsumiert werden, auch kein Alkohol.
Mit diesem Bus fahren Mitarbeiter der DROBS nun direkt zu den Parties, vornehmlich im Bereich Hannover und Umgebung. Zugänglich für die Besucher ist er von 22 Uhr abends bis 6 Uhr am Morgen. Die Besucher haben hier aber nicht nur die Möglichkeit, sich auszuruhen oder preiswerte Getränke zu kaufen. Vielmehr wollen die Mitarbeiter mit Usern ins Gespräch kommen, was vor allem durch die Nähe zur Szene erreicht werden soll. Nach der Sicht der Drobs brauchen Jugendliche eine differenzierte und objektive Aufklärung zum Thema Ecstasy und anderer Party-Drogen. Sie will nicht zur absoluten Drogenabstinenz aufrufen, da sie diese Zielsetzung als unrealistisch ansieht. Vielmehr soll es darum gehen, den Drogenkonsumenten zu akzeptieren und ihm zu einem vernünftigen Umgang mit Rauschmitteln zu verhelfen. Außerdem soll der Konsument Gefahren beim Konsum erkennen und abschätzen können, genauso wie Verantwortung zu übernehmen.
Ein oft vorkommender Einsatzort des Buses sind die „Hanomag-Hallen" in Hannover. Dort finden an Wochenenden Techno-Großveranstaltungen mit mehreren tausend Besuchern statt. Trotz des großen Publikums gibt es dort keinen Chill-Out, so daß die Kapazität des Busses eigentlich jederzeit voll ausgeschöpft wird, die Akzeptanz der Raver ist nach einigen Anfangsschwierigkeiten sehr hoch.

Pillentesten
Das Testen von Pillen stellt innerhalb der Arbeit des Busses einen wichtigen Faktor dar. Durch das Pillentesten hat die DROBS einen recht guten Überblick über die sich momentan auf dem Markt befindlichen Pillen. Sie führt einerseits den Schnell-Test durch, bei dem einige Krümmel einer Pille mit Indikatorflüssigkeit beträufelt werden. An der sich anschließend einstellenden Verfärbung kann abgelesen werden, ob es sich beim enthaltenden Wirkstoff um MDMA oder ein Derivat davon handelt, ob eventuell Amphetamine oder Halluzinogene enthalten sind bzw., ob überhaupt ein Rauschmittel drin ist. Allerdings kann dieser Test keine Aussage dahingehend machen, wie hoch der Wirkstoffgehalt ist, bzw. wieviele Verunreinigungen die Pille enthält (daher wird in diesem Zusammenhang auch eher von „Pillenidentifikation" als vom „Pillentest" gesprochen).

Deshalb werden die meisten Tabletten in einem Labor, das mit der DROBS zusammenarbeitet, per Spekroskop untersucht. Anhand von Form, Farbe, Abmessung und Prägung läßt sich so fast jede Pille zuordnen. Kommt eine „schlechte" Pille in das Labor, also eine Pille, die hohe Verunreinigungen oder andere gefährliche Beimischungen wie z.B. DOB (ein Halluzinogen mit bis zu 30 Stunden Wirkungsdauer) enthält, werden so schnell wie möglich Warnzettel gedruckt und auf den Parties verteilt. Parallel zu solchen Aktionen arbeitet die Drobs mit dem Techno-Magazin „Mushrooms" zusammen. Inzwischen hat die Drobs in diesem Veranstaltungsheft eine eigene Rubrik, in der neben allgemeinen Fragen zu Ecstasy oder anderen Drogen Analyseergebnisse und Warnungen vor schlechten Pillen veröffentlicht werden. Die Akzeptanz ist nach Aussage von Peter Märtens sehr groß, viele Raver rufen auch unter einer Hotline an und fragen nicht nur nach Testergebnissen, sondern vor allem nach gesundheitlichen Auswirkungen des Drogenkonsums.

Es gibt eine Kontroverse zwischen der Beratungsstelle und Eve & Rave, dahingehend, ob die Testergebnisse aller Pillen veröffentlicht werden sollten, oder nur die der schlechten. Eve & Rave ist der Ansicht, daß die Leute über qualitativ gute Pillen genauso informiert werden sollten, wie über schlechte oder gefährliche. Die Mitarbeiter des Drogeninfobusses sehen allerdings die Gefahr, daß sich User auf ein Testergebnis einer angeblich guten Pille verlassen könnten, ohne mit Gewißheit sagen zu können, ob es sich wirklich um die gleiche und nicht um eine Kopie handelt. Die User könnten sich in einer nicht vorhandenen Sicherheit wiegen und lassen ihre Pillen dann evtl. nicht mehr testen.

Ziele und Absichten der Beratungsstelle Hannover
In seinem Vortrag auf der Fachtagung Ecstasy machte Lennart Grube deutlich, daß es in der Arbeit der Drogenberatungsstelle nicht mehr nur darum gehen könne, Hilfen zum Ausstieg aus dem Drogenkonsum zu geben, sondern daß ein weiterer und wichtiger Schwerpunkt auf den Bereich der Drogenerziehung gelegt werden müsse. Seiner Meinung nach ist nicht der asketisch lebende Mensch das Ideal unserer Gesellschaft, sondern vielmehr der mündige Konsument.
„Davon ausgehend, daß das Ausprobieren und der Konsum auch von illegalen Rauschmitteln ein jugendtypisches Risikoverhalten darstellt, muß sich die Prävention auch als eine Art „Drogenerziehung" verstehen."
(Grube, L., eigenes Protokoll der Fachtagung Ecstsy, 1997)

Um die Ziele der Drogenerziehung zu verfolgen, fährt der Drogeninfobus unter der Woche zu Schulen. Dort werden die Schüler über Drogen informiert und Fragen dazu werden beantwortet. Die Informationsschrift „Raver's Guide" wird dort übrigens nicht verteilt, da sie für Leute gedacht ist, die sich bereits dazu entschlossen haben, MDMA zu nehmen.

Eine weitere Zielgruppe der präventiven Arbeit sind Lehrer, Eltern und Freunde der Konsumenten. Diese sollen genauso über Ecstasy, LSD und Speed aufgeklärt werden. Deshalb hat die DROBS Hannover auch eine speziell für Eltern konzipierte Broschüre herausgegeben, in der über eben diese Drogen informiert wird. Die Eltern sollen ihre Informationen nicht aus unsachlichen oder panikmachenden Zeitungsartikeln bekommen, sondern sich mit der Thematik angstfrei(er) auseinandersetzen. Außerdem soll erreicht werden, daß sie auf der Basis kompetenter Informationen einen besseren Zugang zu Gesprächen mit ihren Kindern bekommen.

Die Finanzierung des Busses
Die Finanzierung des Busses steht auf keinem sicheren Boden. Die Mitarbeiter werden hauptsächlich über ABM-Stellen finanziert, die in den meisten Fällen nur über ein Jahr laufen. Dies hat natürlich den Nachteil, daß die Klienten zum Jahresende eine Umstrukturierung der Mitarbeiter in Kauf nehmen müssen, was eine Konstanz der Beziehung zwischen Mitarbeiter und Klient nicht zuläßt. Auf Veranstaltungen stellt der Bus eine Dienstleistung dar, die vom Veranstalter und somit eigentlich vom Besucher bezahlt werden muß. Der Veranstalter muß pro verkaufter Eintrittskarte 50 Pfennig an die DROBS abführen. Bei einer Besuchermenge von 3000 Personen erwirtschaftet sie also 1500,- DM.

6.3 Das Jellinek-Zentrum, Amsterdam

Obwohl es immer wieder heißt, die niederländischen Drogengesetze seinen besonders liberal, unterscheiden sie sich nicht sonderlich von denen der Nachbarländer. Lediglich die politischen Auslegungen der Gesetze sind liberaler. Die Politik in den Niederlanden verfolgt nicht das grundsätzliche Ziel, seine Bürger vom Drogenkonsum abzuhalten. Es wird stattdessen versucht, die Risiken des Konsums sowohl für die Konsumenten als auch für die Gesellschaft so niedrig wie möglich zu halten. Repressive Maßnahmen erstrecken sich nicht auf die Konsumenten, sondern auf Hersteller und Händler.

Wegen ihres sehr pragmatischen Umgangs mit dem Drogenproblem steht die Niederlande immer wieder im Kreuzfeuer der Kritk der anderen Nachbarländer. Unter solchen Umständen ist es natürlich schwer für ein einzelnes Land, neue Wege in der Art und Weise, mit Drogen umzugehen, zu beschreiten. Trotzdem versucht die niederländische Politik, alternative Strategien zur Repression einzuschlagen. Das Hauptziel des Jellinek-Instituts ist es, dem problematischen Konsum vorzubeugen, nicht dem Konsum im Allgemeinen. Diesen Anspruch kann man mittlerweile auch in deutschen Beratungsstellen finden, auch wenn er hier nicht so unumstritten ist wie in den Niederlanden. Ein für die Präventionsarbeit sicherlich sehr interessanter Ansatz soll im folgenden vorgestellt werden.

6.4 Das Projekt „Antenne"

Antenne ist eine Art Basis für die Präventionsarbeit. Nur wenn man genau darüber informiert ist, was die Menschen bewegt und beschäftigt und was sie eigentlich wollen, kann man ihnen auf eine dafür zugeschnittenen Art und Weise Hilfe anbieten.
„Diese Überlegungen dürfen aber nicht starr auf den Drogenkonsum der Leute gerichtet sein, sondern müssen den Menschen als Ganzes einbeziehen. So muß man sich zum Beispiel fragen, welchen Lebensstil die Person oder die Gruppe verfolgt, ob und wie sie politisch engagiert sind, in welcher Kultur sie erzogen werden / worden sind, welche Wünsche, Ziele und spezifischen Probleme (...) sie in ihrem Leben haben."
(Wirth, N., 1996, S.91)

Um diese Fragen beantworten zu können, hat das Jellinek-Zentrum ein Befragungssystem entwickelt, das halb-und ganzjährlich durchgeführt wird, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Dieses Projekt heißt „Antenne". Aus den Ergebnissen ergibt sich ein Einblick in das gegenwärtige Konsumverhalten der Jugendlichen. Außerdem lassen sich gewisse Trends für die nahe Zukunft ablesen, so daß man einige Prognosen treffen kann, ob es bald Personenkreise geben wird, die vermehrt Drogen konsumieren werden, und welche Drogen bald beliebter werden. Somit ergibt sich der Vorteil, nicht auf bereits aufgetretene Probleme reagieren zu müssen, sondern schon im voraus handeln zu können. Um zu diesen Informationen zu kommen, gliedert sich das Projekt in drei Arbeitsschritte. Als erstes werden im jährlichen Abstand Schüler verschiedener Altersklassen und Angehörige spezieller Risikogruppen, wie z.B. Klienten der Jugendsozialarbeit befragt. Im halbjährlichen Abstand bezieht man Informationen aus einem Forum von 25 Personen, die eine wichtige Stellung innehaben. Hierzu gehören Schlüsselfiguren aus dem Diskotheken- und Gaststättengewerbe, der Jugendsozialarbeit, aus Dealerkreisen, aus Verbänden der ausländischen Arbeitnehmer und der Polizei. Außerdem schickt das Jellinek-Institut zweimal pro Jahr ungefähr 25 Mitarbeiter in die Stadt, um dort in einschlägigen Kreisen nach neuen Trends zu suchen. „Die Interviewer und die befragten Personen kennen sich zum Teil seit vielen Jahren und haben ein vertrauliches Verhältnis zueinander. Es ist selbstverständlich, daß alle Angaben vertraulich behandelt werden und daß niemand ein polizeiliches oder juristisches Nachspiel befürchten muß."
(Cousto, H., 1995, S.180)

Beim zweiten Schritt setzen sich Personen aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen, um das gewonnene Zahlenmaterial auszuwerten: Sozialarbeiter, Mitarbeiter der Prävention, Forscher, Soziologen, Polizeibeamte und Politiker. Durch die Überschneidungen zwischen diesen Berufsgruppen ist dies ein sehr guter Weg, eine Lösung für eine bestehende oder aufkommende Problematik zu suchen und zu finden. Der dritte Schritt der Arbeit besteht darin, auf der Basis der jährlichen Berichterstattung Empfehlungen und Anregungen zu geben, in welchen Bereichen noch weiter geforscht werden muß, oder an welchen Stellen die Polizei oder die Präventionsarbeiter verstärkt tätig werden müssen.

Ziel des Jellinek-Zentrums
Mit der Befragungstechnik wie sie das Jellinek-Zentrum für ihre Arbeit gebraucht, können die neuesten Trends in der Drogenszene aufgespürt werden, und man kann schnell und situationsbezogen beginnen, Konzepte zu entwickeln, um gefährlichen Trends entgegenzuwirken.

Außerdem will das Zentrum den Konsumenten das Wissen vermitteln, wie ein verantwortlicher Umgang mit Drogen erreicht werden kann. Die Entscheidung einer Person für den gelegentlichen Konsum von Drogen muß nicht automatisch schlechter sein, als überhaupt keine Drogen zu nehmen, nur muß der Gebraucher wissen, wie er die damit verbundenen Risiken minimalisieren kann. Die Mitarbeiter des Zentrums wollen den Konsumenten Hilfe anbieten, sich dieses Wissen anzueignen.

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7. Kosumentenschutz in der Szene

Der Pillentest
Es kursieren viele Gerüchte in der Techno-Szene über angeblich in Ecstasy-Pillen enthaltene Verunreinnigungs-oder Zusatzstoffe. Hierbei reicht die Palette der vermuteten Stoffe von anderen MDMA-Derivaten wie MDEA oder MDA über Speed, Koffein bis hin zu Strichnin oder gar Heroin. Inwieweit dies zutrifft oder nicht, soll hier beispielhaft an der Arbeit des Büros von August de Loor, dem „Stichting Adviesburo Drugs" in Amsterdam beschrieben werden.
(In diesem Kapitel stütze ich mich bei der Beschreibung der Arbeit des Labors auf die Ausführungen von Schroers, A., 1996, S.72 und 73).

Leider ist es in Deutschland ziemlich schwierig, Angaben oder verläßliche Informationen über die Zusammensetzung der auf dem Markt gehandelten Pillen zu bekommen, da es kein zusammenhängendes Analyse-System gibt. In den meisten Fällen beschränken sich die Informationen auf Erfahrungsberichte der Raver, die dann untereinander ausgetauscht werden. Eine verläßliche und objektive Beurteilung der Qualität einer Pille wird so natürlich unmöglich, da die Empfindung eines Ecstasy-Rausches von zu vielen verschiedenen subjektiven Faktoren beeinflußt wird, als daß man von seinem Erlebnis auf das zukünftige eines anderen Ravers schließen könnte.

Möchte man sich die Entwicklungstendenzen oder die aktuelle Lage auf dem Schwarzmarkt genauer betrachten, so geschieht dies in der BRD vor dem Hintergrund einer sehr geringen Datenmenge. Lediglich in den Niederlanden findet man eine ausreichende Datenmenge, da hier schon seit einigen Jahren Pillen getestet werden. Diese Tests werden im Rahmen des DIMS-Projekts (Drug informatie en monitoring systeem, Drogeninformations - und Überwachungssystem) durchgeführt. Dieses Projekt erforscht kontinuierlich die Situation auf dem illegalen Ecstasymarkt. Kernstück des Projekts ist die Pillenanalyse, die entweder vor Ort, d.h. auf Techno-Parties oder im Labor durchgeführt wird. Das Drogentesten auf großen Techno-Veranstaltungen wird im Rahmen der „Safe-House-Campaign" durchgeführt. Bei diesem Schnelltest handelt es sich um den gleichen, wie er auch im Drogeninformationsbus der DROBS Hannover durchgeführt wird.

Um genaue Informationen über eine Pille zu bekommen, muß diese in einem Labor untersucht werden. Das Labor führt für jeden die Tests durch, es macht keinen Unterschied, ob man Konsument, Dealer oder Hersteller ist. In jedem Fall kann man auf Wunsch anonym bleiben.

Um seine Pillen analysieren zu lassen, müssen sie bis zum Dienstag einer Woche abgegeben werden. Die Pille wird mit einem Kenncode versehen, außerdem wird zusätzlich ein Codename abgesprochen, so daß nur der Kunde, der die Pille abgegeben hat, das Ergebnis erfahren kann. Als Kunde muß man lediglich angeben, wo man sie gekauft hat, wie sie heißt und welchen Wirkstoff in welcher Dosis sie nach Angabe des Verkäufers enthalten soll. Bis zum Beginn des Wochenendes, bis freitags also, erhält man das Ergebnis, welcher Wirkstoff tatsächlich enthalten ist und ob der Pille kritische und / oder gefährliche Beimischungen zugesetzt sind.

So kann auf breiter Ebene eine Aussage darüber getroffen werden, welche subjektiven Wirkungen welcher Substanz zugeordnet werden können. Drogenlegenden und -mythen wird so die Grundlage entzogen und durch gesicherte Daten ersetzt.
Leider ist die chemische Analyse sehr teuer, für die Untersuchung einer Pille werden 100-200 Gulden benötigt. Um die Leute, die wissen wollen, was in ihren Pillen drin ist, durch diese Kosten nicht abzuschrecken, zahlt der Kunde lediglich einen Teil, nämlich 25 Gulden. Den Rest übernimmt das Gesundheitsministerium, pro Jahr übernimmt es Kosten in Höhe von 100.000 Gulden.

Wenn sich bei den Untersuchungen herausstellt, daß eine Pille überdosiert ist, oder sie gefährliche Beimischungen enthält, so wird ein Informationsnetz aus Flugblättern (Auflage bis zu 100.000 Stück) und Radio- oder Pressemitteilungen gestartet, um die Konsumenten vor diesen Pillen zu warnen und zu schützen. Diese System hat sich in den Niederlanden sehr gut bewährt, Pillen, vor denen gewarnt wurde, lassen sich kaum noch verkaufen. Der Pillentest ist ein sehr wichtiger Teil des Konsumentenschutzes und sollte auch in Deutschland großflächig angeboten werden. Zumindest aus rechtlicher Sicht wäre dies möglich. Ansonsten besteht für den Konsumenten lediglich die Möglichkeit, seine Pille(n) in einer Apotheke testen zu lassen, denn auch Apotheker stehen unter Schweigepflicht. Dies ist allerdings für den Kleinkonsumenten mit 70,- DM für einen Test mit hohen Kosten verbunden, und es ist sehr fraglich, ob viele User dieses Angebot in Anspruch nehmen.

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8. Ecstasy in der Techno-Szene - Eine Form integrativen Drogengebrauchs?

8.1 Erklärung der Fragestellung

Integrieren, integrierte, hat integriert:
1. etwas vereinheitlichen, zu einem ganzen zusammenschließen; ein integrierender (zur Vollständigkeit erforderlicher, wesentlicher, unerläßlicher) Bestandteil...(Klappenbach, R., 1974, S.334)
Lange Zeit war Ecstasy bekannt dafür, daß es ausschließlich in der Techno-Szene benutzt wurde. Lediglich wenige Personen gebrauchten es für mehr oder weniger professionelle Psychotherapien, oder um einen tieferen Einblick in ihre Emotionswelt zu bekommen. Ein integrierter Drogengebrauch beinhaltet eine in sich geschlossene Szene, in der eine bestimmte Droge in einem speziellen Kontext benutzt wird. In einem solchen Fall sind die Situationen des Gebrauchs ritualisiert, laufen also immer wieder nach dem gleichen Muster ab, insofern, als das die Droge nur in bestimmten Situationen zweckgebunden eingesetzt wird. In diesem Fall würde dies bedeuten, daß die Anhänger dieser Szene zu Techno-Parties gehen, dort Ecstasy konsumieren und danach in ihren Alltag, in dem die Droge keinen Platz hat, zurückkehren. Ob sich Ecstasy zusammen mit Techno zu einem integrierten Ganzen zusammengefügt und diesen Zustand beibehalten hat, soll in diesem Kapitel beantwortet werden.

8.2 Erläuterung des Ritualkonzepts

Das Ritualkonzept wurde in den 70er Jahren entwickelt. 1977 führten Zinberg und Harding Interviews mit Konsumenten von Haschisch, Mariuhuana, psychedelischen Drogen und Opiaten über deren Konsumgewohnheiten durch. Aus Zinbergs langjähriger Arbeit ergab sich eine für ihn überaus wichtige Fragestellung: Weshalb verlieren manche User die Kontrolle über ihren Drogenkonsum, während andere in der Lage sind, das Konsumieren von Drogen mehr oder weniger in ihr Leben zu integrieren.
Sie kamen zu dem Ergebnis, daß in den drogenbenutzenden Subkulturen Rituale existieren, die dem einzelnen die Möglichkeit geben, einen kontrollierten Umgang mit der Droge zu betreiben. Unter dem Begriff Ritual verstehen Zinberg und Harding in diesem speziellen Sinne:
„stylized, prescribed behavior surrounding the use of a drug, the methods to procure and administer the drug, the selection of physical and social settings for use, activities after the drug is administered and methods of preventing untowards drug-effects."
(Zinberg / Harding, zitiert nach Krollpfeiffer, K., 1995, S.40)

Eine allgemeine Definition des Begriffes liefert Meyer's großes Taschenlexikon:
„Ritual: in der Soziologie Bezeichnung für eine besonders ausdrucksvolle und standardisierte individuelle oder kollektive Verhaltensweise.
(ebd., 1987, S.278)

Die Theorie des Ritualkonzepts geht davon aus, daß solange sich ein User einer Droge an ein feststehendes, vorgeschriebenes Ritual hält, was auch den Ort der Drogeneinnahme festlegt und verschiedene Verhaltensweisen unter dem Drogeneinfluß beschreibt, einen gewissen Schutz vor einer Suchtentwicklung bieten kann. Dies hängt damit zusammen, daß der Rahmen für ein Ritual erst geschaffen werden muß, der Konsument also nicht zu jeder Zeit zur Droge greifen kann. Der Begriff des Rituals beinhaltet ebenfalls eine „Nicht-Alltäglichkeit" beim Benutzen der Droge, eine Abgrenzung vom Alltag also, da es ansonsten nur noch eine Gewohnheit wäre, und kein Ritual mehr.

Krollpfeiffer führt für die Wirksamkeit des Ritualkonzepts die Tatsache an, daß die Zahl der Zwischenfälle mit LSD im Laufe der Zeit weniger geworden seien, was nicht daran läge, daß weniger Leute LSD nähmen. Vielmehr hätte dies damit zu tun, daß in der LSD-benutzenden Subkultur etablierte Rituale, Regeln und Sanktionen von einer Generation von Usern an die nächste weitergegeben werden. Als Beispiel führt sie die Betonung eines guten und „sicheren" Settings oder die Vorbereitung auf die Drogenerfahrung an (Vgl. Krollpfeiffer, K., 1995, S.40).

8.3 Bieten Rituale einen Schutz vor Drogenmißbrauch?

Was hat dies mit den Anhängern von Techno-Musik und Ecstasy zu tun? Im Grunde genommen einiges, denn beim Drogenkonsum in der Techno-Szene haben viele Verhaltensweisen einen rituellen Charakter.
„Unter denjenigen, die dem engeren Kern der Techno-Szene zuzuordnen sind und Ecstasy konsumieren, haben sich gewisse Rituale entwickelt mit nicht zu unterschätzenden Schutzfunktionen."
(Kuhlmann, T. in Jugendhilfe 6/96, S.31)

Die Wahl des Ortes der Drogeneinnahme z.B.. Der typische Platz des Ecstasy-Konsumenten ist in der Regel eine Techno-Disko, bzw-Party. Die anschließenden Verhaltenweisen sind kollektiv standardisiert: Man tanzt viel, unterhält sich, tauscht Zärtlichkeiten aus, verbal oder körperlich, achtet darauf, genug zu trinken, möglichst keinen Alkohol, nimmt nach einiger Zeit vielleicht noch etwas mehr Ecstasy und kehrt nach dem Verbringen des Chill-Outs in seinen Alltag zurück. Das wichtige Element des Ritualkonzepts ist es, die Droge immer in einem speziell für sie geschaffenen Rahmen einzunehmen und sie nicht mit zurück in den Alltag zu nehmen. Sobald mit dem Konsum keine rituellen Verhaltensweisen mehr verbunden sind und die Droge auch in ganz alltäglichen Situationen konsumiert wird, geht die suchtvorbeugende Wirkung des Rituals verloren. Die Bedeutung dieser Rituale darf allerdings nicht überbewertet werden. Die Theorie funktioniert nur bei sehr verantwortungsbewußten Drogengebrauchern. Wie oben bereits angedeutet, kommt es bei der suchtschützenden Wirkung des Rituals sehr auf die Häufigkeit desselben an. Für einen Techno-Anhänger, der jede Woche von Freitag bis Sonntag in Diskotheken verweilt und dort an jedem dieser Abende Ecstasy nimmt, hat das Ritualkonzept keine Bedeutung. Bei einem solchen Ecstasy-Konsum kann man allerdings auch nicht mehr von einem Ritual sprechen, sondern eher von einer Gewohnheit.

Die beschriebene Form des ritualisierten Ecstasy-Konsums trifft zwar immer noch auf eine zahlenmäßig große Gruppe von Gebrauchern zu, aber es gibt inzwischen so viele Formen des Ecstasy Ge- und Mißbrauchs, so daß der Standardisierung des Gebrauchs bei weitem nicht mehr die Bedeutung zukommt, wie es vor wenigen Jahren der Fall war. Für moderate Ecstasy-Gebraucher kann das Ritualkonzept einen gewissen Suchtschutz bieten. Wie weit dieser reicht, hängt allerdings in starkem Maße von den Konsumgewohnnheiten des Users ab. Solange dieser den Besuch einer Party in Verbindung mit der Droge als eine ritualisierte Verhaltensweise beibehält, die in ihrer Häufigkeit nicht ansteigt und etwas besonderes bleibt, was nicht jedes Wochenende stattfindet, ist eine suchtverhindernde Wirkung vorhanden. Aufgrund der Veränderungen in der Techno-Szene verliert die Theorie des Ritualkonzepts allerdings an Bedeutung.

8.4 Aktuelle Veränderungen in der Techno-Szene

Die in Kapitel 5.4 beschriebene Entwicklung des Techno von der Subkultur zur kommerziellen Massenbewegung war nicht die einzige Veränderung der letzten fünf Jahre in diesem Bereich. Durch den zunehmenden Bekanntheitsgrad der Musik, traten auch die damit verbundenen anderen Dinge ins Rampenlicht der Öffentlichkeit, nämlich der Besuch von Techno-Parties und die Droge Ecstasy. Ecstasy ist kein unmittelbar bedingender Faktor von Techno, und es sind auch nicht alle Besucher von Parties Drogengebraucher.

Aber ohne Ecstasy würde die heutige Techno-Szene nicht in der Form existieren, wie sie es tut. Und ohne Techno hätte Ecstasy nicht die Verbreitung mitgemacht, wie sie es effektiv getan hat. Viele der heutigen Besucher von Parties sind im Grunde genommen keine Anhänger von Techno-Musik, sondern haben gemerkt, daß die Mischung der Droge und der Musik eine für sie sehr angenehme ist, sie würden zu Hause, wenn überhaupt, nur sehr selten Techno-Musik hören. Andere konsumieren Ecstasy ganz ohne Techno, für sie hat die Musik keine Bedeutung, und sie würden auch auf keine Techno-Party gehen.

„In den letzten Monaten ist zunehmend zu beobachten, daß Ecstasy auch von Personen genommen wird, die eher dem Randbereich der Techno-Szene zuzuordnen sind, sich tendenziell eher keiner Szene zugehörig fühlen und damit auch nicht in bestimmte Rituale eingebunden sind."
(Kuhlmann, T. in Jugendhilfe 6/96, S.32)

Bei solchen Konsumformen kann man immer öfter eine Neigung zu tendenziell riskantem Probierverhalten finden. Problematisch hierbei ist allerdings, daß der Kenntnisstand über Wirkungsweisen und Gefahren nicht so hoch ist wie bspw. in der Techno-Szene. Besonders problematisch sind dabei Konsumformen, in denen der Konsument in keine Gruppe eingebunden ist und ohne ausreichende Kenntnis und Sozialkontakte Ecstasy nimmt, um in irgendeiner Form die erwünschte und von den Medien inzwischen in schillerndsten Farben beschriebene Wirkung zu spüren.

Es finden sich immer mehr Anzeichen dafür, daß Ecstasy die Grenzen der Szene überwunden hat, und auch in anderen Szenen eine immer größer werdende Verbreitung findet. Die Überschneidungen zwischen den einzelnen Szenen werden immer mehr. So kann man in dem Heavy-Metal Magazin „Metal-Hammer" im Vorwort einen Bericht eines Redakteurs über genau dieses Phänomen lesen, wo diese Überschneidungen beschrieben werden, und in dem der Autor für mehr Toleranz zwischen den Szenen aufruft. In immer mehr Clubs, in denen früher ausschließlich Rock-Musik gespielt wurde, kann man inzwischen auch Techno-Tracks hören. Beispiele hierfür sind Lieder der Gruppe „Underworld" und „Prodigy", deren Techno-, bzw. Breakbeat-Tracks auch in der Dortmunder Rock-Disko „Spirit" zum festen Repertoire der DJ's gehören. Bei vielen Musikprojekten werden Elemente der Techno-Musik mit Rock-, bzw. Hardcore-Musik vermischt, Beispiele hierfür sind Gruppen wie „Chemical-Brothers" und wiederum „Prodigy". Es finden immer mehr Annäherungen statt. Mitglieder von reinen Rockgruppen singen in ihren Liedern über den Ecstasy-Konsum (Kory Clarke von der Punk-Rock-Gruppe „Warrior Soul" im Lied „Trippin' on Ecstasy"). Leute, die immer gesagt haben, daß Techno-Musik nie etwas für sie sein würde, fangen an, sich dafür zu interessieren.

Und abgesehen von den Überschneidungen im musikalischen Bereich steigt die Anzahl derer, die Ecstasy unabhängig von Techno konsumieren. Auch die Verbreitung von Speed steigt an, besonders in „Rocker-Kreisen", wie es auch A. Schroers von der DROBS in Münster bestätigte, mit dem ich im Vorfeld dieser Arbeit ein telefonisches Gespräch führte. Nicht nur Techno-Anhänger meinen, mit Ecstsy oder Speed besser feiern zu können, der Konsum der sog. Techno-Drogen ist längst aus seinem ursprünglichen Umfeld herausgetreten und zieht immer weitere Kreise. In Bezug auf diese Drogen kann man mittlerweile nicht mehr von einem integrierten Drogengebrauch reden. Dies war vielleicht bis vor wenigen Jahren der Fall, aber heutzutage verhält es sich anders. Denn auch in der Techno-Szene selber hat sich die Art und Weise des Ecstasy-Konsums geändert. Nicht nur, daß der Beigebrauch von Alkohol und der Mischkonsum mit anderen Drogen stark angestiegen ist, das Beziehungsgeflecht unter den Techno-Anhängern hat sich ebenfalls geändert:
„Früher, als die gesamte Szene noch viel kleiner war, waren die Beziehungen untereinander viel stärker ausgeprägt, man achtete mehr auf die anderen. Die Szene war familiärer und übersichtlicher."
(Kuhlmann, T., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 17.02.97)

Jetzt aber, so Kuhlmann, kämen immer mehr Leute zu Techno-Parties, die einerseits von der Alterstruktur viel jünger seien als früher, und auf der anderen Seite einen unreflektierten Drogenkonsum betreiben. Die gefestigten Beziehungsstrukturen, die durch die gegenseitige Kontrolle, Gespräche und das „aufeinander-aufpassen" einen gewissen Suchtschutz bieten, würden mehr und mehr in den Hintergrund treten, während dem unkontrollierten Drogenmißbrauch immer mehr Bedeutung zukäme. Seiner Meinung nach müssten an dieser Stelle neue Präventionsansätze gefunden werden, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.

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9. Präventionsansätze und Betätigungsfelder für die sozialpädagogische Arbeit

9.1 Erklärung von Begriffen in Zusammenhang mit der Suchtprävention

Unter dem Begriff der Prävention versteht man ein „Vorbeugen" oder „zuvorkommen", also eine Verhinderung eines Zustandes. Dies beinhaltet ein zielgerichtetes Handeln, um unerwünschte oder gesundheitsschädigende Zustände zu verhindern (vgl. Treichler, J., 1993, S.11). Anstelle des Begriffs der „Prävention" wird oft der Ausdruck „Prophylaxe verwendet. Innerhalb der Suchtprävention unterscheidet mn drei verschiedene Bereiche:

1. Primärprävention
Die Primärprävention beginnt schon bei Kindern im Vorschulalter. Nach wissenschftlichen Erkenntnissen entscheidet es sich in diesem Alter, ob Kinder in einem psychisch gesunden Umfeld aufwachsen, was für eventuelle Suchtgefahren von großer Bedeutung ist. Somit versucht die Primärprävention psychische und soziale Probleme bereits vor ihrer Entstehung zu verhindern (vgl. ebd., 1993, S. 12)

2. Sekundärprävention
Die Sekundärprävention setzt bei Personen an, die schon einmal Kontakt zu Suchtmitteln hatten, oder aber auch schon abhängig sind. Verhindert werden soll ein Ausweichen
auf problematischere Substanzen oder Konsummuster. Den Konsumenten soll neben einer Beratung in Form von sachlichen Informationen über Vor-und Nachteile einer Droge auch eine therapeutische Behandlung angeboten werden (vgl. Scheerer, H., 1995, S.101)

3. Tertiärprävention
Die Tertiärprävention richtet sich einerseits an ehemals Süchtige oder vorübergehend abstinente Personen, mit der Intention, Rückfälle zu vermeiden, andererseits an akut Süchtige, um Überlebenshilfen anzubieten. Beispiele für Tertiärprävention sind Substitutionsprogramme oder niedrigschwellige Kontaktläden, in denen Kriseninterventionen stattfinden oder Möglichkeiten für eine ambulante Beratung aufgezeigt werden (vgl. ebd., S.101)

9.2 Von der Drogen- zur Suchtprävention

Bis ca. Mitte der 80er Jahre war das Hauptmerkmal der Präventionsarbeit das Element der Abschreckung. Die Frage nach Ursachen für eine Suchtentwicklung wurden nicht untersucht. Stattdessen ging die Theorie der Prävention davon aus, daß man Jugendliche nur drastisch genug vor den schrecklichen Folgen des Drogenmißbrauchs warnen müsse, damit sie gar nicht erst auf die Idee kämen, überhaupt Drogen zu nehmen. Damals wie heute wurde den Konsumenten mit Strafe, Strafverfolgung und -vollstreckung gedroht, wodurch sie kriminalisiert und dadurch in eine noch schlimmere soziale Lage gebracht wurden, als es so oder so schon der Fall war.

1981 wurde das Betäubungsmittelgesetz durch einen sehr wichtigen Paragraphen ergänzt. „Therpie statt Strafe" lautete das Schlagwort, unter dem im Paragraphen 35 ff. erstmals ein Aspekt der Hilfe in das Gesetz aufgenommen wurde (vgl. Loviscach, P., 1996, S.102).

Einen weiteren Wendepunkt gab es in der Drogenerziehung, als diese dazu überging, neben den kognitiven auch die emotionalen Bereiche bei Jugendlichen anzusprechen. Dabei ging es darum, sowohl die Jugendlichen selbst durch Gespräche zu erreichen, um so Veränderungen der Einstellungen und Verhaltensmuster zu erzielen, als auch eine Veränderung der gesellschaftlichen Einflüsse anzupeilen, welche Jugendliche in ihrer Entwicklung schädigen und so zu einer Suchtentwicklung führen könnten.

Die Entwicklung führte zu einer ursachenorientierten Suchtprävention, in der auch stoffungebundene Suchtformen wie Spiel- oder Arbeitssucht enthalten sind. Die eigentlichen Auslösefaktoren von Sucht sind natürlich von Mensch zu Mensch verschieden, doch in der Regel werden die Grundsteine dafür bereits in der Kindheit gelegt, wenn ein Kind nicht genug Anregung für ein positives Lebensbild und seine Identitäts- und Sinnbildung bekommt (vgl. Treichler, J., 1993, S.55).

Parallel zur Prävention hat sich auch die Arbeit der Drogenberatungsstellen verändert. Im Gegensatz zur traditionellen Drogenarbeit, die in ihrer Form sehr hochschwellig war, hat sie sich zu einer niedrigschwelligen entwickelt. Früher mußte der Klient eine große Eigenmotivation aufbringen mußte, um an seiner Lage etwas zu ändern. Pünktlichkeit und Nüchternheit bei den Beratungsgesprächen war Pflicht, und über allem stand das Ziel der absoluten Abstinenz. Im Gegensatz dazu steht die heutzutage praktizierte Form der Niedrigschwelligkeit. Die Möglichkeiten, Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen sollen jedem zur Verfügung stehen. Ein Schlagwort der niedrigschwelligen Drogenarbeit ist die Akzeptanz. Die Drogenarbeit soll suchtbegleitend sein, klientenorientiert und risikovermindernd. Der Klient soll nicht bevormundet werden.

„Im Umgang mit Drogenkonsumenten wird auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geachtet, wobei es dem Klienten überlassen wird, ob und wann er drogenfrei leben möchte."
(Wirth, N., 1996, S.77)

In der Suchtprävention sollte nicht der Kampf gegen die Drogen im Vordergrund stehen, dies wäre sowieso ein Kampf mit wenig Ausicht auf Erfolg. Die Sucht sollte vielmehr als individuelles Schicksal und gesellschaftliches Problem angesehen werden.
Als ein wichtiges Element fortschrittlicher Präventionsarbeit sieht Grube die Genußfähigkeit. „Genuß" sei der positive Gegenbegriff zur Sucht. Genuß solle keinen schnellen, unreflektierten Konsum beinhalten. Vielmehr seien zur Genußfähigkeit bestimmte Bedingungen nötig, welche dem Konsumenten zu vermitteln in den Aufgabenbereich des Sozialpädagogen falle.

Hierzu führt er folgende Aspekte an:
Zeit haben / nehmen: Es soll genügend Zeit zum reflektierten und, soweit dies möglich ist, kontrollierten, Rauscherlebnis vorhanden sein, genauso wie ein passender Rahmen, in dem die Zeit verbracht werden soll Angstfreiheit: Genießen muß erlaubt und nicht verboten sein, Ängste müssen besprochen werden, es sollte in Gruppen konsumiert werden, um deren „soziales und emotionales" Sicherheitspotential zu nutzen Erfahrungsbildung: Der Konsument soll eigenhändig Unterscheidungsfähigkeit entwickeln, d.h. über Qualitäten und Einsatzmöglichkeiten von Drogen Bescheid wissen Genuß ist subjektiv: Je nach persönlichen Motiven wählen Menschen verschiedene Drogen und substanzunspezifische Handlungen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse
Auch Abstinenz kann eine Form des Genusses darstellen Selbstbeschränkung: Ein wichtiger Punkt ist das Prinzip „weniger ist mehr". Der Konsument soll über genug Selbstkontrolle verfügen, um einschreiten zu können, wenn der Genuß durch zu hohe Quantität verlorengeht
(vgl., Grube, L., eigene Aufzeichnung der Fachtagung Ecstasy, 17.02.97)

Wenn die Präventionsarbeit in der Techno-Szene in diese Richtung ginge, könnte die Gefahr einer Suchtentwicklung um einiges geringer werden. Das Erreichen der Genußfähigkeit muß meiner Ansicht deshalb eines der Ziele in der Arbeit mit Ravern sein.

9.3 Konsummotive und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten

Je mehr Techno-Anhänger es gibt, und je länger es Leute gibt, deren Konsumgewohnheiten so geartet sind, daß sie praktisch jedes Wochenende Drogen konsumieren, desto mehr wird auch die Zahl derer steigen, die damit nicht mehr zurechtkommen und auf professionelle Hilfe angewiesen sind.

Will man als Sozialpädagoge adäquat auf diese Situationen reagieren, so sollte man sich darüber im Klaren sein, welche nicht erfüllten Bedürfnisse der Konsumenten durch den Drogenmißbrauch verdeckt werden. Wenn die Motive zum Konsum klar sind, kann erstens eine Intervention leichter sein, und zweitens kann dann auch die präventive Arbeit an diesen Punkten ansetzen und somit (evtl.) verhindern, daß eine Intervention überhaupt erst nötig wird. Auf Techno-Parties kann man beobachten, daß der Konsum von Drogen dort etwas so normales geworden ist, daß sich niemand mehr darüber wundert. Nirgendwo bei einer Party wird ein Ecstasy-User auf Erstaunen treffen, wenn er jemandem erzählt, daß „er auf Pille ist". In der Szene existiert kein Unrechtsbewußtsein für den Konsum illegaler Drogen.

„Die Unterscheidung zwischen Legalität und Illegalität einer Droge ist ohnehin für jugendliche Konsumenten eine ziemlich untergeordnete Frage."
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996)

Aber wie sollen Ecstasy-Konsumenten ein Unrechtsbewußtsein entwickeln, wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der hunderttausende Psychopharmaka konsumieren, die völlig legal erhältlich sind? (vgl. Rufer, M., 1995, S.107).
Zwar ist die Tatsache, daß es auf einer Party eher unnormal ist, keine Drogen zu nehmen, im Grunde genommen ein wenig erschreckend, aber trotzdem kann hier eine Form der Prävention ansetzen. Gerade Neueinsteigern in der Szene, die sich entschlossen haben, keine Drogen zu nehmen, müssen in dieser Richtung bestärkt werden.

Wie schon weiter oben beschrieben, kann man gerade unter Neueinsteigern in der Szene eine zunehmende Risikobereitschaft beim Drogenkonsum erkennen. Die Hemmschwellen, Substanzen auszuprobieren, werden immer niedriger. Aber bei den Neueinsteigern kann man eine Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Gruppen erkennen: Die erste setzt sich überwiegend aus Mittelständischen, Schüler der oberen Jahrgangsstufen oder Angestellten in Verwaltung o.ä. zusammen. Die Konsummotive sind in erster Linie Neugier, bzw. die Lust, etwas auszuprobieren, von dem man schon viel gehört hat.

„Das wichtigste aktuelle Motiv für den Einstieg in den Konsum sowohl legaler als auch illegaler Drogen ist meist die Neugier und der Wunsch, die Wirkung einer Droge kennenzulernen und interessante und erlebnisreiche Gefühlszustände zu durchleben."
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996, S.8)

Die andere Gruppe, „proletarische Raver" (Wirth, N., 1996, S.111), sucht eher den Ausstieg aus der Realität und will „krass und geil" abfahren. Des weiteren muß zwischen Konsummotiven für den Erstkonsum und den darauffolgenden Konsum unterschieden werden. Während anfangs Motive wie Neugierde oder intensivem Erleben im Vordergrund stehen, ist es hinterher der starke Wunsch, diese Dinge nochmals zu erleben, nochmal so gut reden können, nochmal soviel tanzen können. Man kann diesen Wunsch wohl gut verstehen, und es ist bestimmt kein erfolgversprechender Weg, diese Leute davon abbringen zu wollen, nochmal Ecstasy zu nehmen. Wichtiger ist es, ihnen zu verdeutlichen, daß der Konsum von Drogen, wenn überhaupt, die Ausnahme bleiben soll, bzw. muß. Das Gefühl, daß eine Techno-Party ohne die Droge keinen Spaß mehr mache, darf gar nicht erst aufkommen. Deshalb ist es von großem Vorteil, wenn ein Sozialpädagoge schon früh in Kontakt mit Ravern treten kann. Er könnte sie dazu ermutigen, schon zu Beginn ihrer Techno-Phase auch ohne Ecstasy tanzen zu gehen, so daß das oben beschriebene Gefühl erst gar nicht auftreten kann. So kann dem sonst früher oder später auftretendem Automatismus Party = Drogen entgegengewirkt werden.

Einen sehr interessanten Ansatz dafür, daß Menschen Drogen konsumieren, bietet E. Fromm. Er beschreibt den Menschen im Kindheitsstadium als ein sehr naturnahes Wesen, daß noch keine Unterscheidung zwischen sich und dem Rest seiner Umwelt machen kann. Mit dem Auflösen der primären Bindungen werde die Welt allerdings abgetrennt und das Bedürfnis, neue Mittel und Wege zu finden, um dem Getrenntsein zu entrinnen, steige stark an. Ein Weg hierzu sei das Erleben von orgiastischen Zuständen, die man auch mit Hilfe von Drogen erreichen könne. Bei einem vorübergehenden Zustand der Exaltion verschwinde das Gefühl, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. „Werden diese Rituale (s.o.) gemeinsam praktiziert, so kommt das Erlebnis der Vereinigung mit der Gruppe hinzu, was die Wirkung noch erhöht. (...) Es scheint, daß der Mensch nach dem orgiastischen Erlebnis eine Zeitlang weiterleben kann, ohne allzusehr unter seinem Abgetrenntsein zu leiden. Langsam nimmt dann die Spannung der Angst wieder zu, so daß sie durch die Wiederholung des Rituals wieder gemildert werden kann.
(Fromm, E., 1993, S.24)

Gerade in diesem zitierten Abschnitt wird deutlich, daß Suchtprävention schon im frühen Kindesalter beginnen muß, damit dem später so oft aufkommenden Gefühl des Alleine-und-einsam-seins dann schon der Nährboden entzogen wird. Dann kann es auch verhindert werden, daß bei vielen Konsumenten von Drogen ein Defizitgefühl Hauptmotiv für den Konsum wird.

„Bei den meisten Drogen ist dieser Wunsch [Drogen und damit neue Gefühlszustände kennenzulernen, Anm. d. Verf.] (...) vor allem bei denjenigen Jugendlichen besonders stark, die Defizitgefühle im Leistungsbereich und sozialen Kontaktbereich empfinden."
(Hurrelmann, K. in Magazin für die Polizei, 26, 1996)

Und einen weiteren sehr wichtigen Punkt für die sozialpädagogische Arbeit spricht Fromm ebenfalls an: Die Rolle der Gruppe, in der zusammen konsumiert wird, ist bedeutend. In der Didaktik bezeichnet man die Gruppe auch als „funktionale Lerngruppe", weil Jugendliche unbewußt voneinander lernen, sich aneinander orientieren und gegenseitiges Verhalten abschauen und dann kopieren. Befindet sich ein Raver nun in einer Gruppe, in der es Gewohnheit ist, Ecstasy zu nehmen, so wird es für ihn doppelt so schwer sein, dies nicht mehr zu tun, wenn er sich dafür entschieden hat. Da sich in der Techno-Szene Konsumenten oft von Nicht-Konsumenten abgrenzen, läuft dieser Jugendliche Gefahr, ein soziales Netz zu verlieren. Deshalb könnten Sozialpädagogen versuchen, Gruppen anzusprechen, um dort Prozesse in Richtung eines schadensmindernden und kontrollierten Konsums in Gang zu bringen. Ebenfalls kann versucht werden, zusammen Handlungsalternativen zu suchen und zu finden.
Ein anderer Aspekt der Präventionsarbeit sollte sein, dem wachsenden Mischkonsum entgegenzutreten. Beim „Runterkommen" zur „falschen" Droge zu greifen, also dazu überzugehen, Benzodiazepine oder sogar Heroin zu nehmen, kann fatale Folgen haben. Daß die Tendenz oftmls in diese Richtung geht, bestätigt Kuhlmann:
„Aus diesem Grunde [um endlich schlafen zu können,Anm. d. Verf.] wird zunächst Cannabis geraucht, viele greifen zu klassischen „Downers" wie Rohypnol, sogar niederpotenten Neuroleptika und schließlich zu Heroin als scheinbar idealem Entspannungsmittel. Bei Fortsetzung des chronischen MDMA-Konsums festigt sich der Kontakt zur illegalen Heroinszene mit allen damit verbundenen, hinlänglich bekannten sozialen, psychosozialen und psychischen Folgen.
(Kuhlmann, T. in Jugendhilfe 6/96, S.32)

Hier kann man versuchen, den Konsumenten nochmals das Motto „weniger ist mehr" zu vermitteln, damit dieser nicht nach dem Wochenende noch so wach ist, daß er zum müde-werden auf diese Substanzen zurückgreifen muß. Ein Problem der Drogenarbeit ist die oftmals bestehende subjektive Distanz der in der Drogenhilfe professionell tätigen Mitarbeiter gegenüber der Szene. Die bestehenden Vorurteile gegen diese (Sub-) Kultur ist ein Hinderungsgrund bei der Entwicklung spezifischer niedrigschwelliger Ansätze. Für die Entwicklung eines stabilen und tragfähigen Kontaktes zu einer synthetische Drogen konsumierenden Person müssen die gleichen Kriterien gelten wie in der Arbeit mit Opiatabhängigen:
Entwicklung einer von Empathie, Einfühlungsvermögen und authentischer Akzeptanz geprägten Beziehung Kenntnis der wesentlichen Rahmenbedingung

Verständnis für eine „etwas andere" Lebensform
Der teilweise auftretenden Distanz zwischen professionellen Mitarbeitern der Drogenhilfe gegenüber der Techno-Szene liegt vielleicht ein Bruch zwischen klassischer Drogenhilfe in Tradition der sogenannten 68er Generation einerseits und der Techno-Szene als Vertreter des modernen Computer-Zeitalters andererseits zugrunde. Indem man diesen Bruch erstmal wahrnimmt und dann versucht, ihn zu überwinden, könnte ein tragfähiger Kontakt zur Zielgruppe des Ecstasy-konsumierenden Techno-Fans aufgebaut werden, ohne dabei sein eigenes Lebensgefühl in den Hintergrund zu stellen. Die beschriebene Diskrepanz fiel mir persönlich besonders auf der Fachtagung „Ecstasy" vom 17.02.97 auf. Dort äußerten sich nämlich einige Mitarbeiter der Jugendhilfe auf eine Art und Weise zum Thema Techno und dem damit verbundenen Drogenkonsum, welche die notwendige Akzeptanz und Toleranz zu wünschen übrig ließ. Erforderlich ist in diesem Kontext kein anbiederndes Verhalten, sondern die Überwindung einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber dem Lebensgefühl von Menschen, die sich einer anderen Subkultur zugehörig fühlen. Die Zugangswege außerhalb der Einrichtungen der Drogenhilfe sollten nicht von einer vorurteilsbehafteten Einstellung verbaut werden. Die Kontaktknüpfung unmittelbar vor Ort, also auf Parties oder in Diskotheken sind eine wichtige und unverzichtbare Voraussetzung, um adäquate klientenorientierte Angebote in der Prävention zu entwickeln und mit diesen Angeboten die Zielgruppe auch zu erreichen.

9.4 Konkrete Konzepte zur Präventionsarbeit

Die Präventionsarbeit in der Techno-Szene ist für deutsche Sozialpädagogen ein ganz neues Arbeitsfeld. Hier könnte es helfen, einen Blick in unsere Nachbarländer Niederlande und Großbritannien zu werfen. Diese Länder haben in dem Bereich einen Wissensvorsprung von einigen Jahren. Leider lassen sich diese Konzepte aufgrund der verschiedenen politischen Verhältnisse nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen. Jedenfalls geht es nicht, in Deutschland bestehende Handlungskonzepte für Opiatkonsum auf die Techno-Szene anzuwenden. Es ist dringend nötig, neue Überlegungen anzustellen und Handlungsstrategien zu entwickeln.

Vorüberlegungen müssen dahin gehen, sich zu fragen, was das Party-Leben ausmacht, und was es für die Raver bedeutet. Dann wird die Situation deutlich, in der sie sich befinden. Sind die positiven und negativen Seiten des Party-Lebens deutlich geworden, kann man damit beginnen, Ziele für die Präventionsarbeit zu formulieren.

Zusammengefaßt lauten diese Ziele folgendermaßen:
Der Kontakt zu Ravern muß so früh wie möglich hergestellt werden, damit der Sozialpädagoge problematischem Verhalten schneller entgegentreten kann.

Es soll verhindert werden, daß „Probierer" oder Gelegenheitskonsumenten zu Süchtigen werden. Der Sozialpädagoge soll Handlungsalternativen zum Drogenkonsum aufzeigen können. Die Folgen der Durchkommerzialisierung und Vermassung der Szene sollen abgemindert werden. Die „alten Werte" wie Toleranz und Gemeinschaftsgefühl müßten wieder gestärkt werden. Den Ravern muß die Bedeutung von engen und tragfähigen Beziehungsstrukturen nahegebracht werden. Safer-Use Regeln müssen noch weiter verbreitet und durchgesetzt werden.

Sozialpädagogen müssen die Barriere zwischen ihrer Lebenswelt und der der Raver überwinden, um klientenorientiert arbeiten zu können. Einen guten Ansatz zu einer „neuen" Präventionsarbeit bietet die Möglichkeit, die Raver selbst aktiv werden zu lassen, nach dem Vorbild von Eve & Rave. Die Einbeziehung in die Arbeit fördert die Akzeptanz in der Szene und bei den mitwirkenden Ravern selbst.

Die hier vorgestellten Modelle beziehen sich zumeist auf Konsumbegleitung, welche die folgenden drei Bereiche beinhaltet:

  1. Streetwork, d.h. auf Parties anwesend sein
  2. Niedrigschwelliger Kontaktladen für Raver
  3. Beratung

Eine besondere Bedeutung haben die ersten beiden Punkte, insofern, daß hier versucht werden soll, den Ravern Strukturen anzubieten, in denen sie sich organisieren und auch selber aktiv sein können. Die Hauptaufgabe der Sozialpädagogen besteht hierbei darin, eine Art Anstoß zu geben, den die Raver dann weiter verfolgen sollen. Ziel dabei ist es, die Raver kompetent zu machen, so daß sie eigenständig Aufgaben erledigen und eigene Arbeitsbereiche übernehmen. Ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise ist das Eve & Rave Projekt, wo sich die Raver nach einem Anstoß auf eigene Initiative organisiert haben und das mittlerweile eine wichtige Organisation innerhalb der Szene ist.

Streetwork
In diesem Bereich der Präventionsarbeit liegt der Schwerpunkt in der Kontaktaufnahme mit Ravern. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vermittlung von Informationen. Der Ort dieser Kontaktaufnahme ist der Platz, an dem Raver sich aufhalten, also eine Techno-Disko oder eine Party. Da eigentlich jede Party einen Chill-Out Raum haben sollte, wäre dies der dafür geeignete Platz.

Wenn man als Sozialpädagoge an einer Stelle eingreifen möchte, muß er natürlich erst einmal den Kontakt zum Klienten herstellen. Im einfachsten Fall tritt der Raver an einen Mitarbeiter heran und fragt nach z.B. Informationsmaterial über synthetische Drogen. Es kann auch sein, daß eine Person ein damit in Verbindung stehendes konkretes Problem hat, das zu besprechen etwas länger dauert. Für diese Fälle sollte es eine ruhige Ecke geben, in die man sich gemeinsam zurückziehen kann. Zwar kann es sein, daß einige Leute gewisse Hemmschwellen haben, an die Mitarbeiter heranzutreten, aber hier ist es dann von Vorteil, wenn Raver selbst an solchen Informationsständen mitarbeiten. Die Hemmschwelle, „Gleichgesinnte" anzusprechen liegt mit Sicherheit niedriger, als gegenüber „normalen" Mitarbeitern.

Neben der Kontaktaufnahme ist es von Bedeutung, daß Informationen zur Thematik weitergegeben werden. Dies beinhaltet ebenso Informationen über einen risikomindernden Konsum, genauso wie den weiter oben beschriebenen Schnelltest der Pillen mit anschließendem Vergleich mit Listen von den sich im Umlauf befindlichen. Wichtig hierbei, und von einigen Institutionen bereits realisiert, ist die richtige Verpackung dieser Informationsbroschüren. Keine nüchterne Aneinanderreihung von Fakten, sondern vielmehr ein ansprechendes Layout ist hier gefordert.

Dem weiter oben beschriebenen Anstieg des Mischkonsums von Ecstasy mit anderen Drogen kommt eine besondere Bedeutung zu, insofern, daß es ein Hauptpunkt ist, bzw. sein wird, auf den Mitarbeiter gesondert eingehen müssen, da er ein sehr großes Gefahrenpotential impliziert. Ein weiterer Vorteil der Anwesenheit vor Ort, also auf einer Party, ist die Ansprechbarkeit der Mitarbeiter in Notfällen, d.h. bei einer Überdosierung oder ähnlichen Fällen. Es ist keine Frage, daß bei akuten, gesundheitsbedrohlichen Situationen nur ein Arzt wirkliche Hilfe leisten kann, doch in vielen Fällen können beruhigende und einfühlsame Worte schon einiges leisten. Außerdem kann das Streetwork dabei helfen, das Cafe, welches weiter unten beschrieben wird, bekannter zu machen. So können Mitarbeiter in Gesprächen den Vorschlag machen, sich das Cafe doch einmal anzuschauen und zu überprüfen, ob man sich dort wohl fühlt, also dieses Angebot in Anspruch nehmen möchte.

Das Cafe
Das Cafe, eine Art Kontaktladen für Benutzer synthetischer Drogen, ist ein neues Angebot, das in Deutschland meines Wissens nach bisher einmalig ist. Es wird Mitte Mai in Bochum-Wattenscheid eröffnet. In einem Interview mit der Mitarbeiterin Nadja Wirth erfuhr ich Einzelheiten dazu. In diesem Cafe soll Ravern, genauso wie anderen Gebrauchern synthetischer Drogen, ein Raum geboten werden, in dem sie sich drogenfrei kennenlernen können. Im Gegensatz zu einer Party, wo negative Gefühle keinen Platz haben und deshalb abgespalten werden, soll im Cafe darauf hingearbeitet werden, daß BesucherInnen auch die schlechten Gefühle als dazugehörend empfinden und auch „leben". Das Cafe soll sehr szenenah aufgebaut sein. Dies soll bewirken, daß die strikte Trennung vom bunten Wochenende und vom grauen Alltag, wie es viele Raver betreiben, überwunden wird. Die Energien sollen gleichmäßiger verteilt werden. Viele verausgaben sich am Wochenende total, um sich dann den Rest der Woche kraftlos zu fühlen. Dies kann recht schnell zu einem Kreislauf führen, in dem positive Gefühle nur noch auf einer Party, und dann meistens in Verbindung mit Drogen erlebt werden, während der Alltag als langweilig und grau gesehen wird. Zur Verdrängung der schlechten Gefühle wartet man dann auf die Party, die mit der Zeit idealisiert und als Entschädigung für die langweilige Woche gesehen wird. Diese Raver neigen oft dazu, die Drogen immer höher zu dosieren, oder zum Mischkonsum überzugehen, um der Toleranzentwicklung entgegenzutreten. Im Cafe soll ein (möglicher) Ausgleich zu diesem Verhalten geschaffen werden.

Es sollen Strukturen angeboten werden, in denen sich die Raver selbst organisieren. Die Aufgabe des Pädagogen besteht dann darin, Unterstützung und Hilfe anzubieten. Außerdem sollen je nach Neigung Arbeitsgruppen gebildet werden, in denen die Raver dann ihre Ziele verwirklichen können. Diese Arbeitsgruppen könnten durchaus an denen von Eve & Rave angelehnt sein. Warum soll es nur in Berlin organisationswillige, für ihre Szene aktive Raver geben?

Im Cafe können Kontakte unter den Ravern in einer drogenfreien Umgebung geknüpft werden. Dabei liegt der Anspruch an diese etwas höher als auf einer Party. Dort stehen viele unter dem Einfluß von Ecstasy, was die Hemmungen, jemanden anzusprechen niedriger werden läßt. Im Cafe besteht hingegen nicht die auf Raves zwar unausgesprochene aber dennoch vorhandene Pflicht, immer nett zueinander zu sein. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten sollen ausgetragen werden. Zu jeder tragfähigen Beziehung gehören auch negative Gefühle, welche wie gesagt auf Parties oft ausgeklammert werden. Da solche engen Beziehungen aber eine nicht zu unterschätzende suchtpräventive Wirkung haben, soll im Cafe ein Raum geschaffen werden, in dem solche Betiehungen geknüpft werden können.

Die Öffnungszeiten des Cafes sollen zwei-bis dreimal in der Woche am späten Nachmittag bzw. bis in die Abendstunden hinein liegen, da die meisten Techno-Anhänger durch Schule oder Beruf eingebunden sind.
Bemerkenswert finde ich den Plan, das Cafe alle zwei Wochen sonntags morgens zu öffnen. Dies soll ein Angebot an Party-Gänger sein, sich nach einer Party in einer angenehmen Umgebung auszuruhen, und nicht noch mehr Drogen zu nehmen und nach der Schließung eines Clubs zum nächsten zu fahren, um dort die After-Hour zu besuchen. Das Cafe soll eine Alternative dazu sein, oder wenigstens eine Unterbrechung. Die depressiven Verstimmungen beim „Heruntekommen" von Ecstasy sollen hier in der Gemeinschaft abgeschwächt werden, um dem Verhalten „nicht runterkommen, sondern nachlegen" entgegenzuwirken.

Die Beratung
Die Beratungsarbeit im Zusammenhang mit synthetisch Drogenabhängigen oder Leuten, die mit synthetischen Drogen Probleme haben, ist Beratungsarbeit im klassischen sozialpädagogischen Sinn. Neben der Weitergabe von Informationen zum Thema selber, wie Wirkungsweisen, Gefahren, Safer Use, Mischkonsum usw., umfaßt sie ambulante Betreuung für gefährdete Raver, oder solche, die meinen, daß sie mit ihrem Drogenkonsum nicht mehr alleine zurechtkommen. Sie richtet sich außerdem an diejenigen, denen die Mitarbeit im Cafe nicht ausreicht, oder die, die darauf keine Lust haben. Da die Gemeinschaft in der Techno-Szene sehr hochgehalten wird, könnte man sich von der typischen Form der Einzelberatung lösen und Angebote für kleinere Gruppen anbieten, falls dies den Leuten zusagt.

Neben der Beratung für im Kontakt zur Szene stehende Raver umfaßt dieses Angebot weiterhin Informationsweitergabe an Personen, die mit Techno direkt nichts zu tun haben, aber in deren Bekannten- oder Verwandtenkreis sich solche Leute befinden. Diesen müssen Sach- und Hintergrundinformationen vermittelt werden, damit sie auf dieser Basis einen unvoreingenommenen und angstfreien Um- und Zugang zu Gesprächen mit ihren Freunden oder Angehörigen erreichen können.

Des weiteren könnte ich mir eine Schulden- und / oder Rechtsberatung für Raver vorstellen, ähnlich wie es auch in der Arbeit mit Opiatabhängigen praktiziert wird. Da das Leben in der Techno-Szene mit hohen finanziellen Ausgaben verbunden ist, gibt es viele Personen, die sich dadurch verschuldet haben. Viele von diesen gehen dazu über, ihre Schulden durch das Handeln mit den Drogen abzubauen. Werden sie dabei der Polizei auffällig, geraten sie in noch tiefere Probleme. Diesen Teufelskreis könnte man mit diesem Angebot u.U. durchbrechen. Der Arbeitsbereich der Beratung ist nur zum Teil eine Konsumberatung. Neben den Sozialpädagogen müssen sich auch weitere Berufsgruppen näher mit der Thematik Ecstasy und andere „Partydrogen" beschäftigen, z.B. Ärzte und Psychologen. Da die Zahl der Leute, die aufgrund ihres zu hohen Konsums dieser Drogen Probleme bekommen, in Zukunft ansteigen wird, muß auch die Zahl der medizinischen und psychologischen Fachleute höher werden, damit diesen Personen professionell geholfen werden kann. Der Sozialpädagoge muß auch in der Arbeit mit Ravern innerhalb seiner Kompetenzen bleiben. Therapeutische und medizinische Hilfe fallen allerdings nicht in diesen Kompetenzbereich herein. Deshalb muß auf eine Vernetzung der beratenden Arbeit mit z.B. Krankenhäusern hingearbeitet werden, wo Jugendliche zur Krisenintervention stationär untergebracht werden können. Ein Problem hierbei besteht in der Tatsche, daß Ecstasy-Sucht von den Kostenträgern nicht als Grund anerkannt wird, die Kosten für eine stationäre Drogentherapie zu übernehmen. Es sollte von dieser Seite aus erkannt werden, daß der Mißbrauch von „Partydrogen" durchaus zu massiven psychischen Problemen führen kann, die eine stationäre Behandlung erforderlich machen.

9.5 Notwendige drogenpolitische Veränderungen

Eines der größten Probleme in Zusammenhang mit Ecstasy ist mit Sicherheit der Schwarzmarkt. Erst durch die Illegalisierung durch das Betäubungsmittelgesetz enstand dieser Schwarzmarkt, auf dem in zunehmenden Maße verunreinigte Pillen angeboten werden. Der Abstinenzvorsatz der deutschen Drogenpolitik wird mit allen Mitteln durchzusetzen versucht, obwohl er fast allen in der Praxis gewonnenen Erkenntnissen widerspricht. Denn am Ende der Drogenverfolgungspolitik stehen zumeist immer die Kleinkonsumenten, die von Strafverfolgungsmaßnahmen betroffen sind. Selbst Aussagen der Polizei belegen, daß Jugendliche, die der Polizei durch MDMA -„Vergehen" aufgefallen sind, in den meisten Fällen noch nie irgendwelche kriminellen Handlugen begannen hatten. Meiner Meinung nach ist es unverantwortlich, diese Konsumenten aufgrund ihres Eigenkonsums an Drogen zu kriminalisieren. Durch eine Solche Kriminalisierung laufen diese Jugendlichen Gefahr, sozial destabilisiert zu werden (durch Vorstrafen o.ä.). Daher würde ich darauf plädieren, daß der Besitz von kleinen Mengen zum Eigenverbrauch grundsätzlich straffrei sein sollte. Denkbar, und in meinen Augen praxisgerecht, wäre hier eine Menge von 15-20 Konsumeinheiten, was in etwa einer Anzahl von 8-10 Pillen entspräche. Eine polizeiliche Repression gegenüber der Szene, z.B. in Form von Razzien, bringt im Grunde wenig, da sich dadurch wohl nur sehr wenige Raver davon abhalten lassen, Techno-Parties zu besuchen und dort Drogen zu konsumieren.

Bezüglich des notwendigen Konsumentenschutzes in der Szene ist es nötig, daß politische und rechtliche Möglichkeiten so weit ausgenutzt werden, wie es geht. Das Pillentesten nach dem Vorbild aus Hannover sollte in ganz Deutschland möglich sein. In größeren Städten sollte jeder seine Pillen für wenig Geld testen lassen können. Die Erfahrungen in den Niederlanden haben gezeigt, daß dies ein richtiger Weg ist. Da jede Person die Tests anonym durchführen lassen kann und die Mitarbeiter unter Schweigepflicht stehen, brauchen weder Dealer noch Produzenten eine Strafverfolgung zu fürchten. Das Beispiel des Büros von August de Loor hat gezeigt, daß die Produzenten durchaus bereit sind, solche Angebote in Anspruch zu nehmen. Sie lassen entweder aus eigenem Antrieb ihre Pillen testen, oder werden durch Zeitungsinserate oder Radiodurchsagen dazu gedrängt, eventuelle schlechte oder verunreinigte Pillen vom Markt zu nehmen. Auf diese Weise wäre die durch die Illegalisierung von MDMA enstehende Gefahr, nämlich das Auftreten gesundheitsschädigender Pillen in der Szene, stark gemindert. Der Staat sollte sich für die Gesundheit von Konsumenten soweit verantwortlich fühlen, daß er den
größten Teil der entstehenden Kosten tragen sollte, so wie es in den Niederlanden bereits praktiziert wird.

Unter den Bedingungen des momentanen Schwarzmarktes sollte es Monitoring- und Informationssysteme geben, die regelmäßig und in einem repräsentativen Umfang Daten über den Drogenschwarzmarkt und Drogentrends herausfinden. Hiermit sind Gebrauchsmuster und soziodemographische Daten gemeint. Wenn tendenziell gefährliche Trends festgestellt werden würden, wäre es für die soziale Arbeit wesentlich leichter, diesen Trends durch frühzeitiges Handeln entgegenzutreten. Einige progressive Autoren werfen die Idee einer Legalisierung von MDMA auf (vgl. Schroers, A., 1996, S.77). Ecstasy, so Schroers Vorschlag, könne evtl. in Apotheken auf Rezept eines Arztes verkauft werden. Von solchen Ansätzen halte ich persönlich nicht sonderlich viel. In Deutschland wird zu wenig präventiv gearbeitet. Und meistens beschränkt sich die Arbeit auf Hilfen zum Ausstieg. Kindern und Jugendlichen werden zu wenig bzw. keine Handlungsstrategien zum verantwortungsvollen und kontrollierten Drogengebrauch vermittelt. Genau dies wäre aber die Grundvoraussetzung für einen freien Zugang zu Drogen. Vor diesem Hintergrund lehne ich eine Legalisierung von Ecstasy ab.

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Nachwort / Versuch eines Ausblicks

Für die Entwicklung der Ecstasy- Thematik in der BRD läßt sich ingesamt recht wenig abschließendes oder definitives festlegen. Dennoch gibt es einige Entwicklungslinien und Tendenzen, die genau beobchtet und ausgewertet werden sollten.
Bezüglich der Konsumformen von Ecstasy und anderen „Partydrogen" ist festzustellen, daß sich das Konsumverhalten stark geändert hat. Waren in den 70er Jahren Haschisch- und LSD- Konsum eine Form des Ausdrucks von Protesthaltung gegen die Gesellschaft, sowie der Versuch sich von eben dieser abzugrenzen, verhält es sich mit Ecstasy anders. Im Gegensatz zu heutigen Heroinkonsumenten finden wir in der Techno-Szene Menschen, die trotz ihres Drogenkonsums keine gesellschaftlichen Außenseiter sind. Im Gegenteil, es handelt sich vielmehr um gesellschaftliche Leistungsträger, die oftmals in verantwortlichen Funktionen tätig sind und die einem relativ großen Leistungsdruck unterworfen sind. Um einerseits dabei bestehen zu können, und andererseits auch mal diesen Ballast abzuwerfen, bedienen sie sich diverser Aufputschmittel und setzen sich einer anderen Form des Leistungsdrucks aus. Dieses Verhalten muß dahingehend geändert werden, daß die Konsumenten lernen, eine gewisse Genußfähigkeit zu erlangen. Nur in diesem Rahmen ist es möglich, einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen zu betreiben.

Trotz der Verbreitung von Ecstasy über die Grenzen der Techno-Szene hinaus, besteht immer noch eine große Anlaßbezogenheit des Konsums. Viele der Ecstasy-User konsumieren nur, wenn der Rahmen stimmt, also am Wochenende, auf Parties, innerhalb einer Gemeinschaft. Aufgrund der zunehmenden Vermassung der Szene wird der Konsum leider immer vereinsamter. Dem muß durch Betonung der Wichtigkeit enger persönlicher Bindungen und Freundschaften entgegengewirkt werden.

Festzustellen ist weiterhin, daß die konsumierten Mischungen, die teilweise von Dealern, aber auch von den Konsumenten selber, hergestellt werden, immer stärkere Wirkungen entfalten. Dabei werden nicht nur die einzelnen Stoffe immer potenter, sondern diese Stoffe werden dann auch noch miteinander vermischt. Besonders häufig kommt es zu einer Kombination von Halluzinogenen und Aufputschmitteln, z.B., wenn LSD, Speed und Ecstasy zusammen genommen werden. Auch Versuche mit gegensätzlich wirkenden Stoffen, also Betäubungsmittel kombiniert mit Stimulantien werden in den Notfallaufnahmenh der Krankenhäuser immer häufiger registriert. Es ist schon heute dringend notwendig, „Polytoxikomanen" Hilfsangebote zu entwickeln.
Die klassischen Aufklärungs- und Präventionskampagnen wirken bei den Konsumenten synthetischer Drogen kaum, bzw. gar nicht, weil diese sich in den meisten Fällen nicht als suchtgefährdet ansehen. Die Präventionsarbeit war zudem lange Zeit in den Paradigmen alter, absoluter Abstinenzorientierung gefangen. Dadurch ist sie für junge Leute hochgradig unglaubwürdig geworden. Für junge Menschen gibt es heutzutage wenig Gründe, einer Prävention Glauben zu schenken, die schon immer jede Droge als absolutes Teufelszeug mit größtem Suchtpotential, Giftigkeit und schrecklichsten Folgen an die Wand malte. Wie sollen Jugendliche aber auch dem Hauptslogan der bundesdeutschen Präventionskampagne „Keine Macht den Drogen" Glauben schenken, wenn dieser bei den Fußballspielen der deutschen Nationalmannschaft direkt neben der Krombacher-Pils Werbung an der Bande zu sehen ist.

Mittlerweile befindet sich ernsthafte Präventionsarbeit in einer gründlichen Umorientierungsphase. Es entstehen neue Ansätze, die zunehmend Gründe und Motivation des Konsums hinterfragen und die sich auch nicht scheuen, die subjektiv als positiv empfundenen Wirkungen einer Droge zu thematisieren. Ein weiters wichtiges Element ist die Abkehr von der suchtmittelspezifischen Prävention, die die illegalen Suchtmittel verteufelt und die legalen außer acht läßt, hin zu einer suchtmittelunspezifischen, die in erster Linie auf das Verhalten der Menschen gerichtet ist.

Die Fragen nach den Ursachen und Motiven für den Drogenkonsum einerseits und das Abgleiten in die Sucht andererseits, werden in Zukunft, entgegen aller anderen aktuellen drogenpolitischen Verdrängungsbemühungen, wieder ernster gestellt und vor allem differenzierter beantwortet werden müssen. Die Frage, ob mit den Designerdrogen und insbesondere mit Ecstasy eine Drogenwelle mit all ihren negativen Begleiterscheinungen über die Industrienationen und auch über die BRD hinwegzieht, kann leider nicht definitiv beantwortet werden. Dies liegt darin begründet, daß es in Deutschland keine dem niederländischen „Antenne-Projekt" vergleichbaren Untersuchungen diesbezüglich gibt. Die Bundesregierung sollte in solche Projekte investieren, so daß Daten gewonnen werden können, auf deren Basis gearbeitet werden kann, anstatt das Geld, das für die Prävention zur Verfügung steht, in sinnlosen Projekte zu verpulvern, die nichts erreichen und niemandem etwas bringen.

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Literaturverzeichnis

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  34. Weigle, Constanze und Rippchen, A., MDMA - Die psychoaktive Substanz für Therapie, Ritual und Rekreation, Werner Piepers Medienexperimente, Nachtschattenverlag: Löhrbach 1992
  35. Wilkens, Wilfried: Designerdrogen - Eine Himmelfahrt zur Hölle? Deutscher Ring / Jugend hilft Jugend: Hamburg 1995
  36. Wirth, Nadja: Diplomarbeit an der Fachhochschule Dortmund, 1996

Tageszeitungen und Zeitschriften

  1. BILD, 18.01.1997, S.2, „Ecstasy - So gefährlich ist die Wochenenddroge"
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 07.07.1994, S. 5, Spiegel, H.
  3. Highlife, Februar 1997, S. 38-40, „Die Raving - Society auf dem Weg in die schöne neue Welt?", Eisele, Christiane
  4. Ruhr-Nachrichten, 21.02.1997, S.4, „Ecstasy-Pillen: Vier mußten in die Klinik", Becker, Uwe
  5. Stadtzeitung PRINZ, September 1994, S.30-32
  6. Tageszeitung, 25.11.1994, S.8
  7. Tageszeitung, 24./25.06.1995, S.12
  8. Tempo, September 1994, S. 19-28, „Diese flackernde Licht in der Seele, das sie Ecstasy nennen", Weissenbacher, Robert
  9. TV-NEU, 16.04.1996, S.6, „Ecstasy - Wie gefährdet sind unsere Kinder?"
  10. DIE WELT, 22.08.1996, S.13, „Russisches Roulette mit 'Asterix'", Bettge, Ulla

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